Bildtext einblenden
Mitten in der Hauszufahrt klafft ein Krater von etwa fünf Metern Durchmesser: In Neukirchen ist vermutlich ein alter Bergwerksstollen eingestürzt. (Foto: FFW Neukirchen)

Alter Bergwerksstollen in Neukirchen eingestürzt: In der Vergangenheit schon öfter Stollen eingebrochen

Neukirchen/Teisendorf – Der Boden bebte für einen Moment, dann stürzte er ein und es bildete sich ein tiefer Krater von etwa fünf Metern Durchmesser mitten in der Zufahrt zum Haus: Dieses Schreckensszenario erlebten am Freitag kurz vor 17 Uhr Bewohner eines Hauses am Teisenberg in Neukirchen – südlich der Autobahn. Es ist wohl ein alter Bergbaustollen eingestürzt. Verletzt wurde zum Glück niemand. Geologische Untersuchungen sollen ab Montag die genaue Ursache klären. Das Anwesen wurde großräumig abgesperrt, die fünf Bewohner anderweitig untergebracht. 


Es war 17.15 Uhr, als die Feuerwehr Neukirchen am Freitag zu dem ungewöhnlichen Einsatz gerufen wurde unter dem Stichwort »THL Erkundung, Einbruch Bergbaustellen«. Hausbesitzer in Neukirchen hatten gemeldet, dass sich auf ihrem Grundstück ein tiefer Krater gebildet habe, direkt neben einem Gebäude, so die Angaben der Feuerwehr Neukirchen.

Ein Fahrzeug, das in der Zufahrt stand, drohte in das Loch zu stürzen. Allein ein Kanalschacht, auf dem das Auto mit dem Hinterrad stand, hielt es davon ab. Tags darauf brach allerdings auch dieser ein und der Golf verschwand in dem Loch, wie Hausbesitzer Paul King am Samstag berichtete. »Der Krater wird immer größer und tiefer, die Feuerwehr hat die Tiefe schon gestern auf 70 bis 80 Meter geschätzt.« Familie King hatte das Haus vor 20 Jahren gekauft. Ob und wann sie wieder zurück kann, müssen nun die Geologen klären.

Die Feuerwehr hatte das Haus und auch das der Nachbarn am Freitagabend evakuierte und das Anwesen weiträumig abgesperrt. Auch Landrat Bernhard Kern kam nach Neukirchen, um sich ein Bild von der Lage zu machen. Die Ausmaße des entstandenen Kraters seien noch nicht abzuschätzen und könnten »nur unter Beachtung höchster Sicherheitsregeln bei einer geologischen Untersuchung begutachtet werden«, so das Landratsamt in einer ersten Stellungnahme.

Es ist nicht der erste Einbruch eines Stollens in der Gegend, berichten Mitglieder des Fördervereins Bergbaumuseum Achthal. 1942 sei in Neukirchen ein ganzes Haus versunken, erzählt Roland Klosa. Er ist Vorsitzender des Fördervereins Bergbaumuseum Achthal. In der Carolinenhütte in Ach-thal wurde früher das Erz verhüttet, das ab 1160 am Teisenberg im Untertagebergbau abgebaut worden war — auf bayerischer und österreichischer Seite.

Wie groß das Stollensystem im Teisenberg genau ist, wisse er nicht. Dazu berichtet jedoch Anni Geisreiter, die lange Führungen im Bergbaumuseum geleitet hat, dass noch etwa 16 Kilometer begehbar wären, aus Sicherheitsgründen aber gesperrt seien. Vor allem bei starkem Regen hätten sich in der Vergangenheit immer wieder Löcher auf Wiesen aufgetan, weil Stollen eingestürzt seien. »Kein Wunder«, sagt Geisreiter. Die Stollen — zum Teil aus Holz gefertigt — seien marode.

Einbrüche im Altbergbau seien immer möglich, sagt auch Klosa mit Verweis auf Vorfälle im Ruhrgebiet. Das Bergamt Südbayern der Regierung von Oberbayern ist für die Sicherheit zuständig. Regelmäßig führe die Behörde Maßnahmen durch, stütze Stollen ab oder verdichte sie, berichtet Klosa. Allerdings sei nie klar, ob alle Stollen kartiert sind.

Einer der Gänge verläuft auch unter der Autobahn. Wie Geisreiter sich erinnerte, gab es schon Pläne, diesen zu verfüllen. Sepp Winkler war damals dagegen und wollte »das wertvolle Kulturgut erhalten«. Überhaupt ist es Sepp Winkler, der 2019 verstorben ist, zu verdanken, dass über den Bergbau im Teisenberg so viel bekannt ist. Er war Triebfeder und Seele des 1984 eröffneten Bergbaumuseums. Das Museum befindet sich derzeit im Umbau und soll in einem Jahr mit einer neuen Dauerausstellung wieder eröffnet werden.

Neben dem Museum hat der Heimatforscher und Regionalhistoriker sein Wissen auch in einem Buch mit dem Titel »Der Salzburger Erzbergbau am Teisenberg« zusammengeschrieben. Ein Artikel darüber erschien 2003 in den Chiemgaublättern.

Daraus geht hervor, dass auf Betreiben des Grafen Kunrad von Aschau 1160 im Teisenberg die ersten Stollen zur Eisengewinnung angelegt worden waren. Als Meilenstein in der Geschichte des Erzbergbaus im Achthal gilt die Gründung der Eisengewerkschaft 1537. Mit dem Bergbau ging es ab Beginn des 19. Jahrhunderts aber kontinuierlich bergab und ein rapider Preisverfall am Eisenmarkt führte 1877 zum endgültigen Niedergang des Hüttenwerks. 1919 wurde das Eisenbergwerk im Achthal an den bayerischen Staat verkauft, die Gewerkschaft wurde aufgelöst. 1925 wurde der Betrieb ganz aufgegeben.

ka/hud

Mehr aus Teisendorf