Bildtext einblenden
Die Glasharmonika. (Foto: Janoschka)
Bildtext einblenden
Lisette Oropesa als Miss Lucia und Dirigent Daniele Rustioni bei der konzertanten Aufführung im Großen Festspielhaus in Salzburg. (Foto: Marco Borelli/Festspiele)

Wahnsinnskonzert mit der »Wahnsinnsarie«

Die einmalige Festpiel-Aufführung von »Lucia di Lammermoor« von Gaetano Donizetti als konzertante Opernaufführung mit dem Thema der Liebenden aus zwei verfeindeten Familien im Großen Festspielhaus in Salzburg war ein Wahnsinnskonzert, nicht nur wegen der 20-minütigen sogenannten »Wahnsinnsarie« der Lucia im dritten Akt.


Ein Spitzenorchester, ein ebensolcher Dirigent und Solisten mit Erfahrungen auf den größten Bühnen der Welt, die ihren Part so wunderbar gestalteten und in jeder Stimmlage die Intonation im Griff hatten, ließen regelrecht wiederholte Stürme der Begeisterung durch den Konzertsaal toben.

Daniele Rustoni hatte als Dirigent des Mozarteumorchesters Salzburg und des Philharmonia Chors Wien (Einstudierung Walter Zeh) die musikalische Leitung inne und fühlte sich empathisch in den Atem der Musik seiner Solisten ein, das Orchester zurücknehmend, wenn notwendig, aber auch vor Energie auf dem Pult hüpfend, sodass er wie ein Fechter oder gar ein Torero mit geöffnetem Frack in den Ausfallschritt sprang. Liebe, Eifersucht, Verzweiflung und Tod sind in dieser Oper in wunderbare Melodien verpackt – nur Trommel- und Paukenschläge oder manches Rezitativ, etwa der Vertrauten Alisa, kündigen mit dramatischen Lautmalereien Unheilvolles an.

40 Sänger und knapp 30 Sängerinnen gehörten dem kommentierenden Chor mit Klangqualität und -disziplin an. Für Lisette Oropesas strahlenden Sopran und ihre Verkörperung der Lucia drücken Superlative kaum aus, was sie gesanglich und mimisch mit selten gehörter Virtuosität geleistet hat, denn sie schlüpfte voll und ganz in diese Rolle. Lucia verliert ihren Verstand und wird wahnsinnig, da sie ihrem Geliebten Sir Edgardo di Ravenswood (Benjamin Bernheim als ebenbürtiger Tenor mit ebensolchen Qualitäten) ihrem Bruder Lord Enrico Ashton zuliebe entsagen muss, um Lord Arturo Bucklaw (Riccardo della Sciucca, Tenor) zu heiraten.

Ihr Solopart ist gespickt mit langen Koloraturen in den höchsten Lagen, und ihr gelang alles mit Leichtigkeit und Hingabe an ihre musikalische Aufgabe. Selbst der für Halluzinierende typische Blick begleitete ihre Arie. Auch die Arien von Ludovic Tézier (Lord Enrico Ashton) mit seinem klangvollen Bariton waren mitreißend, ebenso wie diejenigen des Basses Roberto Tagliavini, der als Raimondo Bidebent den Erzieher und (etwas zweischneidigen) Vertrauten von Lucia spielte. Deren weibliche Vertraute Alisa (Mezzosopranistin Ann-Kathrin Niemczyk) und Normanno, der Hauptmann der Soldaten von Ravenswood (Seungwoo Simon Yang) sind Teilnehmer des Young Singers Project und lieferten ebenso Hervorragendes ab.

Eine Besonderheit war der Klang der Glasharmonika, hervorgezaubert von Christa Schönfeldinger, die die Wahnsinnsarie zum Teil solistisch begleitete. Zur Tonerzeugung berührte die Musikerin die Glockenränder von ineinander geschobenen, unterschiedlich großen und rotierenden Glasglocken mit angefeuchteten Fingern. Standing Ovations, Jubel und Freude!

Nachzuhören ist das Konzert am 24. September auf Ö1.

Brigitte Janoschka