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Professor Dr. Thorleif Etgen, Chefarzt der Neurologie am Klinikum Traunstein, informierte über Symptome von Parkinson und Therapiemöglichkeiten. (Foto: Zandl)

»Parkinson ist nicht nur Zittern« – Neue Selbsthilfegruppe gegründet

Traunstein – Von der nervenschädigenden Krankheit Parkinson sind in Deutschland rund 400 000 Patienten betroffen, in Bayern ungefähr 60 000. Dass die 1817 vom englischen Arzt James Parkinson erstmals als Schüttellähmung beschriebene Erkrankung viele Gesichter hat, drückte im Laufe der Auftaktveranstaltung der neuen Selbsthilfegruppe Parkinson im Landratsamt der Betroffene Karlheinz Reinfrank so aus: »Jeder hat seinen Parkinson«.


Unter dem Schirm des Selbsthilfezentrums (SHZ) der AWO kamen 110 Interessierte zu der Veranstaltung der Koordinatorin der Gruppe, Brigitte Stief. Referenten waren Professor Dr. Thorleif Etgen, Chefarzt der Neurologie am Klinikum Traunstein, sowie die beiden Betroffenen Karlheinz Reinfrank und Peter Hierstetter.

Strukturen schaffen, die auffangen

Sepp Konhäuser, der stellvertretende Landrat, der bis Juni die Amtsgeschäfte führt, sagte: »Krankheit mag den Körper treffen – aber Gemeinschaft stärkt die Seele.« Es gehe darum, den Betroffenen Perspektiven, Austausch und Zusammenhalt zu bieten. »Die Diagnose Parkinson verändert das Leben für Betroffene und Angehörige. Umso wichtiger ist es, Strukturen zu schaffen, die informieren, stärken und auffangen. Genau das soll dieses Netzwerk tun: Hoffnung geben, Gemeinschaft ermöglichen, Selbsthilfe fördern.«

Das Parkinson-Netzwerk sei ein starkes Zeichen für Vernetzung und für gegenseitige Unterstützung, nicht nur ein medizinisches Projekt, »es ist ein Ausdruck gelebter Mitmenschlichkeit. »Auch die Krankenkassen sollten den Wert der Selbsthilfegruppen endlich erkennen«.

Professor Etgen erklärte, typische Symptome seien verlangsamte Bewegungen, Steifigkeit und/oder Zittern im Ruhezustand sowie Geruchsverlust. Ebenso ging er auf Ausschlusskriterien ein und beschrieb den Verlauf von Parkinson. Die Erkrankung könne bereits 20 Jahre vor dem Auftreten von Steifigkeit und Zittern mit Verstopfung, Schlafstörungen, Albträumen oder depressiver Verstimmung beginnen. Gangblockaden oder Psychosen könnten weitere Schritte der Krankheit sein, so Etgen.

Parkinsonnetzwerke seien »regionale oder überregionale multiprofessionelle Zusammenschlüsse«. Sie holten alle an der Versorgung betroffener Beteiligten an einen Tisch und identifizierten Versorgungsengpässe aus verschiedenen Perspektiven. Ein wesentliches Kernelement sei die Kommunikation aller Akteure auf Augenhöhe. Ziel der Netzwerke sei eine nachhaltig verbesserte Lebensqualität von Patienten und Angehörigen. Teile des Zusammenwirkens seien Allgemeinmedizin, medizinische Fachdisziplinen wie Geriatrie, Innere Medizin, Neurologie oder Psychiatrie, Apotheken, Logopädie, Physiotherapie, Pharmaindustrie oder auch das Selbsthilfezentrum.

Die beiden Betroffenen Karlheinz Reinfrank aus Dachau und Peter Hierstetter aus Traunstein berichteten teils humorvoll über ihre Krankheitsverläufe und die Hilfsmittel. Neben der ärztlichen Betreuung seien Sport und Bewegung wichtig zur gesundheitlichen Verbesserung. Reinfrank, der im Selbsthilfezentrum Dachau mitarbeitet, nannte als Angebote der Selbsthilfegruppe Physiotherapie, Rehasport, Nordic Walking, Ergotherapie, Neuro-Tango und Tischtennis.

Er habe sich ein Netzwerk geschaffen aus Information über die Krankheit und Therapie von Parkinson, die Aneignung von Bewältigungsstrategien, gut abgestimmte Therapien aus Medikation, Physiotherapie, Logopädie und Nutzung von Telemedizin sowie aus Sport in Form von »PingPongParkinson« (PPP) und Krafttraining. Wichtig geworden seien ihm das Lernen am Beispiel anderer, verstanden zu werden, Krankheitswissen, Kraftschöpfung und die Krankheit anzunehmen. Dazu gehöre auch Akzeptieren, Loslassen und raus aus dem Kampfmodus zu kommen und sich die Energie richtig einzuteilen.

Peter Hierstetter stellte die von ihm mitinitiierten Projekte der PPP-Gruppe in Siegsdorf sowie die Parkinson-Karategruppe in Seeon vor. Die Idee, Parkinson mit Tischtennis zu therapieren, stammt aus den USA. 2017 ist die Initiative entstanden, seit 2019 gibt es sogar eine Weltmeisterschaft der PPP. 2020 nahm PPP in Deutschland ihren Anfang, 2024 wurde von Dr. Ralf Teichgräber beim TSV Siegsdorf eine Parkinson-Tischtennisgruppe gegründet. Ziele seien Förderung der Lebensqualität, soziale Integration sowie Aufklärung und Sensibilisierung rund um Parkinson, sagte Hierstetter.

Karate für Standsicherheit und bessere Koordination

Die Parkinson-Karate-Gruppe wurde bereits 2018 unter Beteiligung des bayerischen Karatebunds beim FC Traunreut gegründet. Von den acht Gründungsmitgliedern sind heute noch sechs aktiv, die sich bis zu Blaugurtträgern qualifiziert haben. Hierstetter ist vor etwa zwei Jahren der Gruppe beigetreten, die mittlerweile in der Turnhalle des SV Seeon trainiert. Er habe inzwischen die Prüfung zum gelben Gurt bestanden, so der ehemalige Filialleiter einer Traunsteiner Bank.

»Doch es geht in der Gruppe nicht um Leistungssport, es finden keine Kämpfe statt, sondern reines Gesundheitskarate, um Standsicherheit, Körperspannung, Muskellockerung und -anspannung und Koordination zu schulen, und um Spaß an Bewegung und in der Gruppe zu haben. Parkinson bedeutet also nicht nur Zittern«.

Wer an einer der Sport-Gruppen teilnehmen möchte: Die »PingPongParkinson«-Gruppe trainiert immer dienstags von 18.30 bis 21 Uhr in der Siegsdorfer Turnhalle, die Parkinson-Karate-Gruppe trifft sich montags ab 19 Uhr in der Sporthalle des SV Seeon. »Wichtig ist in beiden Gruppen, dass sich niemand erklären oder schämen muss, der sich gesundheitlich nicht wohlfühlt, um teilzunehmen. Dafür hat bei uns jeder Verständnis«, sagte Hierstetter.

Themen und Termine sind noch offen

Brigitte Stief erklärte mögliche Inhalte einer Selbsthilfegruppe. Die Themen würden bei den Treffen nach und nach abgearbeitet, sagte die Gruppen-Koordinatorin. Bei größeren Problemen würden Referenten hinzugeholt oder Kontakte hergestellt. Sie werde mit allen Interessierten Kontakt aufnehmen und dann einen oder mehrere Termine für den ersten Treff der Parkinson-Selbsthilfegruppe festlegen. Der Termin Ende Mai/Anfang Juni wird im Traunsteiner Tagblatt bekannt gemacht. Für Rückfragen steht Brigitte Stief, AWO Selbsthilfezentrum Traunstein, unter Telefon 08684/9 69 00 89, zur Verfügung. az

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