Vor 16 Jahren haben Sie den Chiemgauer100 ins Leben gerufen. Was waren damals Ihre Beweggründe, Herr Schneider?
Giselher Schneider: Ich habe Ende der 1990er Jahre in den USA die 100-Meilen-Trailläufe kennengelernt und bin danach teils weltweit zu Ultratrails gereist. Nur konnte ich in Mitteleuropa damals kaum etwas Vergleichbares finden. So entstand der Gedanke, auch andere für das Ultrarunning zu begeistern und an meinen schönen heimatlichen Trainingsstrecken teilhaben zu lassen. Aus den Läufen, an denen ich teilgenommen hatte, sammelte ich all das, was mir dort am besten gefallen hatte und setzte es beim Chiemgauer100 um. Hauptziel ist, dass der Läufer gegenüber einem privaten Lauf bestmöglich unterstützt wird und so sein Gepäck, seine Verpflegung und seine Wegsuche minimieren kann.
Welche Situationen sind Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?
Giselher Schneider: Da war zum Beispiel eine Läuferin, die aufgrund einer Streckensperrung bei der Bahn erst viele Stunden nach dem Start eingetroffen ist. Sie hat es sich aber nicht nehmen lassen, die gesamten 100 Meilen nach Schließung der Verpflegungsstellen zu absolvieren. Sie erreichte erst mehrere Stunden nach der Siegerehrung das Ziel, finishte aber in den darauffolgenden Jahren mehrmals. Derartige Anekdoten gäbe es noch viele zu erzählen: der Zehenschuhläufer aus Malaysia, uneinsichtige Hundebesitzer, die Läuferin, die ohne sich an einer Kontrollstation abzumelden, nach langer Suche wohlbehalten in ihrem Hotel aufgefunden wurde....
Und persönlich?
Giselher Schneider: Persönlich denke ich gerne an meine eigenen Teilnahmen in den ersten beiden Jahren, besonders an den Gewinn der 100 Meilen, zurück. Und: Dass ich viele sympathische Läufer und Helfer kennenlernen durfte, mit denen ich gerne auch weiterhin in Kontakt bleibe.
Ihr Herz hängt nach wie vor am Chiemgauer100. Warum ziehen Sie dennoch jetzt einen Schlussstrich?
Giselher Schneider: Ich bin leidenschaftlicher Sportler, nicht leidenschaftlicher Organisator – auch wenn mir das viel Spaß gemacht hat. Eine Sprunggelenksverletzung hindert mich daran, selber weiter aktiv Ultraläufe zu bestreiten. Ohne selbst im Laufgeschehen dabei zu sein, reicht die Motivation bei mir nicht, für viele weitere Jahre als Alleinorganisator tätig zu sein. Ich möchte auch viele langjährige Helfer nicht weiter moralisch dazu verpflichten, mich beim Chiemgauer100 zu unterstützen. Alle Helfer waren ja immer ehrenamtlich dabei und werden auch nicht jünger. Dazu kommen zunehmende Schwierigkeiten mit Naturschutzbehörde, Forst, Stadionverantwortlichen....
Wie beurteilen Sie die Läuferszene? Haben Sie auch dort über die Jahre Veränderungen festgestellt?
Giselher Schneider: Auch die Szene hat sich verändert. Die Aufbruchstimmung der frühen 2000er Jahre, wo es nur ums Laufen ging, wird ersetzt durch eine Szene, die im Mainstream angekommen ist und bei der es vor allem um den Kommerz geht. Mein Eindruck ist, dass sich der Läufer von heute zunehmend bei einem Lauf einkauft wie bei einer Pauschalreise. Er findet sich nicht mehr mit Gleichgesinnten zusammen, um einer gemeinsamen Leidenschaft nachzugehen, sich gemeinsam beim Bewältigen der Strecke zu unterstützen, sondern um unterhalten zu werden. Der Chiemgauer100 und die meisten seiner Teilnehmer haben sich bisher erfolgreich gegen diesen Trend gestellt, aber es wird zunehmend schwieriger.
Wie geht es jetzt weiter?
Giselher Schneider: Ich freue mich sehr, dass sich Nachfolger gefunden haben, die den Chiemgauer100 in meinem Sinne weiterführen wollen und ihn natürlich auch mit ihren Ideen personalisieren und auf die Höhe der Zeit bringen werden. So waren 16 Jahre Arbeit nicht umsonst und der Chiemgauer100 geht mit frischem Blut in eine erfolgreiche Zukunft! Ich wünsche Euch viel Erfolg Kathi, Meikl, Alois und Dirk!
Was hat Sie bewogen, den Lauf zu übernehmen?
Meikl Krammer: Jeder von uns hat schon mindestens einmal am Chiemgauer100 teilgenommen und war jedes Mal begeistert von der Atmosphäre und der Stimmung dieses Laufs. Wie immer läuft man gegen sich und die Grenzen seines Körpers, aber vielmehr erlebt man hierbei das Miteinander der Läufer und der vielen Helfer, die diese Veranstaltung – unter »Gis« Regie – erst möglich machen. Und das alles findet auf dieser schönen Strecke in unseren Chiemgauer Bergen statt.
Alois Klauser: Wir konnten verstehen, dass »Gi« nach den vielen Jahren für sich einen Schlussstrich ziehen wollte, konnten aber nicht akzeptieren, dass dieses Event damit ein Ende finden sollte. Das hat »Gi« zum Glück auch immer so gesehen und frühzeitig signalisiert, dass er mögliche Nachfolger tatkräftig unterstützen wird. Mit diesem Wissen haben wir uns gemeinsam stark genug gefühlt, diese Aufgabe zu übernehmen.
Was hat für Bergen als neuen Veranstaltungsort gesprochen?
Kathi Hallweger: Als wir uns dazu entschlossen haben, die Organisation zu übernehmen und das auch auf »Gis« Zustimmung traf, war eigentlich von Anfang an klar, dass dies mit einem Umzug nach Bergen verbunden sein würde. Es spricht wenig dagegen, da die Strecke ja seit jeher durch Bergener Gebiete führt und mit Kohlstatt auch immer eine wichtige Versorgungsstation bot. Ein Umzug nach Bergen hat für uns eine ganze Reihe von praktischen Vorteilen. Wir vier leben hier und wir sind hier unter anderem als aktive Mitglieder der Bergwacht und des TSV und vor allem auch im aktiven Dorfleben sehr gut vernetzt. Zudem haben einige von uns als Mitveranstalter des Grimmig & Grantig Festivals in der Organisation von größeren Veranstaltungen in Bergen sehr gute Erfahrungen gesammelt. Dadurch sollte es uns möglich sein, nicht nur auf die lokale Infrastruktur zurückzugreifen, sondern auch das verbleibende Helferteam lokal durch weitere Mitarbeiter zu verstärken.
Dirk Misselhorn: Und nicht zuletzt ist es sicherlich ein Gewinn für Bergen, mit dem Chiemgauer100 ein neues und weiteres Event zu beheimaten. Eines, an dem viele, nicht nur die Läufer, teilhaben können und sicherlich auch davon profitieren können.

Was wird sich ändern?
Meikl Krammer: Uns allen hatte die Aufteilung in zwei Schlaufen mit erneutem Zwischenstopp am Start- und Zielpunkt sehr gut gefallen – und das wollen wir beibehalten. Es ist gut für die Läufer, die sich so leichter tun, Teile der Ausstattung zu wechseln oder erst gezielt für den zweiten Teil des Laufs mitzuführen. Es ist aber auch praktisch für uns. Deshalb wird sich die Streckenführung ändern. Start und Ziel wird jetzt eben in Bergen sein. Wir wollten aber unbedingt an zwei der Highlights der Strecke, dem Hochfelln und dem Hörndl, sowie einigen weiteren schönen Abschnitten unbedingt festhalten. Das ist uns dadurch gelungen, dass wir die zweite Schlaufe in weiten Teilen beibehielten. Neu wird aber sein – und das aus ganz praktischen Überlegungen heraus –, dass sie jetzt in der anderen Richtung durchlaufen wird, was sicher interessant wird.
Alois Klauser: Die erste Runde dagegen, die früher mehr oder weniger um den Rauschberg herumführte, mussten wir aufgeben. Sie ist nun ein gutes Stück nach Westen gerückt und legt sich als Schleife für die 100-Meilen-Läufer über den Pattenberg, um die Kampenwand und Marquartstein und führt über den Hochgern zurück nach Bergen.
Kathi Hallweger: Aber auch an dem ganzen Drumherum hat sich einiges geändert. Unsere neue Homepage ist rechtzeitig zum traditionellen Beginn der Anmeldung Anfang Dezember online gegangen. Sie bietet uns ab sofort eine geeignete Plattform, Ideen und Schwerpunkte zu präsentieren. Wir wollen etwa die Erinnerung an die bisherigen Events aufrechterhalten und haben hierfür ein sehr umfangreiches Archiv, mit Bildern und Berichten zu allen Veranstaltungen eingerichtet.
Dirk Misselhorn: Ein neuer Gedanke ist der Versuch, eine so große Veranstaltung mit Teilnehmern aus ganz Deutschland und darüber hinaus mit einem möglichst geringen CO2-footprint durchzuführen. Außerdem haben wir schon eine ganze Reihe an Gedanken zusammengetragen, die unter anderem unser sogenanntes Basecamp am Sportplatz des TSV Bergen betreffen. Es soll das gesamte Rennwochenende besetzt sein und ein dauerhaft lohnender Anlaufpunkt für die Läufer, und die Begleiter, aber auch für alle Helfer und Zuschauer sein. Da können und wollen wir aktuell aber noch nicht zu viel verraten.
Meikl Krammer: Eine weitere Veränderung, die ohne unser aktives Zutun entsteht, können wir bei den Anmeldungen beobachten. Es zeigt sich sowohl ein wachsendes Interesse an der längeren 100-Meilen-Distanz und vor allem eine deutlich höhere Zahl an Läuferinnen als in früheren Jahren, was wir sehr begrüßen.
Und was wird bleiben?
Alois Klauser: Ich denke, wir haben eine gute Mischung aus bewährten Elementen und neuen Gedanken gefunden. Unser ganz großes Ziel ist es aber, die tolle Atmosphäre dieses Kult-Ultralaufs und ihren familiären Charakter zu bewahren und fortzuführen.
Wie ist der aktuelle Planungsstand auch hinsichtlich der Corona-Pandemie?
Kathi Hallweger: Wir haben bisher eine vorläufige Streckenplanung. Dabei stehen aber einige Details, wie etwa die genaue Platzierung einiger Versorgungsstationen oder die genaue Wegführung in einzelnen Abschnitten noch aus. Und dann muss diese Streckenführung auch noch genehmigt werden, was vielleicht weitere Veränderungen mit sich bringt.
Dirk Misselhorn: Damit sind wir schon bei den Formalitäten, wo noch einiges aussteht. Auch hier haben wir schon manches erreicht, wie etwa den TSV Bergen als offiziellen Veranstalter gewinnen zu können. Von ihm erfahren wir viel Unterstützung und haben in ihm eine eigene Trailrunning-Abteilung gegründet. Hier werden wir ab dem Frühjahr regelmäßige Lauftreffs in Bergen anbieten.
Meikl Krammer: Außerdem hoffen wir noch, weitere Sponsoren gewinnen zu können, um die Teilnahmegebühr auf dem aktuellen Niveau halten zu können. Einige der bisherigen Sponsoren sind aktuell nicht mehr mit dabei, zum Teil auch wegen der Corona-Auswirkungen, andere engagieren sich aber weiter und wir haben auch schon einige neue gewinnen können!
Alois Klauser: Was Corona betrifft, sind wir optimistisch und lassen uns in der Planung nicht bremsen. Dazu kommt, dass der Chiemgauer100 als einer von nur wenigen Laufveranstaltungen dieser Art aufgrund eines sehr guten und konsequent umgesetzten Hygieneplans auch 2020 stattfinden konnte. Auf diesen Erfahrungen können wir aufbauen. Dadurch, dass wir bewusst ein relativ kleines Teilnehmerfeld von 150 Läuferinnen und Läufern haben, zeitversetzte Starts möglich sind und die Strecke ja nun wirklich lang genug ist, um mehr als 1,5 Meter Abstand zu halten, können wir dies auch gut verantworten.
Gibt es erste Resonanzen?
Kathi Hallweger: Oh ja, und davon sind wir ganz überwältigt! Wir wurden gleich von einer Anmeldeflut erfasst, als wir mit der neuen Homepage und der Anmeldungseröffnung online gegangen sind. Es sind viele frühere Teilnehmer dabei, aber auch ein großer Teil neuer Starter. Und sie kommen aus ganz Deutschland und einige auch aus den Nachbarländern Österreich, Schweiz, Tschechien, aber etwa auch aus den Niederlanden. Ganz viele schicken uns nette Kommentare, wie sie sich freuen, dass es den Chiemgauer100 weiterhin geben wird. Das motiviert unheimlich. Es wird uns allerdings schmerzen, dass wir die Anmeldung bald wieder schließen müssen, da wir das Teilnehmerlimit sicherlich zeitnah erreichen werden. Aber eine Warteliste wird – zumindest bis zu einer gewissen Grenze – fortgeführt werden.
Dirk Misselhorn: Und auch aus dem bisherigen Team der Helfer gibt es ganz tolle Rückmeldungen! Da können wir zum Teil auf viel Erfahrung zurückgreifen, was uns hilft. Dennoch sind auch hier einige nach vielen Jahren ehrenamtlichen Einsatzes mit »Gi« ausgeschieden. Das können wir gut verstehen, brauchen dafür aber Ersatz. Hier würden wir uns noch über mehr Rück- bzw. Anmeldungen freuen, die ebenfalls über unsere Internetseite www.chiemgauer100.de möglich sind. pf