Gerade in einer Zeit der Missverständnisse, von gesellschaftlicher Spaltung und Hasstiraden in den sozialen Medien oder angesichts politischer Rüpeleien scheint die Kunst des Dialogs in besonderer Weise gefragt.
Die Aschauer Künstlerin Eva Dahn-Rubin widmet sich dem Thema unter dem Titel »Dialoge und Verbindungen« in ihrer aktuellen Ausstellung in der Siegsdorfer Rathausgalerie. Sie ist noch in Verlängerung bis 6. Juli zu sehen.
Die Werke der Künstlerin sind charakterisiert von einer leuchtenden Farbigkeit, von impulsiver Energie, Rhythmus und Kraft, die sich auf den Betrachter übertragen. Man spürt, dass Eva Dahn-Rubin nicht zuletzt auch als leidenschaftliche Tänzerin und Percussionistin Erfolg hat. »Tanz ist der Ausdruck kreativer Energie«, sagt sie und wer genau hinschaut, erkennt auch in ihren Gemälden diese Energie des Tanzes. Aus Acryl, Tempera, Collagestücken, Tinte oder dem Einsatz von Farbstiften entsteht auf der Leinwand ein ausdrucksstarker Reigen der Formen, Farben und Stilmittel.
Ihre Arbeiten scheinen inspiriert vom Primitivismus, von Action Painting, tribaler Kunst, von Werken der Aborigines oder indigener Völker wie auch des Surrealismus. Und doch tragen sie eine ganz eigene Handschrift. Dahn-Rubin nimmt den Betrachter immer wieder mit auf spannende Entdeckungsreisen in eine andere Realität und unbewusste Traumwelten, in denen die Figuren wie in einem kosmischen Tanz miteinander verwoben sind. »Aus wilden und geheimnisvollen Elementen entsteht ein farblich pulsierendes, zugleich geordnetes Muster wie das Gewebe eines Teppichs«, liest man dazu in einem Ausstellungskatalog aus Innsbruck.
Zugleich sind die Bildwerke Ausdruck einer stark empfundener Erdverbundenheit. Nicht zuletzt spürt Eva Dahn-Rubin in ihren Werken auch der geheimnisvollen Spannung zwischen den Geschlechtern nach, die sie zu höchst schöpferischen Prozessen inspiriert.
Dass die Manifestierung starker Gefühle durchaus mit Momenten von Stille, Innenschau und fokussierter Klarheit zusammenpassen, aus denen heraus sich neue Einsichten ergeben, zeigt die Ausstellung in Siegsdorf. Erkennbar ist in den neuen Arbeiten mehr Offenheit für Abstraktion, innere Tiefe und das Experimentieren mit neuen Formen des Dialogs. Die tiefgreifenden Prozesse der Coronazeit haben auch Eva Dahn-Rubin nicht unberührt gelassen. Wie sie erzählt, war es bereits vor gut zehn Jahren für sie wie ein Durchbruch, als sie nach jahrzehntelang ausgesetzter künstlerischer Tätigkeit und persönlichen Krisen das bildnerische Schaffen für sich wiederentdeckt hat. Bereits als Kind und von 1975 bis 1987 hatte sie davor extrem schöpferische Phasen.
Wie eine gemalte Meditation wirkt das in Siegsdorf gezeigte Werk »Hingabe«. Es lässt rechts die Konturen einer Frau mit langen blonden Haaren erkennen, in deren Inneren eine statuenhafte Figur in stiller Versenkung zu sehen ist. Ihr gegenüber ist der Oberkörper einer archetypisch-machtvollen Gestalt in sphärischem Nebel auszumachen: Es bleibt dem Betrachter überlassen, ob er darin einen friedlichen Herrscher oder Heiler oder den Tod sowie einen bedrohlichen Herrn der Unterwelt erkennen möchte. Ein geheimnisvoller Odem entfließt dem Mund des totenschädelähnlichen Kopfes mit Krone und umschließt sein Gegenüber.
Als gemaltes Manifest des Friedens lässt sich das aktuelle Gemälde »Eine Welt« interpretieren. Es zeigt auf einer übermalten antiken Weltkarte Darstellungen von römischen Kriegern als manipulierte Collagen in giftig-grellen Farben, die zum Teil orientierungslos auf dem Kopf stehen. Die Krieger sind wie in Blasen gefangen, um die sich allerdings bereits feine organische Netzwerke gebildet haben.
Wie in dem lebendigen, weitverzweigten Myzelgeflecht eines Pilzes ist alles energetisch miteinander verbunden. Eigentlich, so fragt man sich, könnte jetzt bereits ein schöpferischer Dialog über die Lösung drängender Weltfragen beginnen. Noch dazu, wo die weißen Verbindungsmuster auch an die Struktur von Mikrochips oder digitale Netzwerke erinnern.
Die Ausstellung ist von Montag bis Freitag von 14 bis 17 Uhr sowie am Samstag und Sonntag von 11 bis 15 Uhr geöffnet. Am heutigen Samstag um 11 Uhr findet eine Führung mit der Künstlerin statt. Axel Effner