Dass die Stadt Traunreut, die finanziell vor allem von der Industrie profitiert, unter einem strukturellen Defizit leidet, ist nicht erst seit der Corona-Krise bekannt. Nach Angaben der Kämmerei habe bereits 2019 ein überdurchschnittlich starker Einbruch bei der Gewerbesteuer dazu geführt, dass ein großer Teil der Rücklagen für die Deckung der laufenden Ausgaben im Verwaltungshaushalt aufgelöst werden musste. Erschwerend hinzu kommen jetzt noch nicht abschätzbare, wirtschaftliche Folgen der Corona-Pandemie, die die Hoffnung auf eine Erholung des Gewerbesteueraufkommens auf unabsehbare Zeit zunichte machen. Im gesamten Finanzplanungszeitraum sei nicht davon auszugehen, dass die Ergebnisse der letzten zehn Jahre auch nur annähernd erreicht werden.
Um das strukturelle Defizit abzufedern und die freiwilligen Leistungen an die finanzielle Leistungsfähigkeit der Stadt anzupassen, wurden im Rahmen von Finanzklausuren Einsparvorschläge ausgearbeitet. Nach Angaben der Kämmerei habe sich dabei aber sehr schnell herausgestellt, dass aufgrund der geschaffenen Strukturen Einsparungen in einer erheblichen Größenordnung nicht zu erreichen seien. Kostenträchtige Einrichtungen wie Bäder, das k1, die Musikschule oder die Bücherei erfordern eine entsprechende finanzielle Ausstattung. Daneben fährt die Stadt auch ein großzügiges Programm bei der finanziellen Unterstützung von Vereinen und Institutionen. Der Rotstift wurde unter anderem beim k1 angesetzt. Hier wurde der Veranstaltungsdefizit-Ausgleich von 300 000 auf 200 000 Euro abgesenkt.
Höhere Grundsteuern
Im Bereich der allgemeinen Finanzwirtschaft hat sich der Stadtrat mehrheitlich darauf verständigt, die seit über 25 Jahren unveränderten Hebesätze an den Landkreisdurchschnitt anzunähern. Die Auswirkung beträgt bei der Grundsteuer B mit einem Hebesatz von künftig 350 Prozent rund 160 000 Euro. Die Erhöhung der Grundsteuer A auf 320 Prozent, wirkt sich hingegen mit Mehreinnahmen von 4000 Euro nur gering aus. Bei der Gewerbesteuer soll der Hebesatz beibehalten bleiben.
Neben Anpassungen im Bereich der freiwilligen Leistungen für Vereine und Institutionen hatte sich das Gremium in den Klausuren auch darauf verständigt, für den geplanten Ausbau der Kantstraße keine zusätzlichen Mittel einzustellen. Wie es hieß, laufen aber die Planungen zum Ausbau der Straße unvermindert weiter. Verschoben wurde unter anderem auch die geplante Sanierung der Sanitäranlage im Traunreuter Waldfriedhof. Die weiteren Großprojekte, wie der Neubau der Grundschule Nord oder der Neubau der VHS mit Bücherei, sollen aber nach dem mehrheitlichen Willen des Stadtrats vorangetrieben werden.
Debatte überden Haushalt
»Macht es wirklich Sinn, eine neue Bücherei zu bauen und wie gehen wir mit dem k1 um?«, fragte FW-Fraktionsvorsitzender Konrad Unterstein. Der seit Jahren defizitäre Verwaltungshaushalt, der erneut auf Ausgleichszahlungen wegen der Corona-Krise vom Vermögenshaushalt angewiesen sei, sei bedrohlich für die Stadt. Letztlich sei die Stadt mit einem blauen Auge davon gekommen, weil die Ende 2020 geflossenen, staatlichen Ausgleichszahlungen in Höhe von rund 13 Millionen Euro höher als erwartet ausgefallen seien. Nach dem Dafürhalten der Freien Wähler sei es aber an der Zeit, im Haushalt strukturelle Veränderungen vorzunehmen, um nachhaltige Verbesserungen zu erzielen. »Diese können wir aber im Haushalt 2021 nicht erkennen und wir dürfen nicht so weitermachen wie bisher«, betonte Unterstein. Die Staatshilfen würden zwar Linderung verschaffen, aber vermutlich hole »uns das Finanzloch im kommenden Jahr wieder ein« – und das Jammern beginne von vorne. »Wir sollten die vorherrschende Krise als Chance sehen und unseren Haushalt aus gegebenem Anlass zukunftssicher machen und umstrukturiert neu aufstellen.«
Die Schieflage des Verwaltungshaushalts kritisierte auch die LiZ-Gruppe. Der große Wurf bei den Einsparungen sei uns nicht gelungen, sagte deren Sprecher Michael Mollner. Um langfristig handlungsfähig zu bleiben, müsste man ganz beherrscht starke Einschnitte vornehmen, forderte er. Auch die Grünen-Fraktion forderte, bei der Behebung des Defizits des Verwaltungshaushalts konsequenter zu sein. Um die Ausgaben laufender Investitionen zu senken, müsste in die Nachhaltigkeit investiert werden, sagte Fraktionssprecher Martin Czepan. Als Bespiele führte er an, in den Wohnungsleerstand zu investieren und neue Gebäude zukunftsfähig zu gestalten, um nicht nach 30 Jahren schon wieder neu bauen zu müssen. Aus Investitionsgründen bezüglich der geplanten Ostumfahrung von Traunreut, für die auch ein Betrag im Haushalt eingestellt wurde, lehnten die Grünen aber den Haushalt ab. Die Grünen sind gegen den Bau einer Osttangente.
Auch die Haushalt-Befürworter plädierten einhellig dafür, dass der Verwaltungshaushalt umstrukturiert werden müsse. Vor allem müssten die Personalkosten mittelfristig ins Auge gefasst werden, so der Tenor. Gleichzeitig habe die Stadt aber auch Zwänge bei den laufenden Großprojekten wie VHS/Bücherei oder Grundschule Nord, erklärte der CSU-Fraktionssprecher Bernhard Seitlinger. Es sei wichtig, die Planungen für die Grundschule Nord zügig abzuschließen und, sobald es die finanzielle Lage zulasse, mit dem Bau zu beginnen, so Seitlinger.
»Wir müssen im Verwaltungshaushalt unbedingt was tun«, forderte auch Sepp Winkler (Bürgerliste). Seiner Ansicht nach hätte neben den Grundsteuern auch die Gewerbesteuer erhöht werden sollen. »Schade, dass das nicht durchgegangen ist«, so Winkler. Vom Gegenteil ist SPD-Fraktionsvorsitzender Christian Stoib aufgrund der aktuellen Lage überzeugt: »Ich bin froh, dass die Gewerbesteuer nicht erhöht wird«, sagte Stoib. Er warnte auch davor, gerade in Zeiten wie diesen, bei den kulturellen Einrichtungen zu sparen.
Grundsätzlich »zufrieden« über den Haushalt äußerte sich Markus Schupfner von der Bayernpartei. Trotz des Finanzengpasses sei es wichtig, dass man weiterhin gestalte, so Schupfner. Zur geplanten Ostumfahrung regte er an, dass hier unbedingt eine Lösung für die Ortsdurchfahrt Traunwalchen gefunden werden müsse, bevor eine Entscheidung gefällt werde.
Der Sprecher der AfD, Oliver Krogloth, forderte, darüber abzustimmen, die Hebesätze bei den Steuern nicht anzuheben. »In Zeiten wie diesen sollten keine Sätze erhöht werden«, sagte Krogloth. Diesen Antrag wurde jedoch nicht entsprochen. Nach Angaben von Bürgermeister Hans-Peter Dangschat (CSU) sei der Antrag unzulässig, zumal darüber bereits abgestimmt worden sei. Auch die von Krogloth zusätzlich geforderte, namentliche Abstimmung, wäre nicht sachgerecht, sagte Dangschat.
Was die Ergebnisse der dreitätigen Klausur betrifft, lobte Dangschat die gute interfraktionelle Zusammenarbeit. »Die Klausur hat uns untereinander zusammengebracht«, sagte Dangschat. Es sei durchaus möglich, dass uns bei manchen Punkten der Mut verlassen habe. »Ich stimme dem Haushalt trotzdem zu, auch wenn er nicht so mutig ist, wie er sein könnte.«
ga