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Hat auf der Winklmoosalm bei Mama Jeannette Lorenz (links) wieder festen Boden unter den Füßen: Celine »Lilly« Lorenz ist zurück aus Brasilien. Dort nahm sie an der WM im Gleitschirmfliegen teil. (Foto: Helmberger)

Celine Lorenz bei der WM im Gleitschirmfliegen in Brasilien dabei

Manche Menschen bekommen Probleme, wenn ihnen der Boden unter den Fußen weggezogen wird. Andere wiederum sind glücklich, wenn sie diesen Hunderte Meter unter sich wissen und wie ein Vogel durch die Lüfte schweben können: Am Gleitschirm finden sie die Freiheit, und man braucht nur an schönen Tagen über die Gipfel der Chiemgau-Berge hinweg zu blicken – wie sie scheinbar mit den Dohlen um die Wette fliegen.


Eine, die dieses Gefühl der Freiheit inzwischen schon profimäßig lebt, ist die 27-jährige Celine »Lilly« Lorenz von der Winklmoosalm in Reit im Winkl, die im September als Mitglied der deutschen Nationalmannschaft an der Gleitschirm-Weltmeisterschaft in Castelo (Brasilien), etwa vier Autostunden von Rio de Janeiro entfernt, teilnehmen konnte. Sie ist vor ein paar Tagen zwar nicht mit einem Titel oder Medaillen nach Hause gekommen, dafür aber mit vielen tollen Eindrücken.

Die Faszination des Fliegens hatte sie spätestens vor eineinhalb Jahrzehnten gepackt: »Da habe ich von Mama einen Tandemflug geschenkt bekommen, und mit 16 Jahren habe ich bereits den Schein erworben«, blickt sie zurück. Als sie zum ersten Mal am Unternberg in Ruhpolding in die Lüfte schwebte, konnte sie dieses Gefühl, »frei wie ein Vogel zu sein«, genießen. Zur Freude kam auch der Ehrgeiz, und so nahm das Fliegen bald den Hauptteil ihres Lebens ein. »Ich hab an der FOS in Traunstein öfter die Schule geschwänzt, musste einmal sogar wiederholen«, bekannte sie, fand aber auch einen »Kompromiss«: »Ich bin dann mit dem Gleitschirm-Rucksack anstatt dem Schulpack in die Schule gekommen«; um möglichst schnell wieder den Traum vom Fliegen verwirklichen zu können. Nach dem trotzdem bestandenen Fachabitur absolvierte sie in Innsbruck eine Konditorenlehre, die aber, so Lorenz, hauptsächlich als »Alibi« für die angestrebte Profikarriere dienen sollte.

Bald nahm sie an Wettbewerben wie an der Deutschen Meisterschaft und an Weltcup-Wettbewerben teil, sodass sie sich jetzt neben drei Männern als einzige Frau im Team des Deutschen Hängegleiterverbandes (DHV) für die WM qualifizieren konnte. Mit drei Titeln bei Deutschen Meisterschaften hatte sie sich in die Elite der deutschen Gleitschirmpiloten aufgeschwungen; die Titelkämpfe wurden in Greifenburg/Österreich, Mazedonien und Saint André/Frankreich und nicht in Deutschland ausgetragen.

Vor rund einem halben Jahr erhielt sie die Nachricht, dass sie an den Welttitelkämpfen in Brasilien teilnehmen darf. »Dort ist jetzt Frühling, in Castelo herrschten durchwachsene Bedingungen. Acht »Tasks«, also Wertungsflüge, waren dort für die rund 130 Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu absolvieren; dabei waren Strecken zwischen 50 und 100 Kilometer zu bewältigen. Schließlich galt es, möglichst nahe dem »Goal«, also dem Zielpunkt anzukommen. Da die Landschaft den meisten völlig unbekannt war, gab es in den Tagen zuvor jeweils Orientierungsflüge, um die Gegend kennenzulernen. Nach den acht Tasks landete Celine Lorenz im Mittelfeld der Gesamtwertung. Noch wichtiger als die Platzierung war für sie aber das Erlebnis, tief unter sich eine unbekannte Welt zu betrachten, ohne das für den Wettbewerb nötige Equipment wie elektronische Positionsdaten außer Acht zu lassen.

Jetzt ist sie wieder zurück, freut sich aber schon auf die nächsten Flüge, wenn es das Wetter zulässt. Dabei ist sie nicht allein auf Seilbahnen angewiesen, denn auch »Hike and Fly« macht ihr Spaß: Mit dem Gleitschirm im Rucksack auf den Gipfel zu steigen und dann nach dem Start mit dem Spiel der Thermik die Freiheit der Lüfte zu genießen. Gern geht sie deshalb auf den Hochgern, aber auch Hochfelln, Unternberg und der Balsberg in Unterwössen sind ihre bevorzugten Startplätze.

Doch jetzt hat sie wieder festen Boden unter den Füßen genommen und hilft auf der Winklmoosalm in der Traunsteiner Alpenvereinshütte der Mama Jeannette beim Wirtschaften. Aber wenn’s geht, bricht sie wieder auf, um den festen Boden unter den Füßen zu verlassen und die Freiheit des Fliegens zu genießen. H.

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