Susi Barmbichlers Schützlinge reisten bereits mit klarem Vorsprung ins 270 Kilometer entfernte Esslingen (Stuttgart). Bei 12 Tabellenpunkten Vorsprung wussten sie, dass rein rechnerisch ein vorletzter Platz genügen würde, damit keines der anderen sieben Teams mehr vorbeiziehen konnte. Das Ziel war jedoch klar: Ein erneuter Sieg und damit 0 Minuspunkte in der Tabelle sollten es sein.
Am Morgen des ersten Wettkampftags ging die Reise für Alina Hofmann, Leni Steinbeißer, Emily Mühlberger, Emma Pregenzer, Leticia Neumayer, Maria Heimann, Anna Geißelbrecht, Lisa Dauth, Nele Merker und Miriam Markovic sowie für die Kampfrichterinnen Sofia Eder und Tine Praxenthaler los, denn Vereinskollegin Sonja Fischer hatte bereits an diesem Nachmittag ihren Einsatz in der 1. Bundesliga für das Turnteam Kiehn-Group Lüneburg. Fischer absolvierte einen Vierkampf, verzichtete jedoch – nach einer langen Saison, in der sie immer wieder mit diversen Verletzungen zu kämpfen hatte – auf ihre Höchstschwierigkeiten und landete auf Rang 8.
Tags darauf war es dann für das Team aus Waging so weit: Der letzte Wettkampf der Saison 2024 stand an. Was die Wagingerinnen allerdings zu diesem Zeitpunkt nicht wussten: Still und heimlich hatten sich 50 Fans, darunter Eltern, Trainer, Familienmitglieder und Nachwuchsturnerinnen, um halb sechs morgens mit einem großen Reisebus auf den Weg nach Stuttgart gemacht, um sie alle vor Ort anzufeuern. Während sich die Aktiven zum Einmarsch bereitmachten, schlich sich der Fanclub mit Fahnen und Plakaten auf die Tribüne und wurde somit erst bei der Vorstellung der einzelnen Mannschaften von den Turnerinnen entdeckt, was ihnen einen besonderen Motivationsschub gab.
Gestartet wurde am Sprung. Hier zeigte Maria Heimann erstmals nach ihrer Verletzung wieder einen Tsukahara gehockt, welcher mit 11,70 Punkten eine gute Basis war. Leni Steinbeißer und Alina Hofmann legten stark nach und erhielten jeweils 12,0 Punkte für ihren Tsukahara gebückt. Miriam Markovic zeigte einen guten Yurtschenko (11,95 Punkte). Den krönenden Abschluss bot Nele Merker: Für ihren Überschlag-Salto vorwärts gehockt, perfekt in den Stand, wurde sie mit 12,80 Zählern und damit der Tageshöchstwertung belohnt. Die besten vier Wertungen der fünf Turnerinnen am Gerät werden jeweils addiert. Hier nahm man der stärksten Konkurrenz, der TS Neckargym Nürtingen II, bereits einen Punkt ab.
Am Stufenbarren turnten Alina Hofmann (8,55) und Emma Pregenzer (9,25) gute Übungen durch. Emily Mühlberger erfüllte im Vergleich dazu – laut internationalem Wertungssystem – zwei schwierige Kompositionsanforderungen, wobei ihr eine davon nicht gelang und sie zwei Stürze in Kauf nehmen musste (8,10). Miriam Markovic erzielte nach einer starken Vorstellung mit Flug vom oberen zum unteren Holm 10,60 Zähler. Als letzte war Lisa Dauth an der Reihe. Der Waginger Fanblock feuerte sie bei ihren Höchstschwierigkeiten an, welche an diesem Tag von keiner anderen Turnerin gezeigt wurden. Sie kämpfte sich bis zum Schluss durch, stürzte jedoch bei der Landung ihres Abgangs (9,60). Mit 38,00 Gesamtpunkten baute man den Vorsprung weiter aus.
Am Schwebebalken startete Emma Pregenzer (10,30), gefolgt von Alina Hofmann (10,25). Beide präsentierten saubere Vorstellungen ohne große Unsauberkeiten. Hofmann zeigte sogar erstmals ihren neu erlernten Vorwärtssalto auf dem nur 10 cm breiten Gerät.
Emily Mühlberger zog alle Augen mit ihrem besonderen Angang, nämlich einer Radwende auf das Sprungbrett mit anschließendem Spreizsalto rückwärts auf den 1,20 m hohen Balken. Sie absolvierte die höchste Schwierigkeit des Tages, musste jedoch einmal das Gerät verlassen (9,80). Miriam Markovic und Lisa Dauth stürzten beide je einmal.
Zuletzt galt es, den Boden zu bewältigen. Nele Merker startete und das Waginger Publikum klatschte sich bei ihrer guten Übung schon einmal warm (10,0). Leni Steinbeißer performte ihre Doppelschraube rückwärts und Überschlag Strecksalto mit einer guten Ausführung (10,25). Leticia Neumayer wusste ihre stimmungsvolle Musik zu nutzen und brachte Schwung in die Turnhalle (10,70). Als vorletzte Turnerin war Alina Hofmann dran. Sehr saubere akrobatische Bahnen und hohe Sprünge verhalfen ihr zu 11,10 Zählern und damit der höchsten Waginger Wertung. Alle Augen waren nun auf die letzte Turnerin, Miriam Markovic, gerichtet: Sie zeigte auch diesmal ihre ausdrucksstarke Choreografie, welche sie – kombiniert mit einer Doppelschraube rückwärts und hochwertigen gymnastischen Drehungen – präsentierte. 11,05 Punkte waren der Lohn. Damit kam der TSV auf 170,90 Punkte, was auch am vierten Wettkampftag den Tagessieg bedeutete. Zweiter wurde der TV Spaichingen (167,05). Den dritten Platz erreichte Verfolger TS Neckargym Nürtingen II (164,25). Miriam Markovic gewann zudem mit 44,30 Punkten die inoffizielle Einzelwertung, Alina Hofmann wurde Vierte (41,90).
Nach der Kür des Tagessiegers folgte die Gesamtsiegerehrung. Nach vier aus vier möglichen Siegen und damit 56:0 Tabellenpunkten heißt der Meister der Regionalliga Süd TSV Waging am See. Zweiter wurde mit 40:16 Punkten die TS Neckargym, vor dem TV Spaichingen mit 38:18 Zählern.
Damit wurde der Traum vom Aufstieg in die 3. Bundesliga Süd nach einer grandiosen Saison wahr. Erfolgstrainerin Susi Barmbichler schrieb mit ihren Schützlingen Vereinsgeschichte – und das trotz vieler verletzungsbedingter Rückschläge im Jahr 23/24. Die ca. 15 Stunden Trainingsaufwand pro Woche lohnten sich abermals, vor allem weil Waging der einzige Verein in der DTL ist, der kein eigenes Leistungszentrum hat.
Der Fanclub überraschte die Siegerinnen mit einem riesigen Banner, welches fortan am Kreisverkehr in Waging zu sehen ist. Auf dem Nachhauseweg feierte man den Erfolg im großen »Party-Bus«, bevor man zu Hause noch zu einem gemeinsamen Essen einkehrte.
Ein großer Dank der Turnerinnen ging »an all diejenigen, die uns auf unserem Weg vor allem finanziell unterstützen, denn Kunstturnen genießt leider nicht den Stellenwert in unserer Gesellschaft wie andere Sportarten«, betonten die Sportlerinnen.
Für 2025 gibt es bereits großartige Neuigkeiten: Bayerns beste Turnerin, Sonja Fischer, welche in der Mannschaft heuer noch für Lüneburg in der 1. Bundesliga turnte, startet ab der nächsten Saison nicht nur im Einzel, sondern auch in der Mannschaft für ihren Heimatverein TSV Waging am See. Zudem wird der Auftaktwettkampf der kommenden Saison ein Heimspiel: Er findet am 3. Mai 2025 in der Bergader-Sportarena in Waging statt. fb