Bis zum Jahresende sei man gut durch die Krise gekommen, erklärte dazu Stefanie Tanner vom Landhaus Tanner in Waging am See. Im letzten Sommer lag die Auslastung sogar bei 98 Prozent.
Durch den Neubau vor zwei Jahren habe das Unternehmen ab Januar aber keine Überbrückungshilfe mehr beantragen können und musste um Aufnahme in den Härtefallfonds kämpfen. Eine neue Öffnungsstrategie müsse auch Lockerungen für Geimpfte und Schnelltests berücksichtigen, »sonst sind wir im Sommer immer noch im Lockdown«.
Für »wenig praktikabel« hielt es Tanner dagegen, zunächst nur die Außengastronomie zu öffnen, weil sich das Hochfahren des gesamten Betriebs samt Mitarbeitern für wenige Außentische nicht lohne.
»Bei vielen von uns brennt die Hütte«
»Wir sind bei den Hilfsprogrammen komplett durchs Raster gefallen, bei vielen von uns brennt die Hütte«, kritisierte Thomas Reitmaier, Vorsitzender der Anbietergemeinschaft »Urlaub auf dem Bauernhof Chiemgau«.
Es sei völlig unverständlich, dass aktuell über Urlaub auf Mallorca diskutiert werde, während die Anbieter abgeschlossener, privater Ferienwohnungen ein Höchstmaß an Hygienesicherheit bieten könnten, aber nicht vermieten dürften. Viele Stammgäste hätten bereits angefragt. Nach acht Monaten Schließung drücke viele die Schuldenlast infolge hoher Investitionen.
Das Wegbrechen vieler privater Kleinvermieter infolge fehlender Überbrückungshilfen befürchtete auch Bartl Wimmer. Der Vorsitzende der Tourismusregion Berchtesgaden-Königssee verwies auf die jährliche Wertschöpfung von 340 Millionen Euro durch rund 2000 selbstständige Betriebe.
90 Prozent davon könnten keine Hilfsgelder beantragen. Dazu käme die fehlende Öffnungsperspektive. »Seit dem Lockdown am 20. Oktober liegen die Nerven blank und die Akzeptanz der Maßnahmen geht stark verloren.«
»Ich habe mir inzwischen selbst einen 450-Euro-Job gesucht«, berichtete Claudia Gschwendtner. Sie betreibt in Trostberg das Café »Schöne Helene« mit drei Angestellten. Bis Dezember habe man noch mit vielen Verkaufsideen ums Überleben gekämpft, seit Januar »geht gar nichts mehr«. Sie kritisierte auch den »Riesenbürokratieaufwand« für die Hilfsanträge.
Ob er nach Berichten von überfüllten Parkplätzen in Unterwössen auch für den Chiemgau die Gefahr einer Tourismusflut mit notwendiger Besucherlenkung wie in anderen Voralpenregionen sehe, wollte Gisela Sengl von Stephan Semmelmayr wissen.
»Weil wir uns über Touristen freuen«
Der Geschäftsführer des Tourismusverbands Chiemgau verwies auf Apps und Künstliche Intelligenz zur Lenkung von Besuchern, »am besten dahin, wo sie ihr Geld ausgeben«. Allenfalls an einzelnen Punkten, wie am Badestrand in Übersee, sei der Andrang hoch. Ansonsten benutze man Begriffe wie Overtourism oder Gästeüberlastung bewusst nicht, »weil wir uns über Touristen freuen«.
In der Diskussion machte sich Sepp Hohlweger aus Ruhpolding für eine bessere Bewerbung von regionalen Nahverkehrsangeboten für Ausflügler stark, um den Druck auf die Parkplätze zu entlasten.
Thomas Reitmaier plädierte dafür, private Ferienwohnungen während der Pandemie als »Zweitwohnung« vermieten zu dürfen, um finanziell über die Runden zu kommen.
Bartl Wimmer mahnte zu konsequenterem Impfen und warnte vor dem falschen Glauben an Schnelltests als »Allheilmittel«. »Wer glaubt, dass die Rettung des Tourismus in der Schnellteststrategie liegt, ist auf dem Holzweg.« Gerade bei hohem Besucheraufkommen sei der dafür benötigte Zeitaufwand zu berücksichtigen.
Einig waren sich die Diskussionsteilnehmer, dass so schnell wie möglich eine übergreifende Öffnungsstrategie für Tourismus und Gastronomie entwickelt und umgesetzt müsse. »Auf Pfingsten zu hoffen, wäre fatal, weil dann endgültig die Finanzen aufgebraucht und die Arbeitskräfte weg sind«, wurde von mehreren Seiten betont. eff