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Raus aus dem Schattendasein: Tänzerin Laura Heinecke in »Das kleine Licht bin ich« im k1 in Traunreut. (Foto: Benekam)

T-Werk-Produktion aus Potsdam begeisterte Familien im Traunreuter k1 mit kunstvollem Lichtspiel-Tanztheater

Traunreut – Drei Künstler auf einer Theaterbühne, Beleuchtungstechnik, zwei Overheadprojektoren mit vorgefertigten Schablonen, drei an Seilen aufgehängte riesige Rollen unbedrucktes Zeitungspapier, verschiedene Musikinstrumente und der sparsame Einsatz einiger weniger Requisiten. Mehr brauchten die drei Akteure des »T-Werk« (Internationales Theaterzentrum Potsdam) nicht, um im großen k1-Saal magische Momente zu kreieren. Ein Lichtspiel-Tanztheater: »Das kleine Licht bin ich«. Klingt spannend. Und vor allem nach einer Alternative zum Mainstream Kulturangebot, mit dem das junge Publikum allzu oft mit reizüberflutenden Hör- und Bilderlebnissen überfordert wird.


Schon in den ersten Momenten wird spürbar, dass die Macher dieser stillen und ungemein ausdrucksstarken Produktion sich zu einer Art Gegenprogramm entschieden haben. Zu Beginn der gemeinsamen Inszenierung mit der bildenden Künstlerin Heide Schollähn, der Tänzerin Laura Heinecke und dem Musiker Nicolas Schulze sah sich das Publikum mit Dunkelheit und Stille konfrontiert. Alle Sinnesreize des Publikums wurden heruntergedimmt: Wenn erst einmal nichts passiert, kommt Spannung auf und gerade dieses Nichts bietet Raum für alles – ein Naturgesetz, ein leerer Sinnesraum, ein leeres Blatt Papier – bereit, gestaltet zu werden.

Für die kleinen und großen Zuschauer hieß es: Augen und Ohren auf, genau beobachten und intensiv lauschen. Aus der Stille der kaum beleuchteten Bühne schleicht eine barfüßige Tänzerin aus der Dunkelheit, entdeckt eine riesige Schaukel, bringt sie zum Schwingen und versucht mit ihr »eins« zu werden. Zwar scheitert der »Schaukelversuch« – die langen Seile geben unter ihrem Körpergewicht nach. Statt Schaukelspaß bietet das »Ding« andere Sinnesvergnügen. Experimentierfreude, die bald zu Genres übergreifender Bühnenkunst wird.

Heinecke entfaltet die erste Zeitungspapierrolle, die – frei hängend – zur mobilen Projektionsfläche für ein traumwandlerisches Schattenspiel wird. Dann gerät vieles in Bewegung: Die Tänzerin, als ganze und ihr Schatten in Ausschnitten: Hände, Füße, ihr Kopf samt Zunge und das kleine Licht als Glühbirne, welches alsbald in Lichtprojektion über drei hängende Leinwände huscht. Längst fühlte man sich »hineingezogen« in diesen von Leichtigkeit getragenen Tagtraum aus Licht- und Schattenbildern, den wechselnden Bewegungsrhythmen und fließenden Übergängen aus gehaltenen Körperstellungen und tänzerischer Aktion. Worte waren überflüssig. In die anfängliche Stille hinein gesellten sich bald Klänge und Geräusche von Xylophon, Harmonium, Kontrabass – akustische Illustrationen, die in immer neue Dimensionen geleiteten.

Die Tänzerin »verfolgt« das kleine Licht, spielt mit ihm Fangen, bekommt von ihm »eins auf die Nase«, bläst es in die Luft oder lädt es gar per Hemdsärmel ein, in ihren Körper zu schlüpfen – ein komischer Moment: Die Kinder kichern.

Das kleine Licht wird zum orangefarbenen Farbklecks, dann zum roten Fisch, was das Eintauchen in die Elemente Wasser und Luft eröffnet – sogar ein roter Luftballon wird ins Spiel einbezogen und lädt zu neuen Bewegungsimpulsen ein: Es kommt zu wilden Verfolgungsjagden. Das kleine Licht, es ist ein Multitalent. Vor der Bühne an den Overheadprojektoren agiert Heide Schollähn – sie »ist das Licht« oder der Fisch, je nachdem, arbeitet mit Schablonen, bleibt immer in engstem Austausch mit Musiker und Tänzerin: Einekooperative Glanzleistung, die nur in feinabgestimmtem Teamplay gelingt.

Knapp 40 Minuten Innehalten gemeinsamen Tagträumens, intensiven Beobachtens und Lauschens. Die Kinder brauchten offenbar genau das. Und sie gaben sich, ganz offensichtlich, mit allen noch unverbrauchten Sinnen hin. In all traumhaften Bilderwelten ging einem, im besten Wortsinn, ein Licht auf. Chapeau und Applaus für das Kreativteam und für die grandiose Regie von Jens-Uwe Sprengel.

Kirsten Benekam

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