Wer irgendwie Zeit fand, schrieb schnell noch ein paar längst fällige Briefe oder jagte ein Paket ums andere in die Ferne, um den ach so geldbedürftigen Verkehrsanstalten einen kleinen Vorteil abzugewinnen, ehe es »schnakelte«. Die Paketpost, welche seit April nur mehr am Vormittag zustellte, fuhr ausnahmsweise den ganzen Tag herum. Für das Gefährte bedeutete dieser Tag den letzten seines Daseins. Der gelbe Kastenwagen wird vielleicht zum Alteisenhändler wandern und die Pferde werden ihren Haber in anderem Solde verdienen müssen, da der Staat (wie im Personenverkehre seit Jahren) auch im Paketzustelldienst mehr und mehr zum Kraftwagenbetrieb übergeht.
Der ebenfalls überzählig gewordene Postillon machte seine letzte Fahrt in großer Gala: Wildlederhosen, blauer Frack mit Silbertressen, rote Weste, Lackzylinder mit blauweißem Federbusch, Wadenstiefel und weiße Handschuhe, alles echt vom Leder bis zur Feder. Mit Wehmut sahen wir den »Schwager« in seiner kostbaren Ausrüstung (die Handschuhe allein kämen heute teurer als ehedem die ganze Ausrüstung), die noch als letzter Überrest einer prunkliebenden Zeit märchenhaft anmutete und uns von Kindesbeinen an bei allen feierlichen Anlässen vertraut war, seine Bahn vollenden und vernahmen seine schwermütigen Weisen und dankten ihm stummen Blickes für die stimmungsvollen Augenblicke, die er uns mit seinem liederreichen Waldhorn oft bereitet hat.
Wir Bayern von heute empfinden eben den Wandel der Dinge mit derselben Tiefe wie einst unser Geschichtsschreiber Westenrieder, der gefunden hatte, daß der Postillon nirgends so schön bläst wie in Bayern. Nun hat sich auch dieser Glanz überlebt und es bleibt nur der Wunsch übrig, daß die Post, welche künftig unter dem seelenlosen Töff-Töff angerattert kommt, uns immer gute Zeitung bringen möge.