Critical Mass (übersetzt: kritische Masse) nennt sich diese Bewegung, für die sich am letzten Freitag im Monat immer mehr Radfahrer in inzwischen über 40 Städten in Deutschland auf den Sattel schwingen. Der Begriff ist aus der Kernphysik bekannt. Von einer kritischen Masse spricht man, wenn genügend spaltbares Material vorhanden ist, um eine Kettenreaktion auszulösen. Und eine Kettenreaktion wollen auch die Radfahrer auslösen. In vielen Städten ist dies schon gelungen: Allein im Mai fuhren laut Angaben der Bewegung von Aachen bis Zwickau 11 000 Radfahrer mit.
Traunstein steht da noch ganz am Anfang – und Aufmerksamkeit hat die kleine Gruppe am Freitagabend sicher noch keine erregt. Die Bewegung und der Termin müssten sich erst herumsprechen, sind die Fahrradbegeisterten aus dem Stadtpark zuversichtlich. Sie hoffen, dass es in Traunstein – wie in anderen Städten auch – von Monat zu Monat mehr werden. Denn erst dann fallen sie auf, erst dann können sie ihr Ziel erreichen.
Bei den gemeinsamen Ausfahrten nutzen die Radler nämlich einen Paragraphen der Straßenverkehrsordnung, demzufolge mehr als 15 Radfahrer mit derselben Strecke einen sogenannten Verband bilden. Sie dürfen dann statt auf dem Radweg zu zweit nebeneinander auf der Straße fahren, eine ganze Spur einnehmen. Ihren Anfang nahm die Bewegung 1992 in San Francisco. Die Critical Mass ist nicht organisiert, es gibt keinen Veranstalter und dennoch feste Termine und Treffpunkte. Informiert wird über soziale Netzwerke und Mund-zu-Mund-Propaganda.
Neben den Zielen, auf die Radfahrer als gleichberechtigte Verkehrsteilnehmer aufmerksam zu machen, mehr Rücksicht, weniger Lärm und Abgase zu fordern, geht und ging es den Radlern in Traunstein um den Spaß am gemeinsamen Radfahren. »Das ist keine Demo gegen Autos, sondern eine gemeinsame Ausfahrt von Radlern, ein Treffen von Fahrradbegeisterten«, beschrieb dies Bernhard Gerl, der mit Frau und Kindern an der Aktion teilnahm. Zugleich gehe es auch um Aufmerksamkeit, denn »man merkt schon, dass viele Radfahrer in Traunstein unzufrieden sind und zum Teil sogar angst haben beim Radfahren«. Und Ralph Joerger findet, in einer radfahrerfreundlichen Stadt sollten die Radler Vorfahrt haben vor den Autofahrern, »zumindest aber gleichberechtigt sein«. ka