16 Jahre war Dichtl alt, als sich die SS (Schutzstaffel) bei ihm meldete und ihn zur Mitgliedschaft aufforderte, was er aber ablehnte. Nicht ablehnen dagegen konnte er den Einsatzbefehl, der drei Wochen nach seinem 18. Geburtstag eintraf. Bald darauf war er im Gebiet Kiew und Cherson eingesetzt, um am Schwarzen Meer als Fernmelder bei der Küstenwache seinen Dienst zu verrichten. Dabei erkrankte er an Gelbsucht, die in den Lazaretten Lublin und Böhmisch Leipa behandelt wurde. Ein Lazarettzug brachte ihn nach Wasserburg am Inn, von dort wurde er als geheilt entlassen.
Es folgten eine erneute Ausbildung im Luftwaffenlazarett Mieleck sowie die Ausbildung zum Scharfschützen auf dem Truppenübungsplatz Wandern bei Frankfurt an der Oder. Anfang November 1944 kam für den 19-Jährigen der Marschbefehl Richtung Norden nach Aarhus, Trondheim, zu den Lofoten und schließlich Narvik. Die Weihnachtszeit erlebte er am Polarkreis mit der dort herrschenden Dunkelheit von Dezember bis Mitte Januar. Zu seinen Aufgaben zählte die Bewachung von russischen Gefangenen sowie von Raketenwerfern.
Wieder zurück in Deutschland geriet Martin Dichtl am 3. März 1945 bei Frankfurt an der Oder in russische Gefangenschaft. Er musste über vier Jahre in einer Glasfabrik in Kurlowo, 200 Kilometer östlich von Moskau, arbeiten. Hunger war sein ständiger Begleiter, die Aufseher waren aber auch menschlich, berichtet der 97-Jährige. Am 7. September 1949 endete für ihn der Zweite Weltkrieg mit der Entlassung auf der Bahnstation Hof im Fichtelgebirge. Rückblickend ist Dichtl dankbar, dass er von Kampfeinsätzen an der Front wegen der Kapitulation Finnlands verschont blieb.
1951 besuchte er die Landwirtschaftsschule in Traunstein und war danach als staatlich angestellter Milchprüfer im Landkreis Traunstein tätig. 1954 heiratete er seine Theresia, das Paar bekam eine Tochter und zwei Söhne, von denen der jüngere bei einem Kletterabsturz 1975 ums Leben kam.
Mit seinen 97 Jahren ist Martin Dichtl fit und sämtliche Jahreszahlen – besonders die aus den Kriegstagen – sind ihm noch geläufig. Nur mit dem Gehen hat der Senior mittlerweile seine Schwierigkeiten.
fb