»Gerade in der jetzigen Zeit der Energiekrise ist ja eine neue Heizung ein schwieriges Thema, das Weitblick braucht«, meint Gaukler. Der Fachmann von der Energieagentur Südostbayern, der einmal pro Monat nach Grassau kommt, hat der Bürgermeisterin mehrere Möglichkeiten aufgezeigt – etwa eine Scheitholzheizung, die ganze Holzscheite verbrennt, kombiniert mit Pellets oder einer Wärmepumpe. Diese Lösung wäre, so Gaukler, »natürlich für mich hier in Staudach-Egerndach ideal, da der Biomassehof Achental als Lieferant für mein Heizmaterial vor Ort ist«.
Wolfgang Wimmer, der Geschäftsführer des Biomassehofs Achental, und sein Team haben turbulente Monate hinter sich. »Mit Beginn der Energiekrise sind bei uns die Telefone heiß gelaufen – nicht nur für eine Teilnahme an der Energiesprechstunde.« Energieholz wie Hackschnitzel, Pellets, Scheitholz und Holzbriketts stehe hoch im Kurs. Der Biomassehof in Grassau beziehe Hackschnitzel sehr lokal: Alle Lieferanten kommen laut Wimmer aus einem Umkreis von bis zu 50 Kilometern. Das Nadel- und Laubholz falle als »Abfall« bei Durchforstungs- oder Pflegemaßnahmen an – also wenn Bäume entfernt werden müssen, weil sie einem Sturm oder Krankheiten zum Opfer gefallen sind, oder um Aufforstungen Platz zu machen, oder wenn Bäume an Bächen, Flüssen oder Straßen zurück geschnitten werden.
Auch die Nachfrage nach Pellets ist stark gestiegen. Sie sind ein Nebenprodukt aus Sägewerken: Das Sägemehl wird getrocknet und dann in Pelletsform gepresst. Der Geschäftsführer berichtet, dass sich die Preise innerhalb eines Jahres verdreifacht hätten. Die Pellets seien damit im Moment das teuerste Energieholz – zum Ärger vieler Kunden, die am Telefon »auch mal Luft ablassen«.
Immer wieder wird der Fachmann um Rat gefragt, wann der günstigste Zeitpunkt für den Holzeinkauf ist. »Mein vorsichtiger Rat ist, abzuwarten. Vielleicht steht ein milder Winter ins Haus und die Marktsituation entspannt sich, wenn die meisten Kunden sich eingedeckt haben.« Angst, dass Energieholz beim Biomassehof Achental ausgehen könnte, hat Wolfgang Wimmer nicht. »Wir profitieren jetzt von unserem guten Netzwerk, das wir jahrelang aufgebaut haben.« Der Markt Grassau ist in Sachen Bioenergie ein Musterbeispiel: Seit 2016 werden in den Holzvergasern des Biomassehofs Pellets in Strom und Wärme umgewandelt. Sie versorgen etwa 3300 Haushalte mit Strom und rund 460 mit Wärme. Letztere wird in das mittlerweile 20 Kilometer lange Fernwärmenetz der kommunalen Wärmeversorgung Grassau eingespeist. Am Standort im Grassauer Gewerbegebiet wird noch zusätzlich ein Heizwerk mit zwei großen Hackgutkesseln betreiben. Damit zählt Grassau hinter Reit im Winkl zu den Spitzenreitern bei der Gewinnung von Biomasse im Achental.
Außerdem profitiert die Umwelt auch sehr stark vom Engagement des Biomassehofs Achental. Das Unternehmen – Betreiber ist eine GmbH – ersparte der Atmosphäre im letzten Jahr rund 55 000 Tonnen Kohlenstoffdioxid (CO2) durch die Gewinnung von Strom und Wärme aus Energieholz sowie den Verkauf von Holzbrennstoffen. Von einer »stolzen Bilanz, die sich sehen lassen kann«, spricht Wolfgang Wimmer.
Die aktuelle Energiekrise »heizt« auch hier Zukunftspläne an: Es gibt Überlegungen für weitere Aufrüstungen. Und es könnten neue, schon bestehende Strom- und Wärmenetze mitversorgt werden. Der Geschäftsführer ist sich sicher: »In der dezentralen Energieversorgung liegt der Schlüssel für die Zukunft und hier sind wir schon ganz gut aufgestellt.«
cs