Mit »Ariadne auf Naxos« von Richard Strauss eröffnete das Salzburger Landestheater seine Opernsaison und lässt in pandemischen Zeiten mit der »Oper über die Oper« sinnbildlich die Masken fallen.
»I am for an Art« leuchtet in grünen Neonlettern eine Kunststellage im Bühnenbild und frappiert in ihrer Aussage in ganz neuem Kontext. Systemrelevanz, das könnte man hier hineindichten. Gemeint war aber »nur« der erklärte Wunsch eines Mäzens (Matthias Hermann), die heroische Oper »Ariadne auf Naxos« und das komödiantische Tanzstück »Die ungetreue Zerbinetta« zeitgleich auf einer Bühne aufzuführen.
Süffisant stellt er so den Künstlern die Aufgabe, Possenspiel und Tragödie zu einen, also »an die Möglichkeiten der Kunst und nicht an ihre Grenzen« zu denken (Wiederum eine Parallele zur Coronazeit). Der kurzfristige Kurswechsel des Mäzens, in dessen Haus beide Werke zu Aufführung hätten kommen sollen, stürzt das Künstlerpersonal beider Zünfte in tiefste Identitätskrisen und fordert dann ein Höchstmaß an künstlerisch-kreativer Kompromissbereitschaft. Friss oder stirb, Sekt und Selters. Es gibt kein Entrinnen und so prallen (Kunst-) Welten aufeinander, damit letztlich, oh Wunder, ein neuer Stern aufgeht.
»Ariadne auf Naxos« war die dritte Zusammenarbeit zwischen Strauss und Hugo von Hofmannsthal, war den beiden Genies zugleich größtes Sorgenkind wie größter Erfolg. In Alexandra Liedtkes klarer und geradliniger Inszenierung gelingt der Spagat zwischen Komödie und Tragödie ohne Abzug. Dazu tragen maßgeblich in kongenialer Wirkung Simeon Meiers einfallsreich gestaltetes Bühnenbild und die stylisch-modernen Kostüme von Su Bühler bei. Die großartigen Choreografien (fantastische Slowmotions, ausdrucksstarke Standbilder und erotische Moves) von Kate Watson können ihre geniale Wirkung entfalten.
Das Publikum blickt ins Innere eines kunstvollen Herrenhauses: Drei riesige lachsfarbene Türen trennen »Vorder- und Hintergründiges«. Da fiebert der aufstrebende Komponist der Uraufführung seiner Oper entgegen, während sich die leichtlebige Zerbinetta im weißen Tütü mit ihren lässigen Tänzern in eindeutig zweideutigen Posen im Warmup rekelt. Zeitgleich zoffen sich Mentor (George Humphreys) und Tanzmeister (Luke Sinclair): Ein jeder sucht zu retten, was zu retten ist. Olivia Cosío zeichnet den Komponisten mit üppig strömendem, in den Höhen leidenschaftlich aufflammendem Mezzosopran-Fülle nach. Unverschämt locker – körperlich wie stimmlich, bewegt sich Alina Wunderlin als Zerbinetta in allen Lagen koloraturensicher durch die Partien und bringt das Publikum zum Jubeln. Als liebeskranke, von Theseus verschmähte Ariadne lässt Betsy Horne alle Nuancen ihres strahlenden Soprans aufleuchten, mit dem sie den abgründigen Seelenkosmos der schwerstdepressiven Prinzessin nachspüren lässt.
Drei reizende Nymphen (Laura Incko, Anat Czarny, Sissi Qi Wang) begleiten die Verschmähte in sirenenhaft leichten Gesängen, umwickeln sie in leichtem Leinentuch, an dem sie Bacchus am glücklichen Ende mit aufflammender Liebe zurück ins Leben holt: Franz Supper, mit wahrlich »göttlichem« Tenor, holt Ariadne aus dem Seelentief und aalt sich, ohne zu wissen, dass er für den Todesboten Hermes gehalten wird, in seiner Rolle als Liebesretter. Die zwiegesichtige Geschichte des Spiels im Spiel bot Strauss eine Steilvorlage, um die ganze Bandbreite seines kompositorischen Könnens auszuleben.
Leslie Suganandarajah im Graben dirigiert die an Sinnlichkeit reiche Wunderpartitur mit allergrößter Sensibilität und führt somit das Mozarteumorchester Salzburg ohne Umweg in den Strauss-Himmel. Mit Riesenapplaus und Bravorufen bedankte sich das Salzburger Premierenpublikum für den durchweg gelungenen Opernauftakt.
Informationen zu Terminen und Karten gibt es per E-Mail unter service@salzburger-landestheater.at und Tel. 0043/662871512222.
Kirsten Benekam