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Das »Cuarteto SolTango« feierte im vierten Musiksommerkonzert mit Kompositionen unterschiedlichster Charaktere ein exquisites Tangofest. Unser Bild zeigt von links Martin Klett (Klavier und Arrangements), Thomas Reif (Violine), Andreas Rokseth (Bandoneon) und Karel Bredenhorst (Violoncello). (Foto: Kirsten Benekam)

Der Seele des Tango verfallen

Ein laues Spätsommerlüftchen wehte den Gästen des Traunsteiner Musiksommers beim vierten Konzertabend vor dem Kulturforum Klosterkirche entgegen – und kam, ebenso wie die das romantische Abendrot, wie bestellt zum Musikgenre: »Ein Abend mit Musik aus der goldenen Ära des Tangos!« war laut Programm versprochen, ein konzertantes Tête-à-tête mit den Schöpfern des »Tango Argentino«, also jenen Tangokomponisten der 30er und 40er Jahre, die das Genre prägten.


Das »Cuarteto SolTango« ließ Kompositionen unterschiedlichster Charaktere von Aníbal Troilo, Juan D'Arienzo und Lucio Demare bis hin zu den Wegbereitern des Tango Nuevo, Horacio Salgán und Osvaldo Pugliese, erklingen. In den kunstvollen und eingänglichen Arrangements von Pianist Martin Klett war es nicht schwer, sich den herzbewegenden und gefühlsschwülstigen Tangorhythmen – jener tanzbaren Musik, die in den Armenvierteln von Buenos Aires geboren wurde und Wegbereiter für den Tango Nuevo Astor Piazzollas darstellt – hinzugeben.

Eine kurze Begriffserklärung zum Namen des Quartetts: »Sol« heißt Sonne und »soltar« aus dem Spanischen übersetzt, »loslassen«. Das trifft im Kern genau das, was Thomas Reif (Violine), Karel Bredenhorst (Violoncello), Andreas Rokseth (Bandoneon) und Martin Klett (Klavier und Arrangements) so lustvoll kultivierten. Tango ist Tanz, ist Rhythmus, ist Lebenselixier aus musikalisch erzählten Geschichten, die Leben und Fühlen der Menschen beschreiben – damals wie heute.

Das wurde in der wohl bekanntesten Tangokomposition »La Cumparsita« von Gerardo Matos Rodríguez deutlich. Es ist erstaunlich, dass diese melodische Vielfalt ohne Weiteres mit nur vier Instrumentalstimmen zünden kann – und wie! Und fast schon klischeehaft, wie im Nu vor dem inneren Auge ein Tanzpaar erscheint, das, schwer verliebt und angetrieben von den vorgegebenen leidenschaftlichen Rhythmen, in ausdrucksstarken Figuren übers Parkett schwebt.

So agierte auch das »Cuarteto SolTango« an seinen Instrumenten selbst wie Tänzer – offenbar der Seele dieser Musik verfallen – eine Verschmelzung von Bewegung, die man sehen und hören kann, ein Fluss, der sich aus demselben Quell zu speisen scheint – fantastisch. Tango für Fortgeschrittene, gesteigert in Tempo und mit vielen Verzierungen »verklangschönert«, gab es mit einigen Milongas aufs Gemüt: Liebe, Schmerz und Stolz wohnt der »Milonga del Corazón« inne. Sie scheint wirklich nur für Könner tanz- und spielbar und kam dennoch im Kulturforum locker-lässig daher.

Melancholisch und getragen traf die »Milonga Triste« (Sebastián Piana) ins Herz: Der Text von Homero Manzi, ein Gedicht über Verlust, Erinnerung und die Unfähigkeit zurückzukehren, wurde vorab in englischer Sprache vorgelesen und wirkte wie ein Emotionssauger – hören und fühlen, loslassen und sich selbst als Tänzer spüren, es kann so leicht sein, in poetischen Bildern der Weltflucht zu frönen.

Kostbare Perlen

Sechsachtel-Takt mit majestätischem, schwebenden Rhythmus, Tänzer, die sich kaum berühren und ein weißes Tuch (Pañuelo) als Verlängerung der Gefühle in der Hand halten – auch das ist Tango, wie man erfuhr. In Anlehnung an Mercedes Sosas Gesang, der dem argentinischen Samba eine unvergleichliche Tiefe und emotionale Kraft verliehen hat, genossen die Zuhörer eine kostbare Tangoperle.

»A Fuego Lento«, zu Deutsch »auf kleiner Flamme« lassen sich bekanntlich pikante Köstlichkeiten bereiten, in diesem Fall Musikalische, und zwar vom argentinischen Pianisten und Komponisten Horacio Salgán. Diese kleine Flamme glühte mächtig am Konzertende und entfachte einmal mehr die Tango-Leidenschaft – von Musikern und Zuhörern.

»Wer hat an der Uhr gedreht?« dachte man sich, als viel zu früh ein Ende des so emotions- wie erlebnisreichen Abends drohte. Drei Zugaben, darunter auch Piazzollas »Oblivion«, gab es obendrein, sodass die sehnsuchtsvolle Bandoneon-Melodie als musikalisches Gedicht über Vergänglichkeit und süße Leidenschaft den Abschiedsschmerz zumindest ein wenig abmilderte.

Kirsten Benekam

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