Wie oft mag sie dem Tod von der Schippe gesprungen sein. Das erste Mal bereits als Dreijährige, als sie der Katze zum Dachfenster ihres Elternhauses nachstieg und aus fast acht Metern Höhe herunterfiel, ins Gras. Ihr Schutzengel ließ sie nach einem Tag Bewusstlosigkeit unbeschadet aufwachen und blieb immer an ihrer Seite. Das war ihr Glück. Denn sie wurde eine mutige und exzellente Bergsteigerin, lange bevor sie ihren Hermann kennenlernte.
Mit 15 Jahren trat sie der Jungmannschaft des Alpenvereins Berchtesgaden und dem Skiklub Ramsau bei, in der Folge konnte sie schon als junge Frau einige schwierige Damenerstbegehungen auf ihrem Tourenkonto verbuchen, zum Beispiel die Südwand des kleinen Mühlsturzhorns, den kleinen Trichter am Hohen Göll, die Südkante des dritten Watzmannkindes. Nach einer Klettertour am Rotpalfenriss eilte sie zum Riesentorlauf des Skiklubs Ramsau auf dem Blaueisgletscher und dann zur Siegerehrung zur Blaueishütte, bevor sie am Abend im Gasthof »Oberwirt« auf der Theaterbühne auftrat. Die Rollentexte für ihre zweite große Leidenschaft, das Theaterspielen, lernte sie auf den Bergtouren.
Als Hermann Buhl in ihr Leben trat – ihre große Liebe – änderte sich alles. Mit 25 Jahren Heirat in der Ramsau und Umzug nach Innsbruck, später nach München. In fünf Jahren Ehe bekam das Paar drei Kinder, quasi en passant. Denn sie begleitete ihren Mann, wann immer sie jemanden zur Betreuung ihrer Kinder fand, auf vielen anspruchsvollen Touren auf Drei- und Viertausender. Als ihr Hermann nach der Nanga-Parbat- Erstbesteigung berühmt wurde, wurde ihr Leben an seiner Seite erst recht anstrengend. Sie war gesellig und liebte die große Bühne, sie organisierte seine Vortragsreisen und gesellschaftlichen Auftritte und machte in einer Woche den Führerschein, um ihn nach der Amputation seiner erfrorenen Zehen im Auto kreuz und quer durch Europa zu seinen Vorträgen zu kutschieren.
Als ihr Hermann bei seiner zweiten Achttausenderexpedition tödlich abstürzte und nicht mehr zurückkehrte, brach sie sofort ihre Zelte in München ab und zog mit ihren drei kleinen Töchtern zurück in die Ramsau. Sie war Witwe mit 31 Jahren, sie musste sich eine eigene Existenz aufbauen. Die einzige, die ihr praktikabel erschien: eine Gästepension. Um sowohl ihren Lebensunterhalt zu verdienen als auch gleichzeitig ihre drei Kinder um sich zu haben. Generl funktionierte viele Jahre wie eine Maschine ohne Stillstand noch Erholung; die einzigen »Verschnaufpausen«, die sie sich gelegentlich gönnte, waren Skitouren im Winter und Almwanderungen im Sommer, wenn die Arbeit in der Gästepension es erlaubte.
Das, was sie ihren Töchtern über deren Vater erzählte, hielt die Erinnerung an ihn wach. Sie verwaltete seinen Nachlass, hielt Kontakt zu seinen Weggefährten, zu Journalisten, Museen und Ausstellungsveranstaltern, und sie sorgte dafür, dass sein Buch »Achttausend drüber und drunter« seit seinem Erscheinen 1954 immer wieder verlegt wurde, in neuen und aktualisierten Ausgaben und bis heute ein Longseller der Bergliteratur ist.
Ein schlimmer Schicksalsschlag war der Tod ihrer jüngsten Tochter Ingrid, die zwanzigjährig an ihrem Drogenleidensweg verstarb. Generl versank fast in Trauer, aber sie gab sich selbst nicht auf. Trost fand sie in der Natur der Berge um sich herum und im Glauben an die Unsterblichkeit der Seele. Das Leben ging weiter, wieder einmal. Die Gästepension »Haus Hermann Buhl« musste weitergeführt werden, die Gäste kamen und lenkten sie ab, die Arbeit war ihre Medizin. Und das Bergsteigen. Bis in ihr achtes Lebensjahrzehnt hinein versorgte sie ihre Gästepension allein und nahm in ihrer Freizeit noch bei Seniorenskirennen am Watzmann und am Jenner teil.
Obwohl von zarter Statur, war Generl unglaublich zäh: ein Stehaufweib. Sie ließ sich nie hängen, sie hatte eine außergewöhnliche Vitalität, sie war tapfer, mutig und tüchtig. Eine Optimistin. Ihre FreundInnen und Bekannten schätzten sie als fröhliche Gesellin. Für ihre Töchter war sie Vorbild und Stütze, sie war deren Fundament, auf das sie sich ein Leben lang verlassen konnten. Sie nennen es ein großes Glück, dass sie deren Leben so viele Jahrzehnte begleitet und so viele Spuren in ihnen hinterlassen hat.
Generl Buhl wird nicht nur der internationalen Gemeinschaft der Bergsteiger, sondern auch vielen Menschen, die ihr als Gastgeberin in ihrer Gästepension »Haus Hermann Buhl« oder auf Berg- oder Skitouren und bei Bergfilmfestivals in Salzburg, Tegernsee und Trento begegnet sind, in liebevoller Erinnerung bleiben.
Die Wort-Gottes-Feier mit anschließender Beisetzung findet am 12. April um 10 Uhr in der katholischen Pfarrkirche St. Sebastian im Bergsteigerdorf Ramsau statt. Kriemhild Buhl