Der 58-Jährige kommt aus Erlstätt und hat nach seiner Diagnose Knochentumor in jungen Jahren mit dem Wassersport begonnen. Er ist viel unterwegs und lebt dann in seinem Bus. Nicht gerade luxuriös, möchte man meinen. Strasser sieht das genau umgekehrt. Für ihn ist dieser Lebensstil und die Freiheit, die er damit hat, der Luxus. Das Gleiten über das Wasser beschreibt er als seine Sucht.
Strasser surft fast jeden Tag
Ein normaler Tag beginnt bei Wolfgang Strasser mit einer Wetter-Analyse. Bei verschiedenen Wetterdiensten im Netz, die beispielsweise Winde berechnen, informiert er sich. »Ich schaue mir immer die Vorhersagen an und überprüfe dann über Webcams, wie es wirklich ist«, erläutert er. In der Früh und am späten Nachmittag mache er das, schließlich wolle er nicht umsonst an ein Gewässer fahren. Durch dieses Vergleichen, aber auch durch seine jahrelange Erfahrung kann Strasser einschätzen, wo er möglicherweise Glück mit dem Wetter hat. »Sonst ist es ärgerlich und geht auch auf die Psyche, wenn man sich auf das Surfen freut, dann Stunden lang unterwegs ist und es doch nicht geht.« Auch seine Reiseziele sucht der 58-Jährige der Witterung entsprechend aus: »Wir fahren gezielt da hin, wo man aufs Wasser kann – im Endeffekt ist uns die Gegend an sich da wurscht«, gesteht er.
Bei der Wetter-Analyse geht es ihm jedoch nur um den Wind – Regen, Schnee und niedrige Temperaturen halten ihn nicht vom Surfen ab. Denkt man an den Wassersport, verbindet man ihn mit dem Sommer – »das war mal so«, sagt Wolfgang Strasser dazu: »Surfanzüge und Technik haben sich so verbessert, dass man jetzt bei Schneefall, ohne zu frieren, Surfen gehen kann.« Trotzdem sollte man körperlich fit sein, wenn man sich bei eisigen Temperaturen aufs Brett stellen will. Strasser selbst surft persönlich sogar beinahe lieber in der kalten Jahreszeit: »Im Winter ist es für mich fast schöner – es ist so außergewöhnlich und wunderbar.« Außerdem seien die Bedingungen, beispielsweise am Chiemsee, dann viel besser, und man sehe die Berge und ins Achental hinein. Bei der momentanen herbstlichen Witterung mit viel Nebel eignen sich laut Strasser am besten der Kochelsee oder der Mondsee in Österreich.
Wenn der Wind nicht vielversprechend aussieht, weiß Strasser sich anders zu beschäftigen: »Ich geh Radl fahren, dieses Jahr hab' ich schon 6000 Kilometer zurückgelegt«, erklärt er. Meistens scheint er allerdings Glück zu haben, denn »dieses Jahr komme ich wahrscheinlich auf 220 Surf-Tage.« Diese hat er hauptsächlich in wärmeren Ländern verbracht, unter anderem in Kroatien und Italien. Auf der griechischen Insel Kreta ist er auch jeden Sommer für ein paar Wochen. »Wir leben hier im Chiemgau zwar in einer schönen Gegend, aber wir haben keinen Wind«, berichtet Strasser zu seinen Reisen. »Sechs bis acht Monate leb' ich im Jahr in meinem Bus«, klärt er auf. Darin hat Strasser eine Kochmöglichkeit für Kaffee, Rührei und andere Kleinigkeiten. Auf die Frage, ob er da nicht auf ziemlich viel Luxus verzichte, lacht der Surfer: »Das frei sein ist der Luxus!« Seine Freiheit bestehe nicht nur aus dem Gefühl, das er auf dem Surfbrett bekommt. Auch das Leben im Bus, das Schlafen direkt am Meer, das Frühstücken am Strand, ... »und dann schaust, wie's weitergeht«, meint er.
Dass er eigentlich einen Extremsport betreibt, ist Wolfgang Strasser bewusst, er findet aber das Verletzungsrisiko nicht so hoch wie in Sportarten wie Fußball: »Da kann dir immer ein Gegner rein grätschen, aber auf dem Wasser nicht. Du musst dich nur an die gewisse Gefahr herantasten.« So sei es für ihn auch kein Grund, wegen einer Verletzung einen Surftag zu beenden. »Nach dem Surfen kommt dann Jodspray auf die Wunde, damit sie nicht eitert. Verbunden wird das mit Klebeband und Folie, denn mit genähten Wunden kann man nicht ins Wasser«, stellt er dar.
Die Familie ist mit an Bord
Früher hat Wolfgang Strasser lange im Ausland im Wassersport-Bereich gearbeitet und da auch seine Frau Carola kennengelernt. Sie surft ebenfalls und begleitet ihn auf seinen Reisen, wenn sie Urlaub hat. Zusammen hatten sie früher eine Wassersport-Station auf Kreta, wo sie mit ihrer damals noch kleinen Tochter Sarah lebten.
In der Zeit dort hat sich Strasser griechisch selbst beigebracht: »Da schreibst du dir jeden Tag fünf neue Wörter auf, und die lernst du dann«, verrät er. Auf Griechisch verstehe er alles und könne auch die Zeitung lesen. Das Reden findet er aber kompliziert, »weil es bei mir immer so ein Mischmasch aus Griechisch und Italienisch wird«. Italienisch hat er nämlich auf dieselbe Art gelernt wie Griechisch. Und als die Familie jede Schulferien in Italien verbracht hat, habe auch die Tochter, die mittlerweile erwachsen ist, die Sprache gelernt.
An Wettkämpfen nimmt der 58-jährige Surfer seit der Corona-Pandemie nicht mehr teil: In seiner Altersklasse gäbe es keine mehr. Außerdem gäbe es für Erwachsene generell nur zwei Freestyle-Wettbewerbe, für die es aber auch keine Sponsoren, kein Geld und kein Interesse mehr gibt, klagt er.
In Surfer-Kreisen kennt man Wolfgang Strasser von seinen Reiseberichten. In denen stellt er die Orte vor, an die er reist. Er berichtet über das Wetter und die Bedingungen auf dem Wasser, gleichzeitig auch darüber, wie das Leben vor Ort ist. Meistens befindet er sich in abgelegenen Ecken am Mittelmeer, wo es nicht zugeht und kein Massentourismus ist. Dort gäbe es, unabhängig vom Land, keine Sterne-Ressorts und Disco-Meilen. Er schreibt trotzdem über diese unentdeckten Orte, denn er befürchtet nicht, »dass sie ebenso überlaufen werden wie der Gardasee«: Die Mehrheit der Leute wolle zu diesen Orten in der Natur gar nicht hin, »das spricht nur ein gewisses Klientel an.« Und zwar die, die einfach nur Surfen wollen und es nicht mögen, wenn ihr Urlaubsziel »voll wie ein Volksfest« ist.
»Da gibt es nur einfache Unterkünfte, wo du morgens mit der Familie, bei der du schläfst, frühstückst«, zeigt Strasser auf. So war es unter anderem bei seinem Aufenthalt im griechischen Zimari: »Da gibt es genau eine Taverne, die auch eher ein Kiosk ist. Da gibt es nicht mal richtig Strom und nur ein Gericht, das sie den Gästen kochen.« Dennoch sei die Qualität des ganzen Aufenthalts nicht von der Hand zu weisen: Das Essen, insbesondere das Fleisch, schmecke in diesen Gegenden viel besser.
Für Wolfgang Strasser steht dieses Jahr – wenn der Wind mitspielt – noch ein Aufenthalt in Grado (Italien) oder in der Gegend um Triest an. Nächstes Jahr ist für Frühling und Herbst wieder Kroatien im Gespräch, da das Surfen dort zu dieser Zeit wettertechnisch am besten möglich ist. ds