1896: Traunstein. Vierzehn Jahre spukt die Bahnfrage in unserer Presse: hie Trauntal, hie Achental. Beide Bewerber haben Vorteile erreicht, die Linien Übersee–Marquartstein und Traunstein–Ruhpolding. Jede hat als Sackbahn ihre Berechtigung, was ihre Rentabilität beweist. Aufrichtig gestanden, wäre es nicht um den Anschluß nach Tirol, so wäre wenig oder gar nichts darüber in die Zeitung geschrieben worden.
Schwieriger ist jetzt die Lage für den Anschluß in Ruhpolding geworden. Während früher für die Bahn Traunstein–Ruhpolding–Reit im Winkl ganz Ruhpolding mit Ausnahme des Boten petitionierte, fürchten jetzt die Ruhpoldinger die Fortsetzung. Das ist ein verhängnisvoller Irrtum, wo der einzelne oder die einzelne Gemeinde glaubt, dem Interesse des großen Ganzen sich ungestraft widersetzen zu dürfen; hieße es einmal Kufstein–Übersee, so wäre es dann zu spät, um jemals wieder diesen Fehler gut machen zu können.
Ruhpolding kann nicht verlieren durch die Fortsetzung, es kann nur gewinnen, wenn von 2 Seiten die Fremden hinströmen und die Verkehrsverbindung nach 2 Seiten geschaffen ist. Man findet wahrscheinlich an allen Endstationen, heißen sie Marquartstein oder Trostberg, dieselbe Ansicht, daß sie lieber Endstation bleiben als Fortsetzung zu haben. Auch hier in Traunstein hat einmal ein Bürger, sei es im Scherz oder im Ernst, geäußert, ihm wäre es lieber, wenn die Bahn bloß bis Traunstein ginge und nicht bis Salzburg! Mit demselben Recht hätten auch die Siegsdorfer oder die Eisenärzter denselben selbstsüchtigen Grundsatz aufstellen können, wo wären dann die Ruhpoldinger mit ihrer Bahnstation geblieben?
Auch die Reit im Winkler haben ein Recht auf Anschluß und sie wollen ihn nach Ruhpolding und Traunstein. (...) Eins von beiden wird den Anschluß erhalten: Marquartstein oder Ruhpolding. (...) Die Bahn Kufstein–Kössen kommt bald, und wenn Reit im Winkl den Anschluß nach Ruhpolding nicht erhält, wird es in Kössen verfrachten. Gelingt es der Bahngesellschaft Kufstein–Kössen den Anschluß nach Bayern durchs Achental zu erreichen, dann ist Reit im Winkl für ewige Zeit aus dem Verkehr geworfen und Ruhpolding kann mit Muße beobachten, wo mehr Handel, Verkehr und Verdienst ist, da oder im Achental, wo die durchgehende Bahn ist.