Nicht nur der Rechtsmediziner, Dr. Fritz Priemer aus Wonneberg, sondern auch die ermittelnden Beamten der Kripo Traunstein zeigten sich im Zeugenstand noch immer erschüttert von dem Fall und seinen brutalen Details. Der 42-Jährige hatte unangemeldet und alkoholisiert am 30. Oktober 2019 gegen 3 Uhr nachts an die Zimmertür seiner schlafenden Freundin gehämmert, die am Abend zuvor mit ihrem Chef ausgegangen war.
Als ihm die Frau erklärte, sie wolle ihn jetzt nicht sehen, schlug ihr der Italiener mehrfach mit der flachen Hand ins Gesicht. Er beleidigte die 41-Jährige mit »Hure« und »Schlampe«, versetzte ihr einen Kopfstoß, packte sie an den Haaren, schlug ihren Kopf an die Wand, würgte sie mehrmals und schüttelte sie.
Die Frau lehnte seine Forderung, ihn oral zu befriedigen, ab. Dann drang er in heftiger Weise mit seiner Hand in ihren After ein. Bei den weiteren Manipulationen erlitt die Frau schwerste Verletzungen und schrie vor Schmerzen. Sie verlor mindestens einen Liter Blut.
Lebensgefahr durch Würgen und Verbluten
Der rechtsmedizinische Gutachter attestierte später eine Vielzahl von Zeichen stumpfer Gewalteinwirkungen, insbesondere im Bereich des Unterleibs, aber auch an Händen und Beinen sowie im Kopfbereich. Der Sachverständige fand zudem Würgemale sowie Punktblutungen in den Augen. In seinem Gutachten bescheinigte Dr. Priemer abstrakte Lebensgefahr – sowohl durch das Würgen als auch durch die Schläge sowie durch Verbluten.
Als der Angeklagte in jener Nacht sah, was er angerichtet hatte, wollte er die Freundin bewegen, in ein Krankenhaus zu gehen. Das wollte sie jedoch nicht – weil es ihr »peinlich« war, wie sie im Zeugenstand sagte. Sie musste damals acht Tage stationär in der Klinik bleiben. Wie es ihr heute gehe, wollte der Vorsitzende Richter Dr. Jürgen Zenkel wissen. Körperlich sei alles verheilt, schilderte die 41-Jährige. Sie leide noch unter Schlafstörungen. Auf psychologische Behandlung habe sie verzichtet, wolle sie doch auch heute nicht mit jemand über das Geschehene reden – weil sie sich schäme.
Staatsanwältin Helena Speicher sprach im Plädoyer auf sechseinhalb Jahre Freiheitsstrafe von einem »Albtraum für die Geschädigte«. Die Ermittler hätten »ein Blutbad« geschildert. Dem Angeklagten sei die Gefährlichkeit seines Handelns bewusst gewesen. Der 42-Jährige könne sich die Tat angeblich nicht erklären. Sein Geständnis habe der Zeugin eine nochmalige, äußerst belastende Aussage erspart. Die Gutachten und sonstigen Beweise wie Lichtbilder stützten den Sachverhalt der Anklage.
Einen minderschweren Fall verneinte die Staatsanwältin – auch, weil die Tat in der Wohnung des Opfers, »einem geschützten Bereich, in dem man sich sicher fühlen können sollte«, stattgefunden habe. Strafmildernd wirkten das Geständnis, das straffreie Vorleben, die alkoholbedingte Enthemmung des 42-Jährigen. Er habe sich, wenn auch spät, entschuldigt. Zu Lasten seien die Beleidigungen zu werten, die Verletzungsfolgen: »Die Tat hat die Frau massivst mitgenommen und bedrückt sie noch heute.« Sechseinhalb Jahre Gefängnis seien angemessen, eine Unterbringung abzulehnen.
»Das Wichtigste ist das Geständnis«
Zum gleichen Ergebnis kam Verteidiger Jürgen Pirkenseer aus Piding, der fünfeinhalb Jahre Haft für ausreichend hielt. Laut Gutachter sei sein Mandant zwar alkoholisiert gewesen. Doch liege keine Minderung der Steuerungsfähigkeit vor. Zu Lasten gingen »ganz klar das brutale Vorgehen und die Verletzungsfolgen«: »Es war ein Glücksfall, dass das Opfer nicht gestorben ist.« Zwar überschatte der Tathergang alles, argumentierte der Verteidiger. Strafmildernd seien dennoch die alkoholbedingte Enthemmung, die Eifersucht und das Nachtatverhalten seines Mandanten zu sehen: »Er hat versucht, die Geschädigte dazu zu bringen, ins Krankenhaus zu gehen. Sie hat widersprochen. Beide waren über Stunden zusammen im Zimmer. Er hat sich um die Geschädigte gekümmert.«
Der Angeklagte könne seine Tat selbst nicht nachvollziehen und beabsichtige, sie mit psychologischer Unterstützung aufzuarbeiten, und das Alkoholproblem angehen. Der Anwalt hob weiter heraus: »Das Wichtigste ist aber das Geständnis. Es hat dem Gericht eine umfangreiche Beweisaufnahme, im Hauptpunkt aber der Geschädigten eine nochmalige Aussage erspart.«
Im Urteil merkte Richter Zenkel an, der 30. Oktober 2019 habe sich für die Geschädigte zu einem Albtraum entwickelt – durch die »unangebrachte Eifersucht und die absolut unangebrachte Bestrafung ohne Anlass«. Sie sei »menschenverachtend« behandelt worden. »Sie haben ein Blutbad angerichtet und Ihre Freundin in eine aussichtslose Situation gebracht – alles nur, weil Sie sich etwas eingebildet haben. Es war Ihr Glück, dass die Frau überlebt hat. Wir wünschen ihr, dass sie vielleicht doch noch ärztliche Hilfe in Anspruch nimmt.« kd