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Sie freuen sich darüber, dass im Bereich der Haaralm wieder jeder Brunnen reichlich Wasser führt: (von links) Projektant Norbert Samweber, Ludwig Böddecker, Hans und Anton Hinterreiter, Alois Richter, Isidor Haas und Alfred Eisenberger. (Foto: Schick)

Zukunftsweisende Investition

Ruhpolding. Mit einer komplett erneuerten und teilweise erweiterten Wasserversorgungsanlage haben die Bauern der Haaralm im Ruhpoldinger Gemeindegebiet die für sie und ihre Höfe wirtschaftlich wichtige Sommerbeweidung langfristig gesichert.


Zunehmende Wasserknappheit hat den Landwirten in dem 50 Hektar großen Almgebiet von Jahr zu Jahr mehr zu schaffen gemacht, sodass es immer schwieriger und aufwändiger wurde, die gut 100 Rinder und ein Dutzend Pferde ausreichend zu versorgen.

»Seit dem Jahrhundertsommer 2003 wurde die Situation immer unsicherer«, sagt Bezirksalmbauer Ludwig Böddecker, der zugleich als Sprecher die Interessen der Haaralmbauern vertritt. Hinzu kam, dass die Anlage, die seit 1952 in Betrieb war, nicht mehr den Anforderungen der Trinkwasserverordnung entsprach. Zwar wurde sie mehrmals überholt, aber die eigentlichen Probleme waren damit nicht behoben. Auch die Versuche mit solar- oder dieselbetriebenen Pumpen brachten keine befriedigende Lösung.

Eine entscheidende Wendung deutete sich erst an, als der Ramslerbauer Fredi Eisenberger einen Beitrag in der Reihe »Unser Land« sah, der sich mit der altbewährten und mittlerweile optimierten Widder-Technik befasste.

Der folgende Kontakt zu dem ausgewiesenen Experten Norbert Samweber aus Oberneukirchen sollte sich als Glücksgriff erweisen. Der Spezialist für stromlose Wasserpumpen arbeitete nach mehrfacher Besichtigung ein Konzept aus, das mit viel Herzblut und Eigenleistung in die Tat umgesetzt wurde. »Der hat uns nichts aufschwatzen wollen, sondern das Maximalste für unsere Alm rausgeholt«, lobt der Hansenbauer Hans Hinterreiter, der anfangs noch zu den Skeptikern gehörte, den Sachverstand des Projektanten.

Über 600 Stunden Arbeit investierten die Almbauern bis zum geglückten Probelauf Ende April. Hinzu kommen noch gut 300 Maschinenstunden. Im Einsatz waren zwei Bagger, Traktoren und ein Unimog. Aber auch Muskelkraft war gefragt, wenn der Untergrund nur Arbeiten mit herkömmlichem Werkzeug wie Pickel und Schaufel zuließ. Beim Verlegen der etwa drei Kilometer langen Rohrleitung gingen die Bauern behutsam und geländeschonend vor. Nur noch an manchen Stellen sieht man, wo die Leitung verlegt wurde.

Völlig ohne Strom

Das Herzstück der neuen Anlage, ein Hochleistungswidder arbeitet in dem neu gebauten Widderhaus. Hier herauf führt nur ein schmaler, teilweise sehr steiler Almweg. Gespeist wird der Widder vom Quellwasser, das vom 85 Meter höher gelegenen Treibschacht kommt und ganz ohne Strom, nur mit der faszinierenden Schlagventiltechnik in den ebenfalls neuen Hochbehälter in 1450 Meter Höhe gepumpt wird.

Bis das Wasser den mit 9,5 Kubikmeter fassenden Tank erreicht, hat es eine Pumphöhe von 214 Metern hinter sich gebracht. Diese beachtliche Leistung vollführt der Widder mit einer Taktung von 5,7 Schlägen pro Sekunde. »Die hohe Schlagzahl ist beabsichtigt, um dadurch die Ventile und die im Betonklotz befindliche Treibleitung zu schonen«, erklärt Norbert Samweber. Die Anlage hat einen Wirkungsgrad 71 Prozent. Bei einer Pumpleistung von 11,14 Liter pro Minute pumpt der Widder 16 Kubikmeter Wasser pro Tag nach oben.

Da die ersten Schätzungen von etwa 60 000 Euro Kosten ausgingen, krempelten die Bauern die Ärmel hoch und drückten durch ihre Eigenleistung die Gesamtkosten um ein deutlich nach unten. Weil das Projekt auch im Rahmen des bayerischen Bergbauernprogramms gefördert wird, bleiben die Kosten für die Beteiligten in einem moderaten Rahmen.

Nicht nur die Zusammenarbeit klappte erstklassig; auch die Staatsforste mit dem Forstbetrieb Ruhpolding, das Landratsamt Traunstein als Untere Naturschutzbehörde und das Landwirtschaftsamt unterstützten die Baumaßnahme unbürokratisch.

Seinen Namen hat der Widder, fachlich auch als Stoßheber bezeichnet, wahrscheinlich von den brachialen Mauerbrechern der Römer, die zumeist mit einem Widderkopf verziert waren. Bereits 1797 erhielt der erfindungsreiche Franzose Joseph Michel Montgolfier (Heißluftballon) sein Patent für den hydraulischen Widder. Seit über 200 Jahren ist der umweltfreundliche Wasserheber in der Landwirtschaft, Fischzucht, an Berghütten, Ferienhäusern und in zahlreichen anderen Bereichen im Einsatz.

Norbert Samweber kam schon in frühester Jugend mit der uralten Technik in Berührung, die er später sogar zum Thema seiner viel beachteten und bei »Jugend forscht« ausgezeichneten Abiturarbeit im Leistungskurs Physik machte und die ihn bis heute nicht mehr loslässt. Dabei kommt der gelernte Zimmerer mit Meisterbrief aus der entgegengesetzten beruflichen Ecke. Seit 2004 baut und repariert er leidenschaftlich alles, was mit Widder zu tun hat und ist mitterweile nicht nur in Bayern und Deutschland unterwegs. ls

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