Sprecher der Erzdiözese: Gutachten beantwortet Frage nicht, ob auch Missbrauchsfälle in der Region aktenkundig sind
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Das Gutachten zu Fällen von sexuellem Missbrauch im Erzbistum München und Freising sorgt für Diskussionen auch in den Landkreisen Traunstein und Berchtesgadener Land.

Sprecher der Erzdiözese: Gutachten beantwortet Frage nicht, ob auch Missbrauchsfälle in der Region aktenkundig sind

Nach der Veröffentlichung des Missbrauchsgutachtens für die Erzdiözese München-Freising bleibt offen, ob auch in den Landkreisen Traunstein und Berchtesgadener Land in der Vergangenheit Fälle sexualisierter Gewalt aufgetreten sind und Eingang in die Akten gefunden haben.


»Hierzu lässt sich auf der Grundlage der Informationen, die der Erzdiözese München und Freising vorliegen, keine Aussage treffen«, berichtete Hendrik Steffens von der Stabsstelle Kommunikation des erzbischöflichen Ordinariats München auf Anfrage des Traunsteiner Tagblatts. »Wie im Gutachten ersichtlich ist, wurde darin keine Darstellung der Hinweise auf Missbrauchsfälle bezogen auf bestimmte Regionen vorgenommen.«

Mit ihrem Gutachten »Sexueller Missbrauch Minderjähriger und erwachsener Schutzbefohlener durch Kleriker sowie hauptamtliche Bedienstete im Bereich der Erzdiözese München und Freising von 1945 bis 2019« hat die Rechtsanwaltskanzlei Westphal Spiler Wastl in München für ein Erdbeben in der katholischen Kirche gesorgt. Von rund 500 Missbrauchsfällen ist die Rede. Hohe Wellen schlägt die Diskussion auch in den Landkreisen Traunstein und Berchtesgadener Land. Im Brennpunkt steht auch die Frage, ob von Priestern in dieser Region sexualisierte Gewalt ausgegangen ist.

Steffens berichtet, dass die katholische Kirche bereits vor der Erstellung des neuen externen Gutachtens Hinweisen nachgegangen sei. So habe die Erzdiözese nach dem Bekanntwerden von Vorwürfen physischer und psychischer Gewalt und Missbrauchs im Studienseminar St. Michael in Traunstein bis Mitte der 1980er Jahre ehemaligen Seminaristen ein Gesprächsforum angeboten. »In diesem Rahmen sind Betroffene aufgerufen worden, sich an die unabhängigen Missbrauchsbeauftragten – heute unabhängige Ansprechpersonen – der Erzdiözese zu wenden. Diese gehen jedem Hinweis auf sexuelle Gewalt nach, auch Vorwürfen körperlicher oder psychischer Gewalt wird vonseiten der jeweils Zuständigen nachgegangen.«

Der Hinweis eines Betroffenen aus dem Jahr 2016, der auch den Anlass für die Einrichtung des damaligen Gesprächsforums gegeben habe, habe sich auf »Vorwürfe körperlicher und psychischer Gewalt im Studienseminar« bezogen. Bevor die Hinweise jedoch konkretisiert worden seien und auf ihre Plausibilität hin hätten eingeschätzt werden können, habe der Betroffene selbst den Kontakt mit den Missbrauchsbeauftragten der Erzdiözese abgebrochen. Und Steffens weiter: »Hinweise auf sexuellen Missbrauch gab es gegenüber den unabhängigen Missbrauchsbeauftragten/ Ansprechpersonen davor und danach nicht.«

Unterlagen aus Traunstein ausgewertet

Die Erzdiözese hatte den Gutachtern »im Hinblick auf mögliche Hinweise auf Missbrauchs(verdachts)fälle und deren Sachbehandlung« unter anderem auch Unterlagen zur Verfügung gestellt, die das Erzbischöfliche Studienseminar Traunstein betreffen. Was die Auswertung ergeben hat, bleibt offen. »Die Gutachter hatten Einblick in sämtliche Personalakten der Erzdiözese München und Freising, also auch solche, die das Personal aus dem Bereich Traunstein/Berchtesgadener Land sowie das Studienseminar betreffen«, sagt Steffens. Ebenso seien der mit dem Gutachten beauftragten Kanzlei »sämtliche Akten über Meldungen von Verdachtsfällen – bei Hinweisen auf Grenzüberschreitungen wie auf sexuellen Missbrauch – vollständig übergeben« worden. Die Auswertungsergebnisse der Kanzlei, wie sie der Erzdiözese München und Freising vorliegen, fänden sich in dem am 20. Januar veröffentlichten Gutachten, berichtet Steffens, ohne weitere Einzelheiten zu nennen.

Die Gutachter hatten unter anderem auch Geschädigte und Pfarrangehörige gebeten, Auskunft zu geben. Die Frage, ob sie dann mit Geschädigten und Pfarrangehörigen in den Landkreisen Traunstein und Berchtesgadener Land gesprochen haben, kann Steffens nicht beantworten. »Dazu ist uns nichts bekannt.«

Auch von der Kanzlei Westphal Spiler Wastl sind keine weiteren Informationen zu bekommen. Eine Anfrage des Traunsteiner Tagblatts, ob die Rechtsanwälte Kenntnis von Missbrauchsfällen insbesondere in den Landkreisen Traunstein und Berchtesgadener Land bekommen haben, ist bis zum Freitag unbeantwortet geblieben.