Der Ex-Kriminalhauptkommissar hörte sich am Donnerstag mit hochrotem Kopf die unsäglichen Details der Anklageschrift von Staatsanwältin Linda Arnótfalvy an. Analer und oraler Geschlechtsverkehr von Erwachsenen mit gerade acht oder zehn Jahre alten Buben und vaginaler Geschlechtsverkehr eines Mannes mit einem vierjährigen Mädchen waren in den Dateien zu sehen.
Der 62-Jährige gab sich reuig. Die Vorwürfe stimmten »im Prinzip«. Der Kontakt sei über eine RTL- Videochat-Seite zustande gekommen: »Es ging um ganz normale Kontakte, Freundschaften oder wie auch immer.« Ein »Nino« habe ihm unaufgefordert Fotos zugesandt. »Dann hatte ich die Scheiße am Hals. Mir war klar, dass das strafbar ist«, versuchte der 62-Jährige zu erklären. Er hätte zur Polizei gehen sollen und die Dateien melden müssen. Das aber habe er nicht getan, vielleicht auch alles verdrängt. Die Daten habe er auf den Laptop überspielt – weil der Speicher seines Handys voll gewesen sei mit Urlaubsfotos und »was man halt so hat«. Er habe Dateien gelöscht beziehungsweise »das zumindest geglaubt«.
»Jetzt bin ich froh, dass ich hier sitze und für meine Straftat verurteilt werde. Ich werde so etwas nie wieder machen«, fuhr der 62-Jährige fort. Er habe wissen wollen, wer dieser »Nino« ist. Der habe nicht ermittelt werden können. Er habe Dateien weitergeleitet – an ihm nicht bekannte Leute, deren Adressen er aus der Videochat-Seite hatte.
Auf Frage des Vorsitzenden verneinte der 62-Jährige pädophile Neigungen. Nicht erklären konnte er aber zum Beispiel das eindeutige Foto eines kleinen Mädchens als Hintergrundbild auf seinem Laptop. Die Taten bezeichnete er als »einen der schwärzesten Punkte« in seinem Leben. Der Ex-Polizist hatte den Dienst Ende der 1980-er Jahre aufgekündigt, weil er »nicht mehr zufrieden« war und sich später mit verschiedenen Jobs durchgeschlagen. Aktuell lebt er von Arbeitslosengeld II.
Auf Nachhaken der Staatsanwältin wiederholte der 62-Jährige, er sei nicht pädophil. »Wenn man darauf nicht abfährt, ekeln einen solche Sachen an, sie schrecken ab«, stellte Linda Arnotfalvy fest. Der Angestellte zeigte sich bereit zu einer Therapie, aber nur, »um mit allem abzuschließen«. Sexistische Kommentare über Kinder im Chatverkehr seien nicht ernst gemeint gewesen.
»Es wurde querbeet getauscht«
Ein Beamter der Kripo Traunstein schilderte, bei der Staatsanwaltschaft sei eine Meldung aus Norddeutschland mit Hinweis auf den Angeklagten eingegangen. Bei der Durchsuchung seien dessen Handy und Notebook sichergestellt und ausgewertet worden. Gestoßen sei man auf einen Kreis von etwa 170 WhatsApp-Teilnehmern. Mit 35 Personen habe der 62-Jährige Dateien mit jeweils hunderten von Einzelbildern gewechselt. Eine Hauptquelle habe man nicht gefunden. »Es wurde querbeet getauscht. Die Kontakte liefen über den RTL-Teletext«, informierte der Kripozeuge. Das Bayerische Landeskriminalamt konnte auf Smartphone und Laptop Unmengen pornografischer Bilder nachweisen, davon etwa ein Drittel strafbare Kinderpornos.
Staatsanwältin Linda Arnotfalvy schenkte den Angaben des 62-Jährigen hinsichtlich seiner Neigung keinen Glauben. Er habe aktiv an andere Teilnehmer geschrieben: »Er ist nicht reingeraten, sondern hat weitergemacht. Er hat keine Einsicht und bis zuletzt keine Erklärung geliefert.« Zwei Jahre und vier Monate Freiheitsstrafe seien tat- und schuldangemessen. Verteidiger Manfred Kösterke aus Traunstein argumentierte mit »sozialer Abschottung« seines Mandanten und hielt eine Freiheitsstrafe von unter zwei Jahren mit Bewährung und Therapieauflagen für ausreichend. »Es tut mir leid. Man drückt und drückt und weg ist die Nacht«, so der 62-Jährige im »letzten Wort«.
Vorsitzender Richter Thilo Schmidt hob im Urteil heraus, die Bilder seien »unterste Schublade, das Widerlichste, was in dem Bereich vorhanden ist«. Das Gericht habe dem Angeklagten nicht abgenommen, dass er irgendwie reingerutscht sei und das Material gar nicht haben wollte. Dies passe auch nicht zusammen mit den Chatverläufen und mit dem Hintergrundbild auf dem Notebook.
»Bei Ihnen ist mehr dahinter, als Sie eingeräumt haben.« Strafschärfend wirkten die vielen Bilder pro Chat und die Videos, »die den Unrechtswert steigern« sowie die »Qualität des Missbrauchs«. Zwei Jahre Strafe seien »gerade noch ausreichend«. Bewährung habe das Gericht bejaht – wenn auch »mit großen Bedenken«.
Dass sich der 62-Jährige von den Taten distanziere, sei glaubwürdig, nicht aber, dass er keine pädophilen Neigungen habe: »Wir versuchen, Sie von allen Kindern fernzuhalten«, so der Richter. Der 62-Jährige dürfe sich auf 100 Metern keinerlei Kinderbetreuungseinrichtungen nähern – von Spielplätzen über Schwimmbäder bis zu Krippen und Schulen. Der Richter weiter: »Sie gehen nirgends hin, wo Kinder sind. Sie setzen sich im Bus nicht zu den Schülern, sondern vorne zum Fahrer.« kd