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Mitwirkende der Fachtagung (v.l.): Maxi Wiesbacher (Vorstand KJR BGL), Tanja Kosmaier (Kommunale Jugendpflegerin, Landratsamt BGL), Dr. Heiko Tammena (Referent für Kommunale Jugendarbeit und Jugendarbeit in Gemeinden beim BJR), Elisabeth Neumeier und Hannah Rochart (beide im Vorstand KJR BGL). (Foto: K. Kleinert)

»Nicht für und über junge Menschen sprechen, sondern mit ihnen«

Freilassing – Zum ersten Mal fand im Berchtesgadener Land eine Frühjahrstagung der Jugendbeauftragten statt. Eingeladen zu der Abendveranstaltung hatte das Landratsamt in das Space in Freilassing. Im Mittelpunkt standen die Rolle der Jugendbeauftragten und ihr Aufgabenfeld in den Gemeinden sowie Möglichkeiten, sie zu unterstützen. Dr. Heiko Tammena vom Bayerischen Jugendring (BJR) informierte in seinem Vortrag ausführlich über die Thematik und lieferte vielfältige Anregungen.


Die Kommunale Jugendpflegerin des Landkreises, Tanja Kosmaier, begrüßte an die 20 Teilnehmende, die auf unterschiedliche Weise mit der Jugendarbeit im Landkreis befasst sind. Die Dipl.-Pädagogin verantwortet den Fachbereich 11 »Jugendarbeit, Prävention und Familienförderung«, wie das Jugendamt im Landratsamt offiziell heißt. Sie freue sich, dass die für vergangenes Jahr geplante Fachtagung nun stattfinden kann. Gekommen waren 5 der 15 ehrenamtlichen Jugendreferenten, die aus den Reihen des Stadt- beziehungsweise Gemeinderats gewählt werden. Mit dabei auch ehrenamtliche Vorstandsmitglieder des Kreisjugendrings (KJR) Berchtesgadener Land und Akteure, die hauptamtlich in den Gemeinden in der Jugendarbeit tätig sind.

Zur Einstimmung zeigte Onur Bakis vom Freilassinger Verein Doyobe, quasi der »Hausherr« des Space, einen Film. Dieser wurde anlässlich eines Projekts des Vereins gedreht, bei dem es darum ging, die Lehrer-Schüler-Beziehung zu stärken. Zu sehen waren fröhliche, unbeschwert tanzende Dritt- und Viertklässler der Grundschule, die konzentriert bei der Sache waren und immer wieder selbst zu Wort kommen durften. Auf die Frage, wie sie die Aktion finden, sagten mehrere spontan: »Das macht Spaß, da kann ich alles rauslassen, ohne dass mir jemand sagt, was ich tun muss.«

»Toll, was sich in den letzten Jahren alles entwickelt hat«, befand Landrat Bernhard Kern in einem kurzen Grußwort nicht nur hinsichtlich dieses Vereins, sondern ganz generell in den 15 Landkreiskommunen. Er unterstrich die Wichtigkeit der Jugendarbeit in diesen, wie er sagte, sehr bewegten Zeiten und dankte allen, die im Berchtesgadener Land hinter der Jugend stehen und sich kümmern.

Nun folgte die gut einstündige Präsentation von Dr. Heiko Tammena, der seit Kurzem beim BJR in München für die Jugendarbeit in den Gemeinden zuständig ist. Davor war er mehr als zehn Jahre bei der Landesstelle der Katholischen Landjugend Bayerns (KLJB) als Referent für Öffentlichkeitsarbeit und politische Arbeit tätig.

Soziale Bindungan die Heimat

Als Einstieg bezog sich der Referent auf eine bei der KLJB von 2016 bis 2020 erhobene Studie mit dem Titel »Stadt. Land. Wo? Was die Jugend treibt«, bei der 600 junge Menschen aus 15 Kommunen in Niederbayern und der Oberpfalz befragt worden waren, warum sie ihre Gemeinde verlassen, warum sie bleiben oder warum sie zurückgekehrt sind. Als zentrales Ergebnis sei herausgekommen, dass die Jugend sehr gerne auf dem Land lebt, bleibt und wieder zurückkommt. Aber nicht irgendwo auf dem Land, sondern »dahoam«, in ihrem Dorf. Gründe dafür seien die starke Bindung an die Familie und ihr ehrenamtliches Engagement.

Es gehe also um die soziale Bindung an die Heimat, die viel stärker sei als harte Standortfaktoren wie Arbeitsplätze oder Baugrundstücke, erklärte der Sozial- und Politikwissenschaftler. Laut dieser Studie sei die Jugend mit fast allem zufrieden gewesen, außer – wenig überraschend – mit dem Öffentlichen Personennahverkehr und den Möglichkeiten, sich in ihren Gemeinden zu beteiligen. Kritisch sahen es die jungen Leute auch, dass es wenig Diversität gebe und dass diejenigen, die anders sind, es schwer haben auf dem Land. Daher, betonte der Referent, müsse es mehr Platz geben für bunte, kreative junge Menschen.

Weil die Jugendarbeit laut bayerischem Sozialgesetzbuch eine Pflichtaufgabe der Gemeinden ist, sei die Botschaft klar, so Tammena. Jugendpolitik auf dem Land sei kein »Bitte, Bitte«-Thema, sondern vielmehr ein »Zukunfts- und Chancen-Thema« und zudem ein wirksames Mittel für eine stabile Demokratie. Neben den gut ausgebildeten pädagogischen Fachkräften würden dabei die Jugendbeauftragten eine wichtige Rolle einnehmen, weil sie »mittendrin« und gut vernetzt mit Vereinen, Jugendverbänden, dem Kreisjugendring, Gemeinderat und diversen Jugendinitiativen seien. Auch sie könnten es den Jugendlichen ermöglichen, mitzuwirken. Um Synergieeffekte zu nutzen, könnte man, so sein Tipp, nach der Kommunalwahl im nächsten Jahr, gemeindliche Kooperationen eingehen. Der Landkreis Passau sei hier als gutes Beispiel zu nennen.

Apropos Kommunalwahl und was die Politik bis dahin konkret tun kann, um junge Menschen zu beteiligen. Zuerst gelte es, keine Angst zu haben, das Gespräch zu suchen und zuzuhören. Und dies bei möglichst vielen unterschiedlichen Gelegenheiten. Fragen an junge Menschen wie: Was braucht ihr? Was liebt ihr und was fehlt euch? Was erwartet ihr vom Gemeinderat und vom Kreistag? müssten gestellt werden.

Digitale Jugendplattform ist gute Idee

Die Idee im Berchtesgadener Land mit der digitalen Jugendplattform »BGL360grad« finde er gut, sagte der Referent, wenngleich jede Gemeinde und deren Jugendbeauftragter auch eigene Ideen entwickeln sollten. Denn in jeder Gemeinde seien die Voraussetzungen etwas anders, zum Beispiel, wo sich die »coolen Orte« befinden, wo sich die Jugend trifft, welche Unterstützungsmöglichkeiten es gibt oder was bisher noch fehlt, wie zum Beispiel ein Jugendraum.

Nach der Analyse, was sich in den letzten Jahren verändert hat, gelte es Pläne zu erstellen und ins Handeln zu kommen, etwa mit einer Jugendbefragung. Denn, so das Fazit von Heiko Tammena, die Verantwortlichen sollten nicht nur für und über die jungen Menschen sprechen, sondern vor allem mit ihnen.

Den jungen Menschen etwas zutrauen

In der anschließenden Gesprächsrunde nutzten die Tagungsteilnehmer ausgiebig die Möglichkeit, dem Referenten Fragen zu stellen sowie sich über ihre Erfahrungen auszutauschen und über neue Projekte zu berichten. Hannah Rochart vom KJR-Vorstand verwies zum Beispiel auf die »Demokratie-Module« des Kreisjugendrings. Sie erklärte, dass sich diese Module für die politische Bildung von Kindern ab acht Jahren eignen und nach Absprache von Vereinen, Jugendtreffs und Schulen beim KJR ausgeliehen werden könnten.

Ein schönes Schlusswort fand Tanja Kosmaier. Alle an der Jugendarbeit Beteiligten sollten die Jugendlichen mit kleinen Schritten einladen, gemeinsam mit ihnen Ideen zu entwickeln und Prozesse zielgerichtet zu begleiten. »Man muss die jungen Menschen machen lassen, ihnen etwas zutrauen und sich darauf verlassen, dass sie etwas können.« Wie der »Berchtesgadener Anzeiger« auf Nachfrage erfuhr, ist die nächste Tagung der Jugendbeauftragten nach der Kommunalwahl im nächsten Jahr geplant. Dann vermutlich mit einigen neuen Gesichtern, so die Kommunale Jugendpflegerin.

Karin Kleinert