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Das war am 19. September 1908 zu lesen

Die Schundlektüre, die in den letzten Jahren eine besonders furchtbare Verbreitung genommen hat, richtet kolossale Verheerungen in der geistigen Volksgesundheit an.


In wenigen Wochen sind in Deutschland 14 Selbstmorde und Bluttaten vrgekommen, die auf das Lesen von Kolportageliteratur zurückzuführen sind; außerdem ist eine Reihe von Diebstählen und Raubanfällen vorgekommen, zu denen die Täter eingestandenermaßen durch Schundromane angeregt worden waren. Dabei wächst die Verbreitung dieser blutrünstigen, Sinn und Verstand verwirrenden Hintertreppenliteratur in fabelhafter Weise, ist doch nachgewiesen, daß nicht weniger als 38 000 Geschäftsleute und Kolporteure sich ausschließlich mit dem Vertrieb literarischer Schunderzeugnisse befassen und daß in Deutschland für 50 Millionen Mark Schundware in einem einzigen Jahr verkauft wird.

Früher ist diese schreckliche Geistesverwickelung und Vollvergiftung wenigstens nur in die Großstädte getragen worden. Jetzt fndet man aber seit Jahren mehr und mehr diese tieftraurige Geistesnahrung der niederen Volksklassen nicht nur in den großstädtischen Fabriken und Mietskasernen, sondern bei jedem Lehrling, Handwerker, Dienstmädchen, in jedem kleinen Städtchenwerden die Skandalhefte verbreitet, ja sogar in jedes Bauernhaus versuchen die Kolporteure, deren Auftraggeber mit ihrem unsauberen Erwerb Millionen verdienen, ihre miserable Geisteskost zu tragen, die in den Köpfen der Unerfahrenen, Unreifen und sittlich Schwachen so gräßliche Verheerungen anrichtet, daß im Interesse der armen Volksgenossen selbst diese literarische Verseuchung aufs schmerzlichste bedauert werden muß.

Die Kolportageliteratur ist ein Stück Kulturschande unserer Zeit. Jeder, dem das Wohl, das geistige Wohl des Volkes am Herzen liegt, sollte es vermeiden, bei Händlern, Buchbindern, Buchhandlungen, Schreibwarengeschäften etc. einzukaufen, die sich nicht schämen, solche literarische Ausschußware feilzuhalten.