Für drei Athleten war dieser Turnpoint auch ein Heimspiel. Mit Markus Anders aus Grassau, Markus Loidl aus Marquartstein und die ehemalige Reit im Winklerin Celine Lorenz, die jetzt in Garmisch-Partenkirchen wohnt, sind gleich drei heimische Athleten am Start. Für Loidl und Lorenz ist es die erste Teilnahme an diesem spektakulären Wettbewerb.
Die Red Bull X-Alps gelten als eines der härtesten Abenteuerrennen der Welt. Für Gleitschirmflieger hat der Wettbewerb den Status einer inoffiziellen Weltmeisterschaft. Seit 2003 – also seit 20 Jahren – findet das Rennen alle zwei Jahre statt. Das Rennen führt diesmal in die Zugspitz-Arena, über den Piz Buin in die Schweiz und zum Mont Blanc. An der Alpensüdseite geht es zurück über die Drei Zinnen und Sexten in den Dolomiten nach Zell am See.
Die Teilnehmer dürfen nur fliegen oder zu Fuß – die Flugausrüstung auf dem Rücken – unterwegs sein. Die Athleten haben dabei ein Zeitfenster von 5 Uhr in der Früh bis 22 Uhr, sie können aber nur bei Tageslicht zwischen 6 und 21 Uhr fliegen. Sie können diese Frist aber unterbrechen, wenn sie einen sogenannten Night- Pass ziehen. Jeder Athlet hat einen, aber die drei Gewinner des Prologs bekommen einen zusätzlichen, den sie für einen strategischen Vorteil nutzen können.
Am Turnpoint Achental war einiges los. Zu Hunderten kamen die Menschen, um ihre Gleitschirmidole einmal hautnah zu erleben. Live-Tracking und Renninformationen über Lautsprecher hielten die Zuschauer auf dem Laufenden, zudem gab es ein buntes Rahmenprogramm und jede Menge musikalische Unterhaltung.
Thomas Huber, Extremkletterer und Teil der Huberbuam, besuchte das Turnpoint-Event ebenfalls und erzählte von seinen Erfahrungen im Fliegen: Fallschirmspringen, Basejumpen, Wingsuitfliegen – das sei ihm allerdings alles zu gefährlich gewesen und aus Liebe zum Leben sei er beim Gleitschirmfliegen gelandet. »Das ist für mich fast noch spannender als das Klettern, weil die unsichtbare Materie Luft eine unfassbare Dynamik hat«, sagte Thomas Huber.
Die Zuschauer sahen ein überaus spannendes Rennen gleich am ersten Tag. Eine geschlossene Spitzengruppe hatte sich bis zum Turnpoint 2 bei windigem, aber gutem Wetter durchgekämpft. Dort spaltete sich die Spitzengruppe. Die eine mit dem Ungarn Pal Takats und dem Lokalmatadoren Markus Anders wählte den Weg nach Westen zu Fuß hinauf über flacheres Gelände. Die andere um Seriensieger Chrigel Maurer aus der Schweiz brach nach Norden auf eine steilere Strecke auf, die aber weniger Gegenwind in Aussicht stellte. Bei nachlassender Thermik kamen die beiden Spitzengruppen bis zuletzt mit kleineren Flügen voran.
Doch bis nach Marquartstein reichte es an diesem Tag nicht mehr. Markus Anders zog als einziger Rennteilnehmer in der ersten Nacht den Night-Pass. Er legte so zu Fuß noch einiges an Strecke und Höhe zurück und brachte sich auf Platz 1 des Rennens. Nach eigenen Angaben schlief er die Nacht nur zwei Stunden.
Der Morgen begann für alle Athleten der Spitzengruppe mit Märschen hinauf zu aussichtsreichen Startplätzen. Anders gelang es, aus Richtung Erpfendorf über die Ortschaft Kössen hinweg zu fliegen, von wo aus er erneut hinaufstürmte, um dann das Schlechinger Tal zu durchfliegen. Für ihn zeichnete sich aber Gegenwind ab.
Gespannt richteten sich die Augen der Besucher am Marquartsteiner Turnpoint Richtung Hochplatte, Anders am Himmel zu finden. Kurz darauf kam aber auch die Botschaft über Lautsprecher, die andere Spitzengruppe um Christian Maurer stürmte aus Richtung Hochgern heran. Gleich mehr Schirme tauchten kurz darauf tatsächlich am Himmel auf.
Der Italiener Aaron Durogati erreichte den »Turnpoint 3 Chiemgau Achental« als Erster und landete spektakulär mitten unter den Zuschauern. Großer Jubel für ihn, wie auch für die anderen, denn nun ging es Schlag auf Schlag. Maxime Pinot (Frankreich), Simon Oberrauner (Österreich), Tim Alongi (Frankreich), Christian Mauerer (Schweiz), Tobias Grossrubatscher (Italien) und auch Markus Anders. für den es viel Applaus gab, landeten.
Die Athleten hielten sich aber nicht lange am Turnpoint auf: Nach der Unterschrift auf dem Tableau halfen die Supporter den Athleten beim Packen des Schirms und weiter ging es im flotten Schritt oder sogar im Lauftempo Richtung Hochplatte. Die Athleten wollten schnell wieder Höhe machen für einen guten Weiterflug.
Markus Anders nahm sich noch kurz für ein Interview Zeit. Auf die Frage, ob er enttäuscht sei, immerhin war er trotz Night-Pass wieder von der Spitzengruppe eingeholt worden, meinte er: »Das ist das Risiko. Es ist noch nichts entschieden. Also machen wir weiter.«
Und der zweite Tag wurde ein Hammertag! Die Wetterverhältnisse machten den Weg zum Turnpoint Lermoos zu einer regelrechten Rennstrecke – und es wird auch die kommenden Tage überaus spannend bleiben.
Die Verantwortlichen in Marquartstein zogen nach der Veranstaltung zufrieden Bilanz. Nina Transier von der Chiemgau GmbH lobte die tolle Zusammenarbeit mit allen Partnern: »Gemeinsam mit unserem starken Netzwerk in der Region macht es wirklich Spaß, ein Event wie dieses auf die Beine zu stellen.«
Elisabeth Keihl vom Achental Tourismus freute sich ebenfalls sehr: »Besonders gefallen hat mir die Stimmung: Es gab ein abwechslungsreiches Programm für Jung und Alt. Und für uns war es eine tolle Möglichkeit, das Achental mit seiner einzigartigen Landschaft, aber auch mit den feierlustigen Menschen zu präsentieren.«
lukk/fb