Hümmer hatte dazu einen Antrag im Stadtrat eingereicht, der vor drei Wochen in nicht-öffentlicher Sitzung behandelt worden war. Er habe sich im Vorfeld die Frage gestellt: »Was schenkt man einer Institution, die 170 Jahre alt wird?«. Selbstverständlich hätte man einen Geschenkkorb überreichen können, doch dann sei ihm diese Idee gekommen. »Im Stadtrat wurde das äußerst positiv aufgefasst«, betonte der Rathauschef. Künftig heißt also die neue Anschrift des Traunsteiner Tagblatts Anton-Miller-Platz. »Das betrifft nur dieses eine Gebäude. Wir wollten nicht, dass auch die Nachbarn ihre Adresse ändern müssen«, so Hümmer, der am Festabend ein täuschend echt aussehendes Straßenschild an Verleger Thomas Miller überreichte.
Auf die Frage, was für ihn persönlich »170 Jahre Traunsteiner Tagblatt« bedeuten, sagte der 43-Jährige im Gespräch mit unserer Redaktion: »Am bedeutendsten finde ich eigentlich, welche Zeiten durchgemacht und überstanden wurden – von der Monarchie über die Diktatur bis heute.« Über einen Zeitraum von 170 Jahren zu bestehen, funktioniere nur, wenn man mit der Zeit gehe. »Ansonsten wäre man längst nicht mehr auf dem Markt«, sagte Hümmer. Das sei dem Traunsteiner Tagblatt in beeindruckender Weise gelungen.
Anton Miller hat am 1. Juli 1855 die erste Zeitung in Traunstein herausgebracht – damals noch das Traunsteiner Wochenblatt, das alle sieben Tage immer sonntags erschien. Der aus Burghausen stammende Lithograph ist der Ur-, Ur-, Urgroßvater des Redaktionsleiters Martin Miller und seines Zwillingsbruders, Verleger Thomas Miller.
»Wir schauen heute zurück auf 170 erfolgreiche Jahre und blicken gleichzeitig positiv nach vorne«, betonte der 63-Jährige beim Festabend am Freitag (ein ausführlicher Bericht folgt). Trotz aller Schwierigkeiten im heiß umkämpften Medienmarkt sieht Verleger Thomas Miller durchaus Chancen für regionale Tageszeitungen und damit auch für das Traunsteiner Tagblatt. »Die ausführlich recherchierten Beiträge sind und bleiben die Stärke der Lokalzeitung. Was heute im Blatt steht, kann der Leser oftmals selbst nachprüfen – handelt es sich doch um Geschehnisse in seinem direkten Umfeld«, betonte Thomas Miller.
»Als Oberbürgermeister von Traunstein erfüllt es mich natürlich auch mit Stolz, dass es der Familie Miller gelungen ist, durch all die Stürme, Krisen, Kriege und politischen Verwerfungen hindurch die Eigenständigkeit und den Fortbestand des Verlags in ihrer Heimatstadt Traunstein zu sichern«, sagte Rathauschef Dr. Christian Hümmer. Das Traunsteiner Tagblatt versorge seine Leser fast täglich (außer sonntags) »mit relevanten Informationen aus Lokalem, Sport, Wirtschaft und Kultur aus der Region«.
Die Bayerische Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber betonte in der Klosterkirche vor über 150 geladenen Gästen, dass gerade regionale Zeitungen wie das Traunsteiner Tagblatt dafür sorgen würden, »dass der gesellschaftliche Kompass nicht verrutscht«.
Anlässlich des Jubiläums hatten sich einige Mitarbeiter auch zusammengetan und ein kleines Theaterstück einstudiert: »Vom Schreiben zum Drucken« aus der Feder von Albert Rosenegger. Der Einakter erzählt in unterhaltsamer Art die Entwicklung von der Zeit, als Texte noch von Mönchen in Schreibstuben verfasst wurden und weiter über die Entwicklung der Druckkunst dank der Erfindungen von Johannes Gutenberg und Alois Senefelder bis hin in die Moderne mit Computer und Künstlicher Intelligenz, der die menschliche Intelligenz trotz aller Tücken vorzuziehen ist. KR