Das Gemeindeoberhaupt machte nun seinerseits am Montagabend im Gemeinderat deutlich, dass er voll und ganz zu seinen Ausführungen stehe. Leikert habe in seiner Rede die »unerhörte Behauptung« aufgestellt, dass in Siegsdorf viel zu wenig geschehen würde.
In der Haushaltsdebatte hatte Leikert ausgeführt, dass die Gemeinde Rücklagen verschwende, weil sie in Zeiten hoher Inflation zu wenig proaktiv investiere. Sie habe einen großen Investitionsstau verursacht. Unter anderem kritisierte Leikert auch Bauamtsleiterin Monika Daburger. Kamm erwiderte, er könne nicht akzeptieren, wenn mit »Halbwahrheiten« argumentiert werde. Und persönliche Angriffe seien ein »unmöglicher Stil« (wir berichteten).
In den Tagen nach der Sitzung schrieb Leikert im Namen der CSU-Fraktion an Kamm. Er forderte ihn auf, zu den »angeblichen Halbwahrheiten« in Leikerts Haushaltsrede Stellung zu nehmen. Die CSU-Gemeinderäte seien »sehr bestürzt und enttäuscht« über Kamms »polemische, unsachliche Äußerungen.« Bürgermeister Kamm brachte die Angelegenheit in den Gemeinderat. Eine Stellungnahme von ihm setzte er auf die Tagesordnung für die Sitzung am Montag. Überaus viele Bürger fanden sich alsdann im Saal im Rathaus ein, um die Diskussion zu verfolgen. Alle Plätze waren belegt.
Zu Beginn der Sitzung stellte Leikert einen Antrag auf die Geschäftsordnung: Er schlug vor, die Stellungnahme von Bürgermeister Kamm zur Haushaltsdebatte von der Tagesordnung zu streichen. Die CSU-Fraktion wolle das Thema abhaken. Mehrfach habe sie sich an den Bürgermeister gewandt und ihn um ein persönliches Gespräch gebeten, aber keine Antwort bekommen. Für den Antrag von Leikert stimmten am Ende dann aber lediglich die drei CSU-Gemeinderäte – das Thema blieb auf der Tagesordnung.
Angriff war»unterste Schublade«
Die Anfrage der CSU-Fraktion bewertete Bürgermeister Kamm, wie er ausführte, »in ihrer Formulierung als auch Intention als unbegründet«. Wie man von der Reaktion der Gemeinderatsmitglieder und einem Großteil der anwesenden Bürger nach seinem Statement zur Haushaltsrede des Fraktionsvorsitzenden Dr. Leikert ableiten könne, stehe er mit seinen Äußerungen und den darin enthaltenen Bewertungen wohl nicht alleine. Bestätigung gefunden habe er sich in der Bewertung, dass Leikert zwar austeilen, aber nicht einstecken kann.
Die Ausführungen, die der CSU-Fraktionsvorsitzende in der Haushaltssitzung insbesondere zur Bauamtsleiterin gemacht habe, hätten ihn, wie Kamm erläuterte, »persönlich sehr betroffen gemacht« und ihn »in eine Tonart fallen lassen, die ich 16 Jahre lang nicht gebraucht habe«. Mit der Bloßstellung der langjährigen und hochqualifizierten Mitarbeiterin Monika Daburger habe Leikert in die »unterste Schublade« gegriffen. Die Worte von Leikert seien – in einer Sitzung, da er, Kamm, geplant hatte, sie nach über 30 Jahren Gemeindezugehörigkeit offiziell zu verabschieden – »anmaßend« gewesen. Mit dem Aufbau der Erhebung der Zweitwohnungssteuer in der Gemeinde, unzähligen Bauleitverfahren für große und kleinere Projekte und dem Service am Bürger in der Bauberatung habe sich Monika Daburger verdient gemacht. Sie habe einen weit überdurchschnittlichen Einsatz für die Verwaltung im Rathaus gezeigt – »und dafür gilt es, unseren Dank auszusprechen und nicht sie zu disqualifizieren.«
Kamm nannte, wie er ausführte, einige wenige, aber wichtige Fakten zu seiner Feststellung, dass die Haushaltsrede des CSU-Fraktionsvorsitzenden Halbwahrheiten enthalte – Halbwahrheiten, die die Gemeinde, den Gemeinderat, die Verwaltung und den Bürgermeister in der Öffentlichkeit dann in ein wenig vorteilhaftes Licht gerückt hätten. Im Gesamtkontext der Rede des Fraktionssprechers entstehe für den Zuhörer und den Leser der Eindruck, in der Gemeinde Siegsdorf wäre in den letzten Jahren durch den Gemeinderat, die Verwaltung und den Bürgermeister viel zu wenig in Angriff genommen oder umgesetzt worden. »Das ist so nicht korrekt«, betonte Kamm. Der Bürgermeister verwies auf die Bilanz der Vermögenshaushalte der letzten zehn Jahre. Investitionen in einer Höhe von 90 Millionen Euro seien, so Kamm, »nicht zu wenig und schon gar nicht 'nichts'«.
Den Eindruck, dass viel zu wenig bewegt wird, den Bürgern zu vermitteln, sei gegenüber den ehrenamtlich tätigen Gemeinderäten der vergangenen Legislaturperioden, die diese Projekte, Investitionen und Gemeindeentwicklung in einem konstruktiven Miteinander gestaltet haben, eine »unerhörte Behauptung«. Kamm: »Natürlich kann man anmahnen, noch mehr Projekte anzugehen, dazu fehlen aber, wie hinlänglich bekannt, entsprechende Fachkräfte.« Im Fall der Gemeinde Siegsdorf komme noch hinzu, dass die Räumlichkeiten im Rathaus für mehr Personal noch geschaffen werden mussten – »und daran arbeiten wir bereits seit drei Jahren«.
Kamm machte keinen Hehl daraus, dass er in den zwei, drei Wochen nach der Haushaltsdebatte »die Schnauze voll gehabt« habe. »Es ist traurig, dass es in unserem Gemeinderat so weit gekommen ist, so darf es aber nicht weitergehen«, betonte er. »Wenn wir die Gemeinde vorwärts bringen wollen, was unser aller Aufgabe ist, dann müssen wir einen deutlich respektvolleren Umgang mit den anderen und derer Meinungen an den Tag legen. Ich werde meinen Teil dazu beitragen und das fordere ich auch von allen Räten ein.«
Eine»ganz normale Rede«
Leikert bekräftigte seine Kritik, die er in der Haushaltsdebatte geäußert hatte. Wenn die Schule oder auch die Gehwege nicht mehr so gut in Schuss seien, dann müsse man so etwas in einer Demokratie ansprechen dürfen. Er könne nicht verstehen, dass nun so viel geschimpft wird. Von vielen anderen habe er bestätigt bekommen, dass sein Beitrag zur Haushaltsdebatte eine »ganz normale Rede« gewesen sei. Leikert: »Wir müssen doch nicht alle immer einer Meinung sein.« Nötig sei, »konstruktiv miteinander zu diskutieren«. Und der CSU-Fraktionsvorsitzende meinte auch: Monika Daburger habe er »nicht persönlich angreifen« wollen. Der CSU-Fraktion gehe es »allein um die Sache« und damit darum, sich proaktiv zu zeigen.
Ludwig Geisreiter (UW) sagte, dass die CSU-Fraktion in den vergangenen Jahren den Berichterstatter aus dem Gemeinderat schon oft in Frage gestellt habe – und dass sie ihn nun auch wieder kritisiere. Franz Krammer sei ein »sehr kompetenter Berichterstatter, der sachlich über die Sitzungen informiere. Genau so, wie er die Haushaltsdebatte in der Zeitung dargestellt habe, habe sie sich auch ereignet. Geisreiter sagte, dass er voll und ganz hinter der Berichterstattung durch Franz Krammer stehe. Er regte an, dass der Gemeinderat ihm sein Vertrauen ausspricht – eine Abstimmung, die Bürgermeister Kamm dann auch zuließ. Das Ergebnis: Bis auf die drei Gemeinderäte der CSU stellten sich alle Mitglieder des Gremiums hinter Franz Krammer und seine Berichterstattung. Geisreiter äußerte die persönliche Meinung, dass ihn der zunehmende Populismus beunruhige – und dass in Sachen gefährlicher Beeinflussung der Massen Parallelen auf der großen Bühne in Deutschland und der kleinen in Siegsdorf zu erkennen seien.
Auch Bernhard Kübler (SPD) kritisierte die Ausführungen, die Leikert in der Haushaltsdebatte gemacht hatte. »Der Ton macht die Musik«, sagte Kübler. Und er meinte, dass sich Leikert im Ton vergriffen habe.
Dr. Christian Gerhart (Bürger für Siegsdorf) hoffte, dass der neue Bauamtsleiter Franz Biermaier Neutralität walten lasse und alle gleichermaßen informiere. Bürgermeister Kamm entgegnete, er vertraue Biermaier zu hundert Prozent, dass er sich für das Wohl der Gemeinde Siegsdorf einsetzt. pü