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Den Vertrag für die Eingemeindung von Kammer nach Traunstein unterzeichneten (von links) Kammers Bürgermeister Josef Kallsperger, Landrat Leonhard Schmucker und Traunsteins Bürgermeister Wilhelm Steger. (Foto: Stadtarchiv Traunstein)

Gemeinden Kammer und Hochberg gaben vor 50 Jahren ihre Selbstständigkeit auf und vereinten sich mit Traunstein

Traunstein – Große Gebietszuwächse verzeichnete die Stadt Traunstein vor 50 Jahren. Zwei Eingemeindungen erfolgten damals: 1972 schlossen sich Kammer und zum großen Teil auch Hochberg der Stadt Traunstein an.


Vom Freistaat Bayern dazu aufgefordert, entschieden sich die beiden Gemeinden, ihre Selbstständigkeit aufzugeben. Ihre Wahl fiel jeweils auf Traunstein. Ob die Räte und Bürger in den neuen Stadtteilen mit den Zähnen knirschten, bleibt offen. »An Differenzen oder Reibereien kann ich mich nicht erinnern«, sagt Altoberbürgermeister Fritz Stahl im Rückblick.

Einige Eingemeindungen stehen in den Geschichtsbüchern der Stadt Traunstein. 1914 erhielt sie erstmals Zuwachs: Die kleine Gemeinde Au war nach der Schließung der Saline im Jahr 1912 nicht mehr lebensfähig – mit dem Staatsunternehmen hatte sie ihre wirtschaftliche Grundlage verloren – und schloss sich dem großen Nachbarn an. 1972 vereinten sich Kammer und Hochberg mit der Stadt, 1978 dann Wolkersdorf und Haslach.

Nicht nur weil Traunstein mit Kammer und Hochberg erhebliche Gebiets- und Einwohnerzuwächse erhielt, markiert 1972 einen tiefen Einschnitt in die Geschichte der Stadt. Heuer vor 50 Jahren änderte sich auch der Status von Traunstein: War Traunstein bis dato eine kreisfreie Stadt gewesen, so ging diese Stellung damals verloren. Traunstein erfuhr vor fünf Jahrzehnten eine Eingliederung in den Landkreis. Allein der Titel »Große Kreisstadt« erinnert heute noch an den früheren Status der Kreisfreiheit. Behalten hat die Stadt insbesondere das Recht, Baugenehmigungen zu erteilen.

Eingemeindung nach Traunstein: ja oder nein? 1971 begann die Diskussion in Kammer. Erste Weichen stellte der Gemeinderat am 14. April 1971: Mit sieben zu einer Stimmen beschloss das Gremium damals, »die Gemeinde Kammer (...) in die Stadt Traunstein zu näher noch zu vereinbarenden Bedingungen einzugemeinden«.

Bürger für Eingemeindung nach Traunstein

Alsdann bekamen die Bürger die Gelegenheit, Stellung zu beziehen. Die Befragung zur Eingemeindung am 12. Dezember 1971 führte zu einem eindeutigen Ergebnis. 458 von insgesamt 628 Wahlberechtigten äußerten sich: 288 Gemeindebürger stimmten für Traunstein, drei für Traunwalchen und »nur« 166 für die weitere Selbstständigkeit, eine Stimme war ungültig. Nach der geheimen Bürgerabstimmung verstärkte der Gemeinderat seine Bemühungen für einen Anschluss Kammers an die Stadt Traunstein. Eine Eingemeindungsvereinbarung kam am 11. Februar 1972 zustande. Und endgültig den Schlussstrich unter die Selbstständigkeit von Kammer zog der Gemeinderat, als er dann am 18. Februar 1972 die Eingliederung der Gemeinde Kammer in die Stadt Traunstein zum 1. Juli 1972 beschloss und die Eingemeindungsvereinbarung billigte. Letzter Bürgermeister von Kammer war Josef Kallsperger gewesen, der von 1945 bis zum Verlust der Selbstständigkeit amtierte.

Die Gemeinde Hochberg verlor ihre Selbstständigkeit ebenso wie Kammer mit Wirkung vom 1. Juli 1972. Anders als Kammer erfuhr Hochberg eine Aufteilung: Die Gemeindeteile Aich, Aigen, Bucheck, Hinterwelln, Höll, Königswiesen, Paulfischer, Stein, Vitzthum, Vorderwelln und Wernleiten mit insgesamt 265 Einwohnern, gingen an die Gemeinde Siegsdorf, das übrige Gemeindegebiet mit 333 Einwohnern an die Stadt Traunstein, die auch die Gesamtrechtsnachfolge übernahm. Letzter Bürgermeister von Hochberg war der Schwoberbauer Josef Schmuck gewesen, der anschließend noch von 1972 bis 1984 dem Traunsteiner Stadtrat angehörte.

»In Gespräche und Verhandlungen für die Veränderungen 1972 war ich nicht eingebunden«, erzählt Altoberbürgermeister Stahl. »Meine Zeit als Stadtrat begann als Neuling 1972.« Und weiter führt er aus: »An Differenzen oder Reibereien im Zusammenhang mit den Veränderungen kann ich mich nicht erinnern. Im Nachgang gab es jedenfalls keine.« Es dürfe »wohl auch als Glücksfall bezeichnet werden«, dass bei der Kommunalwahl drei Kandidaten aus den ehemals selbstständigen Gemeinden Hochberg und Kammer den Einzug in den Stadtrat schafften: zwei aus Kammer – ein ehemaliger Gemeinderat und der Sohn des letzten Bürgermeisters – und einer von Hochberg – der letzte Bürgermeister.

Freistaat bot finanzielle Anreize

Fritz Stahl war von 1990 bis 2008 Oberbürgermeister der Stadt Traunstein. Zusammenfassend sagt er, dass 1972 ein »spannendes Jahr« für Traunstein gewesen sei. Denn für die Stadt habe sich sich die kommunale Rechtsstellung »gravierend« geändert. Die kreisfreie Stadt Traunstein habe sich in eine Große Kreisstadt verwandelt. Und die Gemeinden Kammer und große Teile aus der Gemeinde Hochberg seien, wie er weiter ausführt, nach Traunstein eingemeindet worden. Der Altoberbürgermeister macht jedoch kein Hehl daraus, dass er »lieber von einer Zusammenlegung« spricht. Vonstatten gegangen sei eine »freiwillige« Eingemeindung, Anreize geboten hätten besondere Mittel des Freistaates Bayern an die Gemeinden, die freiwillig in die Auflösung ihrer Selbstständigkeit einwilligten.

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