Frau mit Smartphone
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Notruf wählen! Wer Zeuge einer Straftat wird, sollte umgehend Hilfe holen. Foto: Jens Kalaene/DPA
Ein Hauptkommissar macht sich Notizen
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Am besten frisch: Wer seine Erinnerungen direkt nach einem Tatgeschehen der Polizei schildern kann, läuft weniger Gefahr, sich zu vertun. Foto: Lino Mirgeler/DPA
Rettungsdienst untersucht bewustlosen Mann
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Können Sie Erste Hilfe leisten? Dann kann es mitunter sinnvoll, das zunächst zu tun, ehe Sie den Notruf wählen. Foto: Benjamin Nolte/DPA
Ein Mann telefoniert
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Wie war das noch gleich? Wer sich nach einiger Zeit an einen Tathergang erinnern möchte, hat es ohne Notizen in der Regel schwer. Foto: Christin Klose/DPA

Straftat beobachtet? So verhalten sich Zeugen richtig

Freiburg/Stuttgart (dpa/tmn) - Zeugen sind für die Polizei nach Straftaten von entscheidender Bedeutung - aber nur, wenn sie Details richtig erinnern und sich zu erkennen geben. Wie sich Beobachter im Ernstfall richtig verhalten.


Fahrerflucht, Sachbeschädigung, Körperverletzung: Wer Zeuge solcher oder anderer Straftaten wird, steht womöglich selbst zunächst unter Schock. Wichtig ist aber, einen kühlen Kopf zu bewahren - und die richtigen Schritte in die Wege zu leiten. Was zu tun ist:

Schritt 1: Die eigene Sicherheit gewährleisten

Beim Einschreiten in eine verdächtige oder gefährliche Situation hat eine Sache oberste Priorität: die eigene Sicherheit. »Wenn Sie sich selbst in Gefahr begeben, nutzen Sie dem Opfer weder in der konkreten Situation noch später als Zeuge«, sagt Rechtsanwalt Christian Rode, Mitglied des Geschäftsführenden Ausschusses der Arbeitsgemeinschaft Strafrecht im Deutschen Anwaltverein. Denn verletzt ist man im schlimmsten Fall womöglich nicht mehr dazu in der Lage, Hilfe zu verständigen. Darum wichtig: Die Situation genau analysieren.

Brennt etwa ein Haus, sei es viel cleverer, sofort die Feuerwehr zu rufen, als sich selbst als Laie hineinzubegeben. Wird jemand tätlich angegriffen, ist es oft sinnvoll, bei allen eingeleiteten Hilfsmaßnahmen auf Distanz zum Täter zu bleiben, um sich nicht selbst einem Risiko auszusetzen.

Schritt 2: Notruf wählen oder anderweitig Hilfe holen

Leisten Sie im Rahmen Ihrer Möglichkeiten Hilfe. Wählen Sie etwa die 110 für den Notruf der Polizei und die 112 für den Notruf von Feuerwehr und Rettungsdienst. Beantworten Sie am Hörer alle wichtigen W-Fragen: 

  • Wer meldet den Vorfall?
  • Wo passiert etwas?
  • Was passiert?
  • Wie viele Menschen sind betroffen?
  • Warten Sie Rückfragen ab.

Werden Sie Zeuge einer Handgreiflichkeit, kann es zudem helfen, laut zu sprechen, um den Täter einzuschüchtern oder von seiner Tat abzuhalten, rät die Aktion-tu-was der Polizeilichen Kriminalprävention der Länder und des Bundes auf ihrer Webseite. Duzen Sie den Täter dabei nicht, um auf Außenstehende nicht den Eindruck einer reinen Privatangelegenheit zu erwecken, und provozieren Sie diesen auch nicht.

Sprechen Sie weitere Menschen gezielt an - etwa so: »Sie, der Herr mit der blauen Jacke, helfen Sie mir bitte.« Wer mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs ist, kann sich auch an das Personal oder den Zugführer wenden. In vielen Wagen gibt es neben der Türe eine direkte Sprechverbindung zum Fahrer. 

Wer nicht im Rahmen der eigenen Möglichkeiten hilft, kann sich der unterlassenen Hilfeleistung schuldig machen. Das kann mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder einer Geldstrafe belegt werden.

Schritt 3: Opfer versorgen

Erste Hilfe rettet Leben. Wer das also beherrscht, kann selbst Hand am Opfer anlegen, es etwa bis zum Eintreffen der Rettungskräfte in die stabile Seitenlage bewegen. Ansonsten, so die Aktion tu was, kann es sinnvoll sein, andere Menschen anzusprechen und um deren Hilfe zu bitten.

Achtung: Je nach Lage und eigenen Fähigkeiten kann der dritte Schritt auch vor dem zweiten erfolgen. »Da gibt's keine Allgemeingültigkeit«, sagt Christian Rode.

Schritt 4: Tätermerkmale und Tatgeschehen einprägen

»Oft sind es vermeintliche Nebensächlichkeiten, die am Ende den Ausschlag geben, dass ein Verbrechen aufgeklärt und der Täter überführt werden kann«, so die Aktion-tu-was. Darum kann es wichtig sein, sich jedes noch so kleine Detail zum Tatgeschehen und Tätern gut einzuprägen.

  • Was ist also genau passiert?
  • Wohin ist der Täter oder die Täterin geflohen?
  • Wie groß war er oder sie?
  • Welche Haarfarbe hatte er?
  • Wie war sie gekleidet?
  • Gab es irgendwelche Besonderheiten?
  • Welches Kennzeichen hatte das Fluchtauto? 

All das kann später für die Polizei entscheidend sein.

Rechtsanwalt Rode empfiehlt Zeuginnen und Zeugen, den Tatort nach Möglichkeit auch fotografisch zu erfassen, um objektive Beweismittel zu schaffen. Aber Achtung: Gibt es verletzte oder tote Opfer, dürfen diese nicht darauf zu sehen sein.

Empfehlenswert ist es auch, sämtliche Erinnerungen und Beobachtungen so schnell wie möglich irgendwo niederzuschreiben, rät Christian Rode - zum Beispiel in der Notiz-App des Smartphones. Das hilft, um bei der späteren Wiedergabe so nah wie möglich an den Tatsachen zu bleiben und sich bei all der Aufregung nicht zu täuschen.

Schritt 5: Sich als Zeuge zu erkennen geben

Sobald die Polizei eintrifft, sollten sich Zeuginnen und Zeugen zu erkennen geben und ihre Personalien aufnehmen lassen. Und zwar auch bei vermeintlichen Kleinigkeiten, zum Beispiel wenn jemand beleidigt oder angespuckt wurde. »Was später daraus wird, ist zweitrangig«, sagt Rode. Das erleichtere der Polizei aber ungemein die Arbeit, weil diese im Nachgang keine mühsamen Zeugenaufrufe starten müsse.

Wer selbst nicht bis zum Eintreffen der Polizei in der Nähe des Geschehens bleiben kann, sollte dem Opfer oder jemandem, der sicher vor Ort bleibt, alternativ die Personalien hinterlassen, rät der Fachanwalt für Strafrecht.

Schritt 6: Frühe erste Vernehmung mit frischer Erinnerung herbeiführen

»Der Zeuge ist das schwächste Beweismittel«, sagt Rechtsanwalt Rode. Das liege daran, dass Zeugen ihre eigene Erinnerung mit jedem Mal wieder überschreiben, in denen sie das Erlebte irgendwo wiedergeben - zum Beispiel im Freundes- oder Familienkreis.

Damit eben das nicht passiert, sei es besser, die frische Erinnerung so schnell wie möglich bei der Polizei zu Protokoll zu geben, rät Rode. »Die Chance, dass bei der ersten Erzählung noch die echte Erinnerung da ist, ist deutlich größer.« Dabei hat man den Termin für die Zeugenaussage in der Regel nicht in der eigenen Hand. Hierfür könnten die eigenen Notizen wieder sinnvoll sein. 

Gut zu wissen: Scheuen Sie sich nicht, nach der Vernehmung noch einmal bei der Polizei anzurufen und Informationen nachzureichen, die Sie unter Umständen vergessen haben, zu Protokoll zu geben. »Sagen Sie nicht aus Scheu: Jetzt ist es vorbei. Wenn es wichtig gewesen wäre, hätte der Beamte schon danach gefragt«, so Christian Rode. »Was am Ende wichtig ist, kann nämlich noch gar niemand wissen.« Möglicherweise hat der Polizist auch einfach die falschen Fragen gestellt.

Schritt 7: Bei der gerichtlichen Vernehmung nur von aktuellen Erinnerungen berichten

Oft finden Gerichtsverhandlungen erst ein oder zwei Jahre nach einem Vorfall statt. In der Zwischenzeit haben Zeuginnen und Zeugen haufenweise andere Dinge erlebt, die Geschehnisse der Straftat sind längst nicht mehr so präsent. Vor Gericht können sie sich so in ungewollte Widersprüche zu ihrer ursprünglichen Aussage verstricken, die geschickte Verteidiger dankend annehmen.

Christian Rodes Empfehlung daher: ganz klar offenlegen, dass man sich nicht mehr erinnern kann, wenn dem so ist. »Das ist überhaupt nicht schlimm, zu sagen.« Besser sei es in so einem Fall, auf das Vernehmungsprotokoll oder die eigenen Notizen von damals zu verweisen. Dann könne man etwa sagen, dass man sich zumindest daran erinnert, dass man seinerzeit alles umgehend und sorgfältig aufgeschrieben habe, dass das darum seine Richtigkeit haben müsste.

Schritt 8: Eigenen Anwalt konsultieren, falls man als Zeuge gleichzeitig Opfer oder Tatbeteiligter ist

Wer als Zeuge gleichzeitig Geschädigter oder Tatbeteiligter ist, hat vor Gericht bestimmte Rechte. Geschädigte können sich etwa als Nebenkläger der Klage anschließen und zum Beispiel Schmerzensgeld fordern. Tatbeteiligte haben ein partielles Schweigerecht. Um die konkreten Möglichkeiten und deren Inanspruchnahme abzuwägen, sollten Betroffene einen Fachanwalt hinzuziehen. So lassen sich zum einen fundierte Entscheidungen treffen. Zum andere lassen sich manche Rechte überhaupt nur mit anwaltlichem Beistand durchsetzen.

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