Nach den jüngsten Drohnensichtungen in Europa und am Münchner Flughafen hat Bayern im Eilverfahren ein Gesetz für mehr Befugnisse der Polizei zum Abschuss solcher Flugsysteme auf den Weg gebracht. Das Vorhaben sieht auch eine flächendeckende neue Ausstattung mit Waffen vor.
»Keine Ängstlichkeit, kein Abwarten, aber dafür Konsequenz. Abschießen statt Abwarten muss im Endeffekt die Konsequenz lauten«, sagte Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Das Kabinett beschloss dafür eine Erweiterung des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes. Bis diese final vom Landtag beschlossen werden kann, wird es aber noch einige Zeit dauern.
Warum reagiert Bayern so schnell mit einer Gesetzesinitiative?
»Die Gefahrenlage hat sich einfach verändert, und zwar in ganz Europa, nicht nur in Bayern«, sagte Söder. Auch wenn die Herkunft der Drohnen bisher offiziell nicht bekannt ist, vermutet Söder wie auch Kanzler Friedrich Merz (CDU) Russland hinter den Aktionen. Er sprach in dem Kontext von einer »Form der psychologischen Kriegsführung«, da neben möglicher »Spionage, vielleicht irgendwann Sabotage, auf jeden Fall tiefe Verunsicherung« die Ziele seien.
Die Novelle ist aus Sicht von Söder und Innenminister Joachim Herrmann (CSU) notwendig, weil insbesondere der Abschuss von Drohnen für die Polizei bisher sowohl rechtlich heikel als auch technisch schwierig ist. Zugleich reagierte die Staatsregierung mit ihrer Initiative auf Verunsicherung in der Bevölkerung.
Wegen der Drohnensichtungen mussten am vergangenen Wochenende viele Flüge gestrichen werden, Tausende Passagiere strandeten deswegen unfreiwillig in der Landeshauptstadt. Auch über einer Bundeswehr-Einrichtung nahe dem Flughafen wurde eine Drohne gesichtet.
Wer entscheidet, ob eine Drohne abgeschossen werden soll?
Laut Herrmann ist das Vorgehen gegen eine Drohne erst einmal ein normaler Einsatz für die Polizei: Je brenzliger die Situation sei, desto mehr liege die Verantwortung bei den einzelnen Einsatzführern und dann auch dem einzelnen Beamten. Dies werde man auch hier nicht anders organisieren können. »Das ist die große Herausforderung für alle meine Kolleginnen und Kollegen der Polizei, fast jeden Tag.«
Welche rechtlichen Probleme gibt es?
Bei Söder klingt es seit Tagen so, als sollten künftig alle illegalen Drohnen direkt und möglichst schnell abgeschossen werden: »Der Schutz der Bevölkerung, der Schutz der Infrastruktur und der Schutz unseres Territoriums hat absolute Priorität.« Im Gesetz ist dies aber nur als ultima ratio vorgesehen, als letzte Möglichkeit.
Ein Abschuss muss verhältnismäßig sein - der Nutzen muss größer sein als das Risiko, etwa einen Kollateralschaden zu verursachen. In der Praxis müsse weiterhin jeder Abschuss einer Drohne auf einer strengen Einzelfall- und Gefahrenabwägung beruhen, sagt die Expertin vom Center for Intelligence and Security Studies (CISS) der Universität der Bundeswehr in München, Verena Jackson. Dies sei schwierig, weil am nächtlichen Himmel eine schnelle Beurteilung, etwa ob es sich um eine militärische Drohne handelt, oft erschwert sei. »Solche Merkmale sind jedoch oft nur durch Fachleute oder mit Aufklärungssystemen zu erkennen und nicht durch bloße Sichtbeobachtung.«
Welche Polizeieinheit soll künftig für Drohnenabwehr zuständig sein?
Laut Herrmann soll im Freistaat eine flächendeckende Struktur geschaffen werden, bei der Polizeieinheiten mit entsprechender Technik ausgestattet werden sollen, um illegale Drohnen im Notfall auch abschießen zu können. Zuständig für die Drohnenabwehr soll die Bereitschaftspolizei sein, derzeit umfasst die Einheit rund 8.000 Beschäftigte an 16 Standorten.
Bayerns Polizei soll zudem am sogenannten Defense Lab Erding ein Drohnenkompetenz- und -abwehrzentrum einrichten. Ziel sind kooperative und koordinierte Maßnahmen - etwa mit der für Flughäfen zuständigen Bundespolizei oder der Bundeswehr im Falle von Drohnen in hohen Flughöhen - bei technischer Entwicklung und im operativen Geschehen.
Welche Technik soll die Polizei dafür erhalten?
»Dass wir aufrüsten werden, steht definitiv fest«, betonte Söder. Herrmann erklärte aber wiederholt, Details dazu nicht öffentlich »breittreten« zu wollen, da der Gegner nicht wissen solle, »was wir können und was wir nicht können«. Klar sei aber, dass die Ausstattung deutlich besser werden solle, um in einer ganzen Breite handlungsfähig zu sein.
Dies sieht auch vor, Drohnen zu bewaffnen, was bisher nicht zulässig ist. Aktuell hat Bayerns Polizei rund 140 Drohnen im Einsatz. Diese werden zur Luftüberwachung mit Kameras etwa im Grenzgebiet eingesetzt.
Zur Standardausstattung der Polizei dürften künftig aber auch sogenannte Jammer gehören. Diese Geräte senden Hochfrequenzsignale aus, um die Kontrolle der Drohne zu stören oder vollständig zu blockieren.
Zur Abwehr von Drohnen gibt es auch spezielle Fangnetze, die sich in den Rotoren verfangen sollen, Hermann sprach auch davon, Drohnen durch einen gezielten Zusammenstoß vom Himmel zu holen.
Ab wann dürfte die neue Drohnenabwehr einsatzbereit sein?
Das ist noch offen. Herrmann hofft, dass das Gesetz noch in diesem Jahr vom Landtag beschlossen werden kann. Bis wann dann die notwendigen Schulungen für die Polizisten erfolgen, die Einheiten gebildet und vor allem die Technik verfügbar ist, steht aber auf einem anderen Blatt.
Um dem Eindruck der Wehrlosigkeit entgegenzuwirken, betonte Herrmann, dass die Landespolizei im Prinzip jetzt schon mit Mitteldistanzgewehren auf die Drohnen schießen könne. Das werde die Polizei auch machen.
Woher kommt das Geld für die Ausstattung und das Personal?
Konkrete Summen sieht der Gesetzesentwurf zunächst nicht vor. In den anstehenden Haushaltsverhandlungen muss geschaut werden, woher das Geld für die Drohnenabwehr kommen soll. Bayerns Haushaltslage ist wegen der Wirtschaftsflaute und dem Einbruch der Steuereinnahmen bereits angespannt.
In Bayern gilt zudem ein Moratorium zur Schaffung neuer staatlicher Stellen – also auch bei der Polizei. Sofern das weiter gelten soll, müsste das Personal aus dem Bestand kommen. Die Polizei schiebt aber schon jetzt jedes Jahr gigantische Überstundenberge vor sich her. Dem Vernehmen nach könnte alleine der Kauf der Technik mehr als 45 Millionen Euro kosten.
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