Von einem »denkwürdigen Augenblick« für die Klosterkirche und ARTS, die dem Traunsteiner Komponisten 2010 ihren Förderpreis verliehen hatte, sprach Ackermann. Unter den Gästen waren unter anderem Oberbürgermeister Christian Kegel mit Gattin, Stadträte, Sponsoren und Spender, die die Uraufführung erst ermöglicht hatten, und Vertreter der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, die Pföß 2012 ausgezeichnet hatte. Der Städtische Bauhof und viele freiwillige Helfer hatten für den Abend mit angepackt.
Das der Kammeroper vorangestellte Werk »Tierkreis« von Karlheinz Stockhausen in der Version für Klarinette und Klavier eignete sich gut, um das Publikum auf die modernen Klänge und das »Tierische« an der Sagengestalt des Cuchulinn einzustimmen.
Der aus Usbekistan stammende, herausragende Klarinettist Albert Galimzanov präsentierte im Duo mit der exzellenten Traunsteiner Pianistin Maria Bittel mit Ausdruckskraft, Prägnanz im Zusammenspiel und allerlei technischen Raffinessen die Charaktere der jeweiligen Sternzeichen: die luftigen Zwillinge, den sensiblen Krebs... Dunkle, intensiv gestoßene Klänge markierten den Löwen und zarte, langgezogene die Jungfrau. Grelle, hohe, abgehakte Töne standen für den Stachel des Skorpions. Leichtigkeit und zugleich etwas Abgründiges kam in der Musik zum »Wassermann« rüber, dem Stockhausen wie eigentlich allen Tierkreiszeichen zwei verschiedene Pole »andichtete«.
Die Cuchulinn-Sage sei »unverzichtbarer Teil der irischen Identität«, schrieb Schirmherr Michael Collins, Botschafter von Irland, aus Berlin. Die Kammeroper werde zur rechten Zeit uraufgeführt, im 100. Jahr des Osteraufstands 1916, ein wichtiger Schritt auf dem Weg in die Unabhängigkeit Irlands. Collins äußerte die Hoffnung, dass zahlreiche weitere Aufführungen, auch in Irland, folgen.
In seiner Werks-Einführung wies Peter Michael Hamel auf eine Verbindung von Stockhausen und Pföß, die beide mit Formeln und harmonischen Feldern komponierten, hin. Mit einem Zitat aus dem »Irischen Tagebuch« von Heinrich Böll zeigte er die Bedeutung Irlands, das mit seinen Mönchen und Missionaren ganz Europa prägte, auch für die Region Südostbayern auf. Eine Aufnahme der Uraufführung möchte er dem befreundeten irischen Komponisten John Buckley, der sein ganzes Leben überlegt habe, ob er eine Cuchulinn-Oper komponieren soll, schicken.
Alle Darsteller, Sänger und Musiker bei der Kammeroper beeindruckten unter Leitung von Sebastian Schilling und Pföß als Co-Dirigent mit ihrer Konzentration, Präsenz und musikalischen Leistung. Als glänzender Erzähler führte der gebürtige Trostberger Patrick Brenner als Cuchulinns Sohn Conlai durch die Kammeroper. Das rätselhaft verschlüsselte Libretto von Jürgen Arnold ließ in dem auf wenige markante Szenen konzentrierten und frei umgesetzten Sagenstoff immer wieder Leitmotive aufleuchten, wie das Tierische im Helden und vor allem das Thema »Nähe und Distanz«. Einander widersprechende Aufforderungen wie »komm mit – lauf weg« oder »lass mich ein – lass mich nicht ein« scheinen die emotionale Stabilität Cuchulinns zu verursachen beziehungsweise zu verstärken. Ein wichtiges Merkmal der textlichen Anlage sind übergeordnete Gruppenbildungen, die in der Aufführung höchste Dramatik erzeugten und die Handlung vorantrieben.
Der großartig vorbereitete Kinderchor von der Musikschule Inzell artikulierte immer wieder Percussion-ähnlich isolierte Buchstaben von Fantasie-Wörtern, die einmal auch den Namen »Cuchulinn« ergaben. Das erinnerte an Zauber- oder Beschwörungsformeln, verstärkte die geheimnisvolle, teils dämonische Stimmung und passte zu den Formeln in der Komposition.
Als Cuchulinn überzeugte mit glanzvollem Countertenor Nicolas Spanos, der schauspielerisch die Getrieben- und Zwanghaftigkeit, den Stolz, die tierische und die schelmisch-verspielte Seite des Helden deutlich machte. Als Cuchulinns Frau Emer, die auch für alle Frauen des Volkes steht, brillierte Anna Hempel mit glockenklarem, warmem Sopran. Anmut und etwas Suchendes, Schwebendes strahlte das Liebesduett von Hempel mit der Bassflöte (Sandra De Crescenzo), die Cuchulinn repräsentierte, aus.
Die Elfe Fann, der Teresa Schnellberger mit ihrem ausdrucksvollen Alt etwas Düsteres, Unheimliches verlieh, begegnete den Zuhörern bereits in der zweiten Szene als ein kommentierendes Tier. Würde verlieh Benjamin Stattlecker mit seinem markanten Bariton der Gestalt des Lichtgottes. Jede Figur wurde von einem bestimmten Instrument begleitet, wobei Pföß bewusst die Harfe (Verena Zeiser) als einziges, typisch irisches Instrument einsetzte. Klarinette, Englisch-Horn, Posaune, Viola, Kontrabass, Schlagwerk und Celesta rundeten das farbenreiche Klangbild des expressiven Werks ab. Am Ende: Langer Applaus für Interpreten und Komponist. Veronika Mergenthal