Eine Veranstaltung, deren Wiederauflage und Fortführung nicht zuletzt aus der Geschichte der Winter-Games eine besondere Bedeutung hat: Fanden die jüdischen Winterspiele doch bisher erst zweimal statt: 1933 und 1936, bevor anschließend Judenverfolgung, Holocaust und der Zweite Weltkrieg der internationalen jüdischen Sportveranstaltung zu einer über acht Jahrzehnte andauernden Unterbrechung führten und den internationalen Wettbewerben unter den Mitgliedern der jüdischen Sportvereine ein vorläufiges Ende setzten. Bis man vor einigen Jahren mit der Planung der Neuauflage der Winter-Games begann – und nun im Jahr 2023 in Ruhpolding endlich die dritten Spiele stattfinden können. Nicht umsonst war man sich deshalb vonseiten der Veranstalter einig, dass die Winter-Games in Ruhpolding ein Event mit historischer Bedeutung sind oder, wie es mehrfach vom Rednerpult hieß: »Wir schreiben heute Geschichte!«
Dabei wurden die rund 400 Anwesenden unter freiem Himmel bei rund fünf Grad über Null im Ruhpoldinger Kurpark auf eine längere Geduldsprobe gestellt und mussten fast eine knappe Stunde warten, bevor die Feier verspätet beginnen konnte. Waren doch einige Delegationen mit Verspätung in Oberbayern angekommen. Die Wartenden – darunter viele Spitzenfunktionäre aus dem Bereich des Sports, aber auch eine Reihe Mitglieder aus diversen Landtagen sowie des Bundestags – wurden dann aber mit einer imponierenden Show entschädigt.
Die gute Stimmung und Begeisterung steigerte sich schnell zu Beginn der Eröffnungsveranstaltung, als die rund 400 Sportler aus fünf Kontinenten einzogen und die Besucher mit ihrer Freude am Dabeisein schnell ansteckten. Einen Extra-Applaus gab es für die am weitesten gereiste Delegation aus Australien aus rund 16.000 Kilometern Entfernung mit dem Sportler Ethan Andrews-Zucker. Kein Halten gab es auch beim Einzug der vielen Sportler aus Israel. Die Delegation von Makkabi Deutschland verbreitete schon auf der Bühne Party-Stimmung pur. Besondere Beachtung und zum Teil »Standing Ovation« gab es auch für die Sportler aus der Ukraine, die stolz und dankbar ihre Nationalflagge in Blau und Gelb schwenkten und mit besonderer Herzlichkeit von den Anwesenden empfangen wurden, war ihre Teilnahme doch bis zuletzt unsicher.
Moderatorin Ilanit Spinner witzelte zum Auftakt vor dem Hintergrund des frühlingshaften Wetters in der an sich zu dieser Jahreszeit im Januar immer relativ schneesicheren Region wie die meisten Redner in englischer Sprache: »Sind das wirklich Winterspiele?« Alon Meyer, Präsident von Makkabi Deutschland, ging auf die lange Vorbereitungszeit der Winterspiele ein und würdigte die Unterstützer der Veranstaltung, die vielen Helfer sowie das hohe Engagement des Vizepräsidenten der jüdischen Sportvereinigung, Alfi Goldenberg. Dieser wies in seiner Rede darauf hin, dass man 87 Jahre auf die dritten Makkabi Winter-Games nach nun rund fünf Jahren Vorbereitungszeit warten musste. Er blickte zurück, als man 2015 die European Maccabi Games in Berlin durchführte – erstmalig nach der Shoah. Dennoch arbeitete man 2019 und 2020 mit kleineren Winterveranstaltungen auf die jetzigen Winter-Games hin, bevor weitere Aktivitäten durch die Corona-Pandemie gestoppt wurden.
Sportler messen sich in sechs Sportarten
Umso mehr freue man sich, dass man die Winter-Games nun zum dritten Mal in ihrer Geschichte in sechs Sportarten und 13 verschiedenen Disziplinen durchführen könne. Sportler messen sich in den Sportarten Alpin Ski, Skilanglauf, Biathlon, Snowboard, Eiskunstlauf, Snow-Volleyball und Eisstockschießen. Die Wettbewerbe finden sowohl für Amateure wie auch Profisportler statt.
Goldenberg wies darauf hin, dass es neben den Sportveranstaltungen ein umfangreiches Rahmenprogramm gebe und nannte neben einer Schabbatfeier auch eine »Israel-on-Ice-Party« (zum Teil nur mit Akkreditierung). Im Rahmenprogramm gehe man auf die historische Geschichte der Winter-Games genauso ein, wie auf das Massaker an jüdischen Sportlern bei den Olympischen Spielen 1972. Aber auch die Staatsgründung Israels, die sich am 14. Mai 1948 zum 75. Mal jährt, ist eines der Themen. »Die ersten Makkabi Deutschland Winter-Games sind ein Meilenstein in unserer Bewegung. Sie sind ein Meilenstein für ein farbenfrohes, junges und lebendiges jüdisches Leben in Deutschland, in Europa und der ganzen Welt«, schloss er seine Ausführungen.
Ruhpoldings erster Bürgermeister Justus Pfeifer rief in seinem Grußwort dazu auf, mit den Bürgern der Gemeinde ins Gespräch zu kommen und untereinander Kontakte zu schließen. Die Gäste sollten die herrliche Landschaft genießen und sich an der Gastfreundschaft der Menschen erfreuen. Ruhpolding freue sich, ein guter Gastgeber der Winter-Games zu sein, ergänzte er.

Mahmut Özdemir, Staatssekretär im Bundesministerium des Innern und für Heimat, wies auf die Bedeutung hin, die der Sport für die Menschen und die Gesellschaft hat und erteilte allen antisemitischen Strömungen im Land eine klare Absage: »Antisemitismus hat keinen Platz in Deutschland!« Er ermutigte die Veranstalter, die Makkabiade, die größte internationale jüdische Sportveranstaltung, 2027 nach Deutschland zu holen und stellte finanzielle Hilfe auf Bundesebene in Aussicht.
Dr. Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, sagte in seiner Eigenschaft als Schirmherr: »Ich bin stolz, dass hier in Ruhpolding an diese lange, zurückreichende Initiative angeknüpft wird«, und ergänzte: Die Winter-Games seien »pure Leidenschaft, Wettbewerb aber auch Gemeinschaft«. Die Kombination sei wertvoll für die jüdische Kultur und finde sich in dieser Zusammensetzung wahrscheinlich nur im Sport wieder. »Die Winter-Games sind ein Aushängeschild für das jüdische Leben in Deutschland.«
Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde für München und Oberbayern (IKG) sagte in ihrem Grußwort ebenfalls: »Wir schreiben heute Geschichte!« Sie betonte, dass jüdische Traditionen eine hohe Bestandskraft in der Geschichte des jüdischen Volkes hätten. »Fast keine Tradition brach ab – mit Ausnahme der Makkabi Winter-Games.« Jüdische Winterspiele fanden nur zweimal statt und wurden von den Nationalsozialisten nach den Spielen 1933 in Polen und 1936 in der damaligen Tschechoslowakei verboten. Ein dunkler Schatten liege auf den Olympischen Spielen von 1936, was auch für die Spiele von 1972 in München gelte. »Bei aller Freude: Das vergessen wir nie, daran denken wir auch in diesen Stunden!« Heute gebe man den Makkabi Winter-Games ihren Platz in der Sportwelt zurück. »Wir freuen uns heute, Teil dieses besonderen Moments zu sein«, so die IKG-Präsidentin. Man setze heute einen weiteren, großartigen Baustein für jüdisches Leben in Europa. Sie bedankte sich für das große Engagement der Ausrichtergemeinde Ruhpolding und würdige insbesondere die Zusammenarbeit mit erstem Bürgermeister Justus Pfeifer: »Sie sind einfach spitze!« Für die Sportler und die jüdische Gemeinschaft sei dies heute ein großer Tag.
Dr. Dagmar Gavornikova, Präsidentin der Europäischen Maccabi Confederation, würdigte das Engagement aller Beteiligten: »Sie haben das möglich gemacht!« Die Präsidentin hoffe, dass die Winterspiele Tradition werden und künftig regelmäßig stattfinden.
Video-Grußbotschaft von Olaf Scholz
In getrennten Video-Grußbotschaften zeigten sich Bundeskanzler Olaf Scholz und Außenministerin Annalena Baerbock über die Winter-Games in Ruhpolding sehr erfreut. »Teamgeist, Toleranz und Fairplay: Nirgends wird das mehr gelebt als im Sport. Darum sind Wettkämpfe wie die Makkabi Deutschland Winter-Games auch der beste Schutz gegen Ausgrenzung und Vorurteile, gegen Antisemitismus und Rassismus im Sport, in unserer Gesellschaft«, so der Kanzler. Die Außenministerin betonte: »Die Makkabi Winter-Games sind mehr als nur Sport. Wir feiern jüdische Kultur und Identität.«
Die Eröffnungsveranstaltung wurde von einer Reihe künstlerischer Einlagen sowie Tanz- und Musikeinlagen, Feuer- und Lichtshows untermalt. Herausragend war auch eine visuelle Darstellung der Winter-Games, in denen eine gestalterische Brücke der bisherigen Veranstaltungen aus den Jahren 1933 über 1936 zu 2023 geschaffen wurde.
Nicht fehlen durfte bei der gelungenen Eröffnungsfeier – ganz im Stil der Olympischen Spiele – natürlich das Feuer, das ein Mensch im Eisbärenfell nach einigen Versuchen und Hilfestellung erfolgreich anzündete. Ehe es für die Sportler dann mit Bussen in ihre Hotelzimmer ging, stand noch das gemeinsame Singen der Hatikva, der israelischen Nationalhymne, auf dem Programm. Danach wurde im Kurpark bei heißen Rhythmen ausgelassen getanzt. So mancher Sportler war da aber schon im Wettkampfmodus für die seit gestern stattfindenden Wettkämpfe.
awi