Denn der Leistungssport sei deutlich mehr als die Wettkämpfe. »Das ist ja 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche mein Leben. Alles dreht sich darum, da gehört ganz viel dazu. Der Leistungssport hat nicht umsonst auch ein begrenztes zeitliches Fenster«, weiß sie. Und betont: »Ich habe bis zum Schluss 100 Prozent gegeben.«
Sie hatte schon vor der Saison im Prinzip überlegt: »Ob es mit Olympia klappt oder nicht, es wird einfach Zeit.« Aber eben nur im Prinzip: »Es war dann trotzdem eine schwierige Entscheidung und es hat etwas gedauert, bis ich mir sicher war. Schließlich wäre unter anderem die Heim-WM 2023 in Oberhof noch ein reizvolles Ziel gewesen.« Letztlich aber sei die Entscheidung immer klarer geworden.
Dazu beigetragen hatte auch die Zeit, die sie durch Verletzungsausfälle unfreiwillig hatte. Horchler hatte sich im Jahr 2020 im Training einen Rippenbruch zugezogen. Als sie wieder fit war und voll trainierte, brach die Rippe erneut. So konnte sie in der gesamten Saison 2020/21 keinen einzigen Wettkampf bestreiten.
Das erwies sich im vergangenen Winter als klarer Nachteil. Im Dezember 2021 »habe ich schon gemerkt, dass mir dieser Wettkampfrhythmus einfach fehlt. Ich war auch mit dem Ablauf noch etwas überfordert, und daher lief es auch von den Ergebnissen her nicht so gut.« Doch ab Januar 2022 »war ich wieder richtig drin. Auch wenn ich zunächst 'nur' beim Deutschlandpokal war, war es gut, zu sehen, dass es letztlich egal ist, auf welcher Ebene man antritt: Der Sport an sich macht einfach so viel Spaß, das wurde mir in dieser Zeit besonders bewusst.«
Zudem seien die Starts im Deutschlandpokal, bei denen »ich mich praktisch um alles selbst kümmern musste«, eine Art »zurück zu den Wurzeln« gewesen – und insofern eine spannende Erfahrung. Horchlers ansteigende Form brachte ihr sogar die EM-Nominierung. Doch das Verletzungspech ereilte sie erneut: Wegen einer Fußverletzung konnte sie nur unter Schmerzen noch am Einzellauf teilnehmen. Die Hoffnung auf eine baldige Rückkehr ins Training war auch schnell dahin: Der Fuß musste wochenlang in einem festen Schuh komplett ruhiggestellt werden, erst seit wenigen Tagen ist er wieder »befreit«.
Das Verletzungspech und andere Rückschläge ereilten Horchler immer wieder in ihrer Laufbahn. So fiel sie beispielsweise eine Saison aus dem Kadersystem heraus – und kämpfte sich zurück. Als sie im Sommer 2017 beim Skiroller-Training von einem Lastwagen angefahren worden war und sich das Schultergelenk gebrochen hatte, arbeitete sie sich dennoch zurück – und gewann im folgenden Winter die IBU-Cup-Gesamtwertung. Das brachte ihr auch den Start beim Weltcup-Saisonfinale ein, dort wurde sie nach Rang elf im Sprint sogar Fünfte in der Verfolgung. »Der Sieg im Cup spricht schon für eine konstante Saison. Das Ergebnis im Weltcup hat mir dann gezeigt, dass ich, wenn alles passt, auch mal ganz vorne mithalten kann. So ein Erfolg trägt einen.« Klar sei auch: »Es geht nicht allein um Medaillen, sondern auch um den Weg, den man gemacht hat – es zählt die ganze Reise.« Auf dieser Reise musste sie bei ihrer ersten WM-Teilnahme 2019 in Östersund (Schweden) noch tatenlos zusehen. 2020 aber gab's in Antholz die Silbermedaille in der Staffel mit ihren Stützpunkt-Kolleginnen Vanessa Hinz (SC Schliersee), Franziska Preuß (SC Haag) und Denise Herrmann (WSC Erzgebirge Oberwiesenthal). »Besonders, dass es gemeinsam mit den Mädels war, hat einen Traum wahrgemacht.«
Dass Horchler nach Rückschlägen immer wieder zurückkam, hat seinen Grund: »Das Kämpferherz liegt wohl bei uns in der Familie«, weiß sie. Ihre drei Jahre ältere Schwester Nadine hatte bis 2020 ebenfalls Biathlon auf höchstem Niveau betrieben, ebenso im Jugendalter Karolin Horchlers wenige Minuten ältere Zwillingsschwester Kristin. »Solange es einen kleinen Funken Hoffnung gab, habe ich immer versucht, alles zu geben. Das hat mich schon auch ausgemacht.«
Ihre Planungen für die Zukunft sind noch nicht abgeschlossen. »Ich will auf jeden Fall neue Bereiche kennenlernen, aber ich will erst noch alles abklären. Der Olympia-Stützpunkt München hilft einem da viel mit der Beratung.« Ebenfalls hilfreich ist für die Sportsoldatin, »dass ich nicht nur bis Ende September gut abtrainieren kann, sondern auch durch den Berufsförderungsdienst der Bundeswehr super abgesichert bin.«
Abtrainieren wird die 32-Jährige zu einem großen Teil in ihrer Wahlheimat Ruhpolding, in der sie seit 2014 lebt. Auch wenn es sie danach »wohl eher woandershin« ziehen werde, »habe ich mich hier immer superwohl gefühlt. Es ist wunderschön hier zu leben, und die Freundschaften mit den Kolleginnen werden auch für immer bleiben. Außerdem war es toll, was ich gerade in den vergangenen drei Jahren mit dem Trainerteam bei uns – Kristian Mehringer, Florian Steirer und Rudi Schöllmann – erleben durfte. Wie da die Zusammenarbeit war, das war toll.« Ebenso sei ihr früherer Trainer Remo Krug ein wichtiger Ansprechpartner gewesen, »gerade in der Zeit, als ich ohne Kaderstatus war, hat er mir sehr geholfen.«
Noch ist unklar, wohin Horchlers neue »Reise« nach dem Biathlon hinführen wird. Fest steht aber: »Ich werde sicher immer wieder gerne nach Ruhpolding kommen.« who