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Laden zu den Selbsthilfegruppen für ehemalige Intensivpatienten und Angehörige ein (v.l.): Christina Hille, Einrichtungsleitung AWO-Selbsthilfezentrum Traunstein, mit Vertretern der Intensivstationen des Klinikums Traunstein: Holger Liermann, Oberarzt, Gisela Otrzonsek, Psychologischer Dienst, Priv.-Doz. Dr. med. Tom-Philipp Zucker, Ärztlicher Leiter, und Froska Ivic, Intensivpflegekraft. (Foto: KSOB)

»Intensivhelden«: Selbsthilfegruppen für ehemalige Patienten starten

Traunstein – Mit einer gut besuchten Auftaktveranstaltung wurde im Selbsthilfezentrum Traunstein der AWO in Kooperation mit den Kliniken Südostbayern die neue Initiative »Intensivhelden« ins Leben gerufen. Knapp 30 Teilnehmer, darunter ehemalige Intensivpatienten, Angehörige sowie Mitarbeiter der Intensivstationen des Klinikums Traunstein, kamen zusammen, um einen neuen Begegnungsraum zu schaffen.


Dazu gab es zunächst Impulsvorträge, die das Thema »Intensivstation« aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchteten. Dabei wurde eines sehr deutlich: Die Erlebnisse auf einer Intensivstation hinterlassen ihre Spuren bei den Patienten, ihren Angehörigen, aber auch bei jenen, die dort arbeiten. Mit dabei waren auch der Chefarzt der Operativen Intensivstation und Ärztlicher Leiter am Klinikum Traunstein, Priv.-Doz. Dr. med. Tom-Philipp Zucker, der die Initiative unterstützt, und Christina Hille, die Leiterin des Selbsthilfezentrums, wo die Räume und die Erfahrungen für die Selbsthilfearbeit zur Verfügung gestellt werden.

»Immer wieder erlebe ich, dass aus Sicht der Patienten die Intensivstation zunächst als sehr beängstigend erlebt wird,« erklärte Oberarzt Holger Liermann in seinem eindrücklichen Beitrag. »Man wacht auf – umgeben von Maschinenmedizin. Es piepst, es blinkt, man versteht nichts. Aber man merkt: Es ist ernst. Ich liege auf der Intensivstation. Mein Leben ist in Gefahr.« Dann schildert der Oberarzt seine Perspektive der Intensivstation, das gleiche Umfeld, aber aus seiner professionellen Sicht: »Für uns ist die Intensivstation hingegen ein Ort der Geborgenheit. Besonders wenn wir Patienten in Notfallsituationen von anderen Stationen oder von zu Hause holen, sind wir froh, wenn wir mit ihnen unseren sicheren Hafen, die Intensivstation, erreicht haben. Hier haben wir alles, hier können wir bestmöglich helfen. Natürlich begleiten wir hier auch Leid. Manche Menschen bleiben lange, manche versterben. Dann sorgen wir dafür, dass sie keine Schmerzen haben und keine Atemnot. Wir kümmern uns. Das ist unsere Aufgabe und für mich ist es auch eine Erfüllung. Ich arbeite gerne auf der Intensivstation.« Er betonte noch, wie sehr ihn das »stille Heldentum« der Patienten und ihrer Angehörigen beeindruckt: »Was diese Menschen leisten, wird oft nicht gesehen. Wir aber sehen es. Diese Selbsthilfegruppe ist eine wunderbare Idee. Endlich entsteht ein Raum, in dem all diese Erfahrungen Platz haben und gewürdigt werden.«

Froska Ivic, eine Intensivpflegekraft, berichtete, wie viel es ihr bedeutet, wenn ehemalige Patienten sie auf der Straße erkennen: »Wenn sie sich an mich erinnern, dann zeigt es mir, dass meine Pflege Spuren hinterlässt. Das stärkt mich für den Alltag.«

Die Initiatorin der Selbsthilfegruppen, Gisela Otrzonsek, vom psychologischen Dienst, der auf den Intensivstationen im Klinikum Traunstein von der Eva Mayr-Stihl Stiftung ermöglicht wird, beschrieb die Intensivstation als einen Ort der Extreme: »Nirgendwo ist das Leben so verdichtet, so nah, so intensiv wie auf einer Intensivstation. Hier erlebt man in kurzer Zeit eine unglaubliche Vielfalt an Persönlichem und an Persönlichkeiten. Mein Traum war es immer, dass all das in einer Selbsthilfegruppe Raum finden darf.« Ihre Kollegin fügte hinzu, dass die Intensivstation ein Ort voller Emotionen und Geschichten ist, und wünscht sich, dass auch diese in den Selbsthilfegruppen ihren Raum finden dürfen, voller Wärme, Verständnis und Willkommensein. Mit den »Intensivhelden« geht dieser Traum für die beiden in Erfüllung. Die Erfahrungen aus der Selbsthilfegruppe dürfen auch an das Klinikteam kommuniziert werden, so kann ein gewinnbringender Austausch entstehen, in dem man voneinander lernen kann.

Die neue Selbsthilfegruppe »Intensivhelden« richtet sich in getrennten Gruppen an ehemalige Patienten und an Angehörige. Ziel ist der offene, ehrliche und stützende Austausch mit Menschen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben. »Nur wer selbst betroffen war, kann eine solche Gruppe leiten,« betont Christina Hille vom Selbsthilfezentrum der AWO – die geschulte und erfahrene Sozialpädagogin und ihr Team helfen zu Beginn beim Aufbau. Danach leitet und trifft sich die Gruppe selbstständig.

Möglich ist, was guttut: Gesprächsabende, Vorträge mit Experten, gemeinsame Ausflüge oder das Kennenlernen von Entspannungsmethoden wie Qi Gong, Feldenkrais oder Meditation. Die Gruppen finden monatlich statt – vor Ort im AWO-Selbsthilfezentrum Traunstein, aber auch virtuell über eine datensichere Plattform kann man teilnehmen. Die Gruppen sind offen für Betroffene aus ganz Deutschland. Denn es gibt noch sehr wenig solche Angebote. Die Teilnahme ist kostenlos. Alle Betroffenen sind eingeladen und herzlich willkommen.

Zwei Termine: Die Patientengruppe trifft sich ab 5. August jeden ersten Dienstag im Monat von 18 bis 20 Uhr; die Angehörigengruppe trifft sich ab 12. August jeden zweiten Dienstag im Monat von 18 bis 20 Uhr. Informationen und Anmeldung unter Telefon 0861/20976423 oder 0861/20976425 oder per E-Mail an kontakt@selbsthilfe-traunstein.de. fb