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Herbert Stahl, 1. Vorsitzender des Kunstvereins Traunstein (links), im Gespräch mit den Künstlern Martin Schneider und Maura Hagen. (Foto: Axel Effner)

Wo Alltagsdinge die Fantasie anstacheln

Manchmal tut es ganz gut, sich das Oberstübchen ordentlich durchrütteln zu lassen, um geistig frisch sortiert den Herausforderungen des Alltags wieder besser begegnen zu können. Wenn diese Form der inneren Neuausrichtung noch mit einer ordentlichen Prise Humor, Hintersinn, Staunen, Intelligenz und Verblüffung verbunden ist: umso besser.


Wie bei einem raffiniert komponierten Gericht ist all das zusammen noch am Dienstag in einer Ausstellung in der Alten Wache im Traunsteiner Rathaus angerichtet. Der Besucher gerät dort unversehens in einen Dialog, den die beiden beteiligten Künstler absichtsvoll als »schräg« tituliert haben. Das Veranstaltungsformat des Künstler-Dialogs pflegt der Kunstverein Traunstein bereits seit 15 Jahren, wie 1. Vorsitzender Herbert Stahl in seinen einführenden Worten deutlich machte. Ein Mitglied des Vereins lädt dabei einen weiteren Künstler als Gast ein. Daraus ergeben sich mitunter höchst inspirierende Überschneidungen, Referenzen und neue Bedeutungsebenen.

Heuer waren die Traunsteiner Künstlerin Maura Hagen und ihr Berliner Kollege Martin Schneider »im Dialog«. Was auf den ersten Blick auffällt, ist, dass beide Kreative ganz offenkundig passionierte Sammler und Geschichtenerzähler sind. Maura Hagen hat über 50 Einzelkunstwerke – zum Teil in verblüffenden Miniaturformaten – und Sammel-Installationen im aufklappbaren Handtaschenformat zusammengetragen.

Lebendige Fantasiewelt

Diese erfreuen in ihrer mitunter minutiösen Kleinteiligkeit das Auge und beschäftigen durch unkonventionell-assoziative Kombinationen den Geist. Exemplarisch zeigt dies etwa das als »Museum Sammlung Hagen« titulierte Werk voller Charme. Gerahmte Miniaturgrafiken, Steingesichter, drapierte Playmobilfiguren mit Pinsel, eine Postkarte mit Motiven des Architekten Antoni Gaudí geben ganz zauberhaft samt Säule, Springteufel und Korken-Kunstwerk Einblick in Maura Hagens höchst lebendige Fantasiewelt. Mit ihrer bunten Vielfalt an Ideen, Kombinationen, Materialien und Fundstücken verhilft sie kleinen, scheinbar nebensächlichen oder weggeworfenen Dingen zu neuer Bedeutung. Ebenso erweist sie sich in akribischen, vor Fantasie überquellenden Zeichnungen, die sich mit verschiedenen Stiften, Kreiden oder der Feder anfertigt, als virtuose Künstlerin, die durchaus auch Tiefe zeigt.

Martin Schneider wiederum hat ein Faible für altes Spielzeug – speziell Garagen –, kennt sich wie kein Zweiter in der Kunstgeschichte aus und liebt es, scheinbar Bekanntes aus dem Zusammenhang zu lösen und mit neuer Bedeutung aufzuladen. Kunst wird für ihn damit zu einem lebendigen Experimentierfeld, um alte Muster, verkrustete Gedanken oder Festlegungen aufzubrechen. Auf den ersten Blick Absurdes und Skurriles zeigt bei genauer Betrachtung faszinierende neue Zusammenhänge. Durchaus auch mit sozialkritischer Attitüde.

Beispielhaft dafür steht seine »Kunst-Garage«, die im Erklärtext vorgibt, dass der »Imperator« weltweit alle Kunstwerke vernichten und alle Hinweise in Bibliotheken und im Internet auslöschen will. Zeitgeschichtliche Parallelen sind rein zufällig. Da der Besitz von Kunstmaterialien schwer bestraft wird, so die Idee, arbeiten Rebellen im Untergrund bei konspirativen Vernissagen mit unverfänglichen Materialien. Der Betrachter ist nun aufgefordert, wie bei einem Quiz auf »harmlosen« Fotos Meisterwerke von Vermeer, Rembrandt, Casper David Friedrich, Dürer, Baselitz, Warhol und anderen Größen der Kunstwelt wiederzuerkennen.

Die Ausstellung ist noch am Dienstag von 13 bis 16 Uhr geöffnet.

Axel Effner

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