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Oberstudiendirektor Matthias Schmid geht davon aus, dass der Lehrermangel spätestens im nächsten Schuljahr auch die Gymnasien treffen wird. (Foto: Mix)

»Schüler brauchen qualitativ hochwertige Betreuung«

Traunreut – Matthias Schmid ist seit acht Jahren Schulleiter am Johannes-Heidenhain-Gymnasium und darüber hinaus seit einiger Zeit ehrenamtlicher Vorsitzender der »Vereinigung der Direktorinnen und Direktoren der Bayerischen Gymnasien e.V.« (BayDV) für den Bezirk Oberbayern Ost. Ihn beschäftigt daher in zweierlei Funktion das Thema Lehrermangel an Gymnasien.


Seit Langem würde vonseiten der Schulen darauf hingewiesen, dass die Zahl der Lehrkräfte langfristig nicht ausreicht, erklärt Matthias Schmid im Gespräch mit dem Traunsteiner Tagblatt. Trotz der Maßnahmen des Kultusministeriums werde der Lehrkräftemangel spätestens im nächsten Schuljahr auch die Gymnasien treffen. In den Grundschulen sei das Problem schon länger bekannt. Es relativiere sich aber etwas, weil es immer weniger Kinder und damit weniger Grundschüler gibt.

Ins Gymnasium dagegen gehen jetzt die Enkel der Babyboomer-Jahrgänge. Hinzu kommt, dass es ab nächstem Schuljahr wieder ein »G9« und damit neun Jahrgangsstufen gibt. »Kleine Gymnasien wie wir brauchen dann vier bis fünf zusätzliche Lehrer, je nach Teilzeitgrad. Die wird es aber nicht geben«, betont der Oberstudiendirektor. Das Kultusministerium müsse dann jeden Bewerber und jede Bewerberin einstellen, egal wie qualifiziert er oder sie für den Lehrberuf ist. Damit einhergehend sieht Matthias Schmid auch einen Rückgang der Qualität in den Gymnasien.

Er blickt zurück: In den 1970er Jahren seien viele zusätzliche weiterführende Schulen gebaut und damals schon seien alle verfügbaren Lehrkräfte eingestellt worden. Dann habe man längere Zeit keine neuen Lehrer mehr gebraucht, weil alle Schulen gut versorgt waren. Und es sei Abiturienten teils sogar abgeraten worden, Lehramt zu studieren. Vom Entschluss eines solchen Studiums bis zum fertigen Lehrer dauert es acht Jahre. Deshalb wäre eine langfristige Planung so wichtig, die aber in den zurückliegenden Jahren übersehen worden sei. Nächstes Jahr gebe es mehr Schüler an den Gymnasien und gleichzeitig weniger Studenten, die Lehrer werden wollten.

Der erfahrene Schulleiter steht voll und ganz hinter dem deutschen und bayerischen Schulsystem: »Es ist im Vergleich zu manchen europäischen Ländern kostenlos und trotzdem sehr leistungsfähig.« Mit dem Lehrermangel verschlechtere sich die Qualität jedoch zwangsläufig. Die Bildung sei aber eine staatliche Aufgabe, »die wir unbedingt schaffen müssen«. Wie wichtig die Schulen sind, habe die Coronazeit gezeigt: »Schüler brauchen Struktur, brauchen qualitativ hochwertige Betreuung. Wir Lehrer sind nicht nur Stoffvermittler, sondern auch Begleiter der jungen Menschen.«

Als Schulleiter müsse er froh sein, überhaupt zusätzliche Lehrkräfte zu bekommen, und dabei auch so manches Zugeständnis machen, was es früher nicht gegeben hätte. Auch werde in Zukunft wahrscheinlich nicht mehr alles, was rund um die Schule geboten wird, aufrecht erhalten werden können.

Oberstudiendirektor Matthias Schmid ist stolz auf das Johannes-Heidenhain-Gymnasium: »Wir sind eine Top-Bildungseinrichtung und in der Region angesehen.« Die Schüler kommen aus allen gesellschaftlichen Schichten und aus der Stadt wie aus dem Umland, das gelte es zu erhalten. An der Traunreuter Schule sind aktuell rund 60 Lehrkräfte beschäftigt. Vor 20 Jahren waren es nach den Worten von Matthias Schmid etwa gut die Hälfte. Das liegt aber nicht an der gestiegenen Schülerzahl, sondern an der Tatsache, dass ein Großteil der Lehrkräfte heute in Teilzeit arbeitet.

Ihnen würde immer mehr abverlangt, weiß der Schulleiter. Vom Kultusministerium und dem Institut für schulische Bildung kämen jede Woche viele neue Anregungen und Vorschläge, was die Schulen neben dem Lehrplan anbieten könnten. Themenwochen, Projekte und Wettbewerbe gebe es in Hülle und Fülle. »Es gibt viele gute Aspekte, aber es fehlt einfach an der Zeit für die Umsetzung. Wir können das nicht alles leisten und kommen immer mehr an unsere Kapazitätsgrenze. Das macht manche Lehrkräfte auch krank. Es ist längst kein Traumberuf mehr.« Oft säßen ausgebildete Lehrer im Ministerium oder Institut, die sich viel Mühe geben, diese neuen Ideen zu erarbeiten. »Wir könnten diese Kolleginnen und Kollegen auch gut für die Erteilung von Unterricht einsetzen«, meint Matthias Schmid. »Die Kinder und Jugendlichen müssen auf die großen Herausforderungen unserer Zeit vorbereitet werden, dazu sind Lehrkräfte mit hoher Qualifikation und viel Leidenschaft notwendig.«

Eine kurzfristige Lösung für den Lehrermangel in den nächsten Jahren kann Schmid nicht bieten. Es gäbe seiner Meinung nach nur eine Möglichkeit: die neunte Jahrgangsstufe am bayerischen Gymnasium nicht wieder einzuführen. »Die acht Jahre hätten genauso funktioniert«, meint Schmid. Ihm ist aber klar, dass dieser Vorschlag zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr umsetzbar ist.

Also bleibe nur, mit den zur Verfügung stehenden Lehrkräften auszukommen. Auch das Potenzial an Quereinsteigern sei inzwischen erschöpft. »Man will ja allen gerecht werden und ein weiterhin qualitativ hochwertiges Bildungsangebot machen. Aber die Rahmenbedingungen werden schwieriger.« mix

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