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Das war am 22. September 1922 zu lesen

Reit im Winkl. Es ist doch etwas recht schönes, wenn sich Leute auf etwas recht lange freuen dürfen.


Dazu ist uns Bewohnern von Reit im Winkl reichlich Gelegenheit geboten durch den Bau der Kleinbahn. Man bezeichnet sie als »Kleinbahn«, während man sie nach der Zeit, die auf ihren Bau bereits verwendet wurde, als eine der großartigsten Bahnen Europas betrachten möchte. Im Herbst 1919 in Angriff genommen, ist sie jetzt nach drei Jahren von ihrer Vollendung noch weit entfernt.

Wir wären jetzt doch begierig zu erfahren, wozu denn eigentlich an dem Bau dieser Bahn gearbeitet wird, ob gebaut wird, damit die Bahn doch auch wirklich einmal fertig wird und wir damit fahren können, oder ob nur gebaut wird, damit die Arbeiter usw. auf unabsehbare Zeit einen ausgezeichneten Verdienst, wir dagegen das Nachsehen haben. Zu letzterer Ansicht möchte man nämlich neigen, wenn man beobachten muß, wie ein Stück der bereits gebauten Strecke nach dem anderen wieder aufgerissen resp. weggesprengt und wieder von neuem zu bauen angefangen wird.

Wenn man ein Haus baut, reißt man auch nicht die erste Hälfte wieder ein, wenn die zweite fertig ist. Wenn allerdings gewöhnliche Postkarten zur Beförderung von Marquartstein nach Reit im Winkl drei Tage brauchen, ist es auch kein Wunder, wenn eine »Kleinbahn« nach drei Jahren nicht fertig ist. Das ganze ist ein getreues Spiegelbild unserer jetzigen Wirtschaft, die man nur bewundern, aber nicht tadeln darf.