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Hat das Kind Fieber, greifen Eltern gern zum Fiebersaft. Doch gerade Präparate mit den Wirkstoffen Ibuprofen oder Paracetamol sind derzeit knapp. (Foto: Hohler)

Fiebersäfte mit Ibuprofen oder Paracetamol werden knapp

Traunstein – »Das Schlechteste wäre es jetzt, zu hamstern«, sagt Apotheker Lorenz Fakler. Denn vor allem Kinderärzte und Eltern kleiner Kinder in und um Traunstein haben derzeit ein Problem: Fiebersäfte mit dem Wirkstoff Ibuprofen sind im Moment fast nicht aufzutreiben. 


Bayerische Kinderärzte hatten vor Lieferengpässen für Fieber- und Schmerzsäfte mit dem Wirkstoff Ibuprofen gewarnt. »Jetzt rächt sich die Produktionsverlagerung sogenannter unrentabler, aber für bestimmte Patientengruppen wichtiger Arzneimittelspezifikationen, ins außereuropäische Ausland«, hatte der Vorsitzende des Verbands der Bayerischen Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), Dominik Ewald, in München erklärt. Vor allem Kleinkinder bekommen bei Fieber oder Schmerzen Säfte oder Zäpfchen, weil sie keine Tabletten schlucken können.

Arzneimittel hängen in Häfen in China fest

Ein großer Teil von Arzneimitteln aus chinesischer Produktion hänge seit Monaten wegen des Corona-Lockdowns in Häfen von China fest, sagte der stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbands (DAV), Hans-Peter Hubmann, mit Blick auf Ibuprofen und Paracetamol. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) verwies zudem auf den Marktrückzug eines Herstellers. Grundsätzlich seien die Behandlungen von Kindern aber nicht eingeschränkt, teilte das BfArM mit.

Insbesondere Zäpfchen mit den Wirkstoffen Paracetamol und Ibuprofen gebe es ausreichend. Das Institut räumte aber einen Mangel an Fiebersäften mit dem Wirkstoff Paracetamol ein, der auch stärker nachgefragt werde.

Der Verbrauch der bei Kindern und Jugendlichen eingesetzten Schmerzmittel ist laut Bundesinstitut in Deutschland im Vergleich zum vergangenen Jahr um über 100 Prozent gestiegen – unter anderem wegen der aktuellen Coronawelle, wie auch Lorenz Fakler bestätigt. »Die Zahlen sind wieder relativ hoch, das sieht man gar nicht unbedingt an den Inzidenzen, denn sehr viele lassen sich gar nicht mehr testen.« Zudem seien andere Infekte unterwegs wie etwa Sommergrippen, Scharlach oder auch das Epstein-Barr-Virus, das sich auch als Pfeiffer'sches Drüsenfieber äußert.

Problematisch sei jetzt die Verlagerung der Wirkstoffproduktion nach China und Indien. »Zum einen kauft das die ganze Welt ein – wenn da eine Charge ausfällt, beginnt die Hamster-Problematik. Zum anderen werden dort nicht die gleichen Umweltstandards eingehalten wie hierzulande«, wie Fakler erklärt.

Produktion zurückholen nach Europa

»Gerade bei den Antibiotika ist das durchaus problematisch, wenn die aus irgendeiner Hinterhof-Firma in Indien in die Umwelt gelangen. Das gibt zusätzliche Resistenzen, und die können wir genauso wenig brauchen, wie den Einsatz von Antibiotika als Appetitanreger in der Tiermast.« Nicht zuletzt deshalb forderten Wissenschaftler schon lange, die Produktion von Schmerzmitteln und Antibiotika wieder zurückzuholen nach Europa. Denn billig allein sei nicht in allen Bereichen gut.

Zwar hätten die Rabattverträge der Krankenkassen – Ärzte verschreiben dann das jeweils günstigste Medikament – jährlich fünf Milliarden Euro eingespart. »Doch wenn die Kasse alle zwei Jahre den Hersteller wechselt, kann das für Senioren schnell gefährlich werden, wenn die Tablette nicht mehr klein und weiß, sondern groß und rot ist. Das birgt durchaus Verwechslungsgefahr.«

»Es gibt heute keine große Forschung auf dem Gebiet der Antibiotika oder auch der Medikamente bei seltenen Erkrankungen«, stellte Fakler fest. Denn die Arzneimittelentwicklung koste schon mal einen satten dreistelligen Millionenbetrag, »und das sind alles Aktiengesellschaften, die müssen Gewinn machen.« Andererseits habe sich die Forschung staatlicherseits auch nicht bewährt, wie das Beispiel der DDR zeige. Und so gebe es Auswüchse einzelner Medikamente, die bei Kosten von zwei Millionen Euro letztlich verlost würden.

»Die Situation bei Paracetamol und Ibuprofen ist angespannt, aber noch händelbar, wenn alle die Nerven bewahren«, sagt Fakler. Fiebersäfte müsse man zum einen nicht bereits bei 38 Grad geben. »Der Körper fährt die Temperatur rauf, um Stoffwechselprozesse zu beschleunigen und Erreger effektiver zu bekämpfen«. Zum anderen gebe es in den Apotheken durchaus noch Vorräte.

Im Regal läuft Saft ab, den andere akut bräuchten

Im Zweifelsfall könne man den Saft mit weniger Wirkstoff nehmen und die Dosierung verändern, Zäpfchen oder Tabletten geben oder zermörsern. »Der örtliche Apotheker wird da sicher immer eine praktikable Lösung finden. Aber blöd wäre es, jetzt Fiebersäfte zu hamstern, die im Regal dann ablaufen, während andere sie gerade akut bräuchten. Da ist Solidarität das Gebot der Stunde. Und die Hersteller sind ja dran und schauen, was sie im nächsten Vierteljahr an Kapazität rauffahren können«, gibt Fakler zu bedenken.

coho

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