»Wer hofft, dass damit auch Schnitzel, Gulaschsuppe, Kaiserschmarrn & Co. billiger werden, der hat die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Gastronomen werden viele fadenscheinige Gründe finden, warum sie die 12 Prozent dringend brauchen – und zwar für den Betrieb, für sich selbst«, so Halbmeier. »Hohe Energiekosten« seien dabei das »Standard-Totschlag-Argument« der Branche. Und die Lohnkosten: »Wirte und Restaurantchefs werden garantiert mit dem Mindestlohn argumentieren. Der steigt nämlich ausgerechnet zum 1. Januar auf 13,90 Euro – also um 1 Euro und 8 Cent pro Stunde. Dabei ist das gerade einmal die Hälfte von dem, was ein Wirt schon an einem einzigen Schnitzel zusätzlich verdient, wenn die Steuersenkung kommt«, sagt der Gewerkschafter.
Ganz abgesehen davon, dass Manuel Halbmeier vom niedrigen Mindestlohn in der Branche ohnehin nichts wissen will: »Wirklich fair ist nur der Tariflohn. An den sollten sich die Gastronomen im Berchtesgadener Land halten. Spätestens dann, wenn die Wirte die Steuersenkung im Januar nicht an die Gäste weitergeben, können sie sich nicht mehr herausreden: Dann ist nämlich genug Geld für einen Lohnzuschlag da – für den Koch genauso wie für die Kellnerin.«
Die NGG Rosenheim-Oberbayern appelliert schon jetzt an die Gäste von Hotels, Restaurants und Gaststätten im Berchtesgadener Land, sich die Preise für einzelne Gerichte genau zu merken. »Was das Lieblingsgericht kostet, weiß jeder. Aber auch ein Foto von der Speisekarte ist natürlich ideal, um dem Wirt oder Restaurant-Chef im Januar auf den Zahn zu fühlen, wenn die Preise dann noch genauso hoch sind wie heute«, sagt Manuel Halbmeier.
Er rät Gästen, dann »gezielt und offensiv nachzuhaken, wie viel vom Mehrwertsteuer-Geschenk beim Personal in der Küche und im Service angekommen ist«. Die entscheidende Frage dabei sei: »Wo sind die 12 Prozent geblieben?«, so Halbmeier. Das sei schließlich erlaubt und vor allem in den Restaurants angebracht, die »auch sonst ständig die Preise nach oben schrauben«.
Der NGG-Geschäftsführer setzt damit auf »moralischen Gastro-Druck«: »Nur, wenn die Gäste höflich, aber hartnäckig und vor allem systematisch beim Restaurantbesuch nachfragen, besteht wenigstens die Chance, aus der Mehrwertsteuersenkung keinen 100-Prozent-Mitnahmeeffekt für Wirte zu machen.« Vor allem sollten sich die Gäste dabei auch nach einem Lohn-Plus für die Beschäftigten erkundigen.
Gelegenheiten für den »Gastro-Steuer-Check« gebe es schließlich mehr als genug: Im Berchtesgadener Land bieten knapp 270 gastronomische Betriebe, in denen rund 1 470 Beschäftigte arbeiten, Herzhaftes und Süßes, Warmes und Kaltes zum Essen an, so die NGG. Die Gewerkschaft beruft sich dabei auf Zahlen der Arbeitsagentur.
DEHOGA wehrt sich
Auf wenig Gegenliebe ist diese Pressemitteilung der NGG beim Bayerischen Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA Bayern) getroffen. Dort weist man die Kritik zurück. »Von einem Tarifpartner erwarten wir Unterstützung bei unserem Kampf für mehr Netto vom Brutto statt ständiger Nestbeschmutzung. Im europäischen Vergleich haben wir in Deutschland mit die höchsten Bruttolöhne bei gleichzeitig den niedrigsten Nettolöhnen. Seit 2022 sind Arbeitskosten um 34 Prozent, Energiekosten um 27 Prozent und Lebensmittelpreise um 26 Prozent gestiegen. Die 7 Prozent sind kein Geschenk – sie sind für viele Betriebe der letzte Rettungsring«, so Dr. Thomas Geppert, Landesgeschäftsführer des DEHOGA Bayern.
Laut DEHOGA-Umfrage wollen 73 Prozent der Betriebe mit den Entlastungen investieren, 71,5 Prozent die Bezahlung der Mitarbeiter verbessern und über 50 Prozent neue Jobs schaffen. »Wir wollen Gäste zurückgewinnen, Arbeitsplätze sichern und das Wirtshaussterben stoppen«, betont der Landesgeschäftsführer. Dabei seien kleine Betriebe von den Belastungen besonders betroffen, erklärt Geppert. 80 Prozent der bayerischen Gastrobetriebe haben weniger als zehn Beschäftigte. »Das sind Familienunternehmen. Wer sie schwächt, gefährdet regionale Arbeitsplätze und unsere Wirtshauskultur«, warnt Geppert: »Nur wenn die Betriebe überleben, gibt es auch in Zukunft faire Löhne, Vielfalt und Gastfreundschaft in Bayern.« fb