Die Nachbarin hörte etwa fünf Minuten nach der Türöffnung am 13. Juni gegen 21.30 Uhr in der Nachbarwohnung »ein dumpfes Geräusch«. Sie dachte, der 31-Jährige habe seine Tür aufgebrochen. Wenig später bemerkte sie vor dem Gebäude viele Fahrzeuge mit Blaulicht.
Auch am zweiten Prozesstag äußerte sich der Angeklagte nicht zur Anklage von Staatsanwalt Wolfgang Fiedler, die versuchten heimtückischen Mord, schwere Körperverletzung wegen bleibender Schäden des Opfers sowie gefährliche Körperverletzung umfasst. Der 41-Jährige soll die Tat aus Eifersucht begangen haben. Seine 37-jährige Ex-Freundin, die sich von ihm nach längerer Beziehung Anfang 2024 getrennt hatte, unternahm vermehrt Ski- und Bergtouren mit dem 31-Jährigen.
Der Angeklagte hatte die Säureattacke gegenüber dem psychiatrischen Gutachter Professor Dr. Michael Soyka bestritten. Der Gutachter sprach von »einem völlig unauffälligen Lebenslauf«. Der 41-Jährige sei gut integriert in die Gesellschaft. Zeugen aus dem privaten Umfeld äußerten sich ähnlich über den Angeklagten, ebenso die 37-jährige Ex-Freundin. Niemand traute ihm ein derartiges Verbrechen zu. Dazu eine gute Bekannte (36): »Er war ein lieber Mensch, immer zuvorkommend, in keinster Weise aggressiv.« Andere sprachen von einem sehr sozialen Menschen, der hohes Ansehen genieße und »keiner Fliege etwas zu Leide tut«. Die 65-jährige Mutter berief sich auf ihr Schweigerecht.
Dennoch verdichteten sich die belastenden Indizien am zweiten Verhandlungstag. Der Ermittlungsleiter der Kripo Rosenheim schilderte, noch in der Tatnacht habe der 31-Jährige den Ex-Freund als einzig denkbaren Täter genannt. Das an Augen und Körper schwer verletzte Opfer sei noch in der Nacht in eine Spezialklinik in München verlegt worden.
Tags darauf erhielt der Angeklagte erstmals Besuch der Polizei. Er machte keine Angaben und wollte einen Anwalt sprechen, so der Ermittler. Zwischenzeitlich habe das Landeskriminalamt Flusssäure als Tatmittel bestätigt. Der Tatverdächtige und das Opfer wussten jeweils von dem anderen Mann im Leben der 37-Jährigen. Eine Bergkameradin hatte nicht den Eindruck, dass die Frau und der Rosenheimer ein Liebespaar waren. Die Festnahme des 41-Jährigen durch eine zivile Einsatzgruppe erfolgte am 29. Mai. In seiner Firma wurde Flusssäure sichergestellt.
Aus Chatverläufen aller Beteiligten ergaben sich wichtige Hinweise. Der Angeklagte, den Stefan Neudecker aus Traunstein verteidigt, hatte sich auffällig aus seiner Clique zurückgezogen. Im März kaufte er eine SIM-Karte auf den Namen »Silvia«, gab jedoch seine eigene Adresse an. Über dieses Handy kontaktierte er das spätere Opfer und bekam dessen Adresse.
Über das Handy wurde am 25. April bei einem Unternehmen in Spanien eine Flusssäure-Bestellung der Firma des Angeklagten aufgegeben – von einem angeblichen »Geschäftsführer Robert Müller« (Name von der Redaktion geändert). Ein Mobiltelefon mit der »Silvia«-SIM-Karte wurde nie entdeckt. Auf anderen Mobiltelefonen stießen die Ermittler auf regen WhatsApp-Verkehr zwischen dem Angeklagten und der Ex-Freundin. Täglich hatten sie sich morgens und abends Nachrichten geschickt. Die Frau reagierte zurückhaltender, signalisierte, sie wolle »mehr Freiraum«, berichtete der Kripobeamte. Im März schrieb der Angeklagte an die 37-Jährige, sie fühle sich wohl »mehr zu dem anderen Mann hingezogen«.
Der Ermittler betonte vor Gericht, es komme nach derzeitigen Erkenntnissen »kein anderer Tatverdächtiger« in Betracht. Der 31-Jährige habe erklärt, er habe keinerlei Feinde.
Der Prozess wird am heutigen Mittwoch um 10.15 Uhr fortgesetzt, am 17. Februar um 13 Uhr und am 25. Februar um 9 Uhr. Der Geschädigte mit Nebenklagevertreter Simeon Feuerstein aus München zur Seite wird am 17. Februar aussagen.kd