Mit Spannung erwartet wurden die diesjährigen Preisträger des »Roter-Reiter-Preis«, der am Samstag im Kulturforum Klosterkirche verliehen wurde. Zum fünften Mal haben Landkreis, Stadt und Kunstverein Traunstein den Preis vergeben, der mit 3000 Euro dotiert ist und seit 2013 alle zwei Jahre ausgelobt wird. Die heuer erstmalig drei Preisträger sind die in Rosenheim geborene Fotokünstlerin Anna Kirsch, Uli Reiter aus Gstadt und Claudia Weber aus Traunstein.
Den kleinen Festakt eröffnete der Vorsitzende des Kunstvereins, Herbert Stahl, mit einer kurzen Lesung aus Thomas Bernhards Buch »Meine Preise«, in dem die schwierige Kleiderfrage für einen Preisträger ironisch-witzig abgehandelt wird. Da die Preisträger beim »Roter-Reiter-Preis« nie vorher wissen, wer ihn erhält, fiel das Kleiderproblem für sie weg und so war die Nennung der Namen eine echte Überraschung.
Mit herzlicher Gratulation auch im Namen von Landrat Siegfried Walch verlas der stellvertretende Landrat Josef Konhäuser die Begründung der Jury für die Auszeichnung des Fotokonzepts »battle« von Anna Kirsch: »Ausgezeichnet wird ein Kunstwerk, das mit souverän gehandhabten Mitteln der fotografischen Bearbeitung aus einer historischen Vorlage eine originelle zeitgemäße Darstellung entwickelt.« Im positiven Sinne plakativ, weil verdichtet und eingängig, greife die Arbeit das Ausstellungsthema »Machtspiele« auf und verweise mahnend auf »Absurdität und Destruktivität kriegerischer Auseinandersetzungen«. Die Botschaft laute: »Die zunächst auf ein Gegenüber gerichtete Gewalt wird in diesem mit dem Instrument der Spiegelung arbeitenden Werk als Klärung von Machtverhältnissen interpretiert, die nur Verlierer kennt«, so die Begründung der Jury.
Als Vertreterin der Stadt gab Traunsteins 2. Bürgermeisterin Walburga Mörtl-Körner die Begründung der Jury für die mehrteilige Multimedia-Installation »cartilago cnidaria« von Claudia Weber wieder. In der Installation seien »verschiedene künstlerische Techniken und Ausdrucksformen der Gegenwart zu einem neuen stilsicher komponierten Ganzen vereint«. Überzeugend sei die zeichnerische und malerische Präzision und Finesse, die gekonnt analoge Gestaltungsmöglichkeiten, die einer klassischen Tradition verpflichtet sind, mit digitalen Ausdrucksformen der Gegenwart verbinden. Von aktueller Brisanz sei die Problematisierung der ethischen Grauzone zwischen menschlicher Hybris und naturwissenschaftlichem Fortschritt, die heute zugunsten wirtschaftlicher Interessen entschieden werde – so die Aussage des Werkes.
Der Vorsitzende des Kunstvereins, Herbert Stahl, verlas die Begründung für die Auszeichnung des konzeptionellen Werks »Beste Arbeit« von Uli Reiter, das darauf aufbaue, die Bereiche der Kunst und der Alltagswelt aufzubrechen und zu vermengen. Die Komplexität der mehrteiligen, an unterschiedlichen Orten platzierten Installation erschließe sich erst im Laufe des Ausstellungsrundgangs, so Stahl. »Das Thema 'Machtspiele' wird unmittelbar und nur scheinbar affirmativ auf den Kunst- und Ausstellungsbetrieb und dessen Regeln und Kriterien zur Bewertung von Kunst bezogen und sabotiert diese gleichzeitig«, so die Begründung. Die Forderung des Publikums nach Orientierung und einem eindeutigen Urteil über Kunst werde nachhaltig irritiert. So handle es sich bei »Beste Arbeit« von Uli Reiter um eine künstlerische Persiflage, die die Objektivität von Juryentscheidungen und Preisvergaben mit spöttischem Humor und Ironie hinterfrage.
Unter dem Applaus des Publikums nahmen alle drei Preisträger die Urkunden und Glückwünsche aus den Händen der Vertreter von Landkreis, Stadt und Kunstverein entgegen. Die Kulturreferentin der Stadt, Ursula Lay, ehrte überdies noch Herbert Stahl für seine langjährige hoch engagierte Arbeit als Vorsitzender des Kunstvereins.
Ausgezeichnet werden mit dem »Roter-Reiter-Preis« jeweils ein bis maximal drei Werke aus der aktuellen Offenen Jahresausstellung des Kunstvereins Traunstein – in diesem Jahr unter dem Titel »Machtspiele«, die inhaltlich und ästhetisch Zeitbezüge aufweisen, neue Sehgewohnheiten hervorrufen oder einen experimentellen Charakter haben.
Auf diese Weise wird ideell das Anliegen der 1945 in Traunstein gegründeten, progressiven Künstlergruppe »Roter Reiter« weitergeführt. Ihr gehörten damals der Maler Erwin Shoultz-Carnoff mit den Künstlern Franz Rudolf Wanka, Otto Speidel und Otto Sliwka an. Wie bei der jurierten Offenen Jahresausstellung bestand die fünfköpfige Jury aus Judith Bader, Siglinde Berndt, Eva Dahn-Rubin, Paul Grassler und Samuel Rachl. Christiane Giesen