Die Bewirtschaftung des Staatswaldes zielt darauf ab, die biologische Vielfalt zu sichern und zu verbessern. Dieses Ziel ist sowohl im Waldgesetz für Bayern als auch im Staatsforstengesetz festgeschrieben. Einen wesentlichen Beitrag zur biologischen Vielfalt leisten die so genannten Biotopbäume. Dabei handelt es sich um Bäume, die durch besondere Strukturmerkmale wie zum Beispiel Höhlen oder Stammverletzungen mit intensiver Holzfäule auffallen.
Besonders starke Bäume, sogenannte Methusaleme, werden aufgrund ihrer herausragenden Dimension und des damit häufig verbundenen hohen Alters sowie aus waldästhetischen Gründen grundsätzlich nicht mehr genutzt. Eiche, Bergahorn, Tanne und Fichte gelten ab einem Brusthöhendurchmesser (BHD) von 100 Zentimeter als Methusaleme.
Die Rieseneiche nördlich von Freilassing ist stolze 39 Meter hoch, hat 1,3 Meter über dem Waldboden einen Umfang von 3,83 Meter und einen Durchmesser von 1,22 Meter. Das ergibt ein Volumen von etwa 23 Festmeter Holz. Wird nur der lange astreine Stamm berücksichtigt, ergibt sich bei der hervorragenden Qualität des Holzes ein Wert von mindestens 25 000 Euro. Allen Begehrlichkeiten von Holzkäufern aus nah und fern zum Trotz steht die Rieseneiche immer noch im Staatswald und soll dort noch möglichst lange Förster und Waldbesucher beeindrucken.
Forstbetriebsleiter Dr. Daniel Müller und der Pettinger Förster Thomas Klein waren sich von Anfang an einig, dass die stärksten Baumindividuen in ihrem Verantwortungsbereich unbedingt geschützt werden müssen, bis sie ein natürliches Ende finden. Heimische Eichen können bis etwa 800 Jahre alt werden. So lange wird es die über viele Förstergenerationen gepflegte Eiche nicht schaffen, prognostiziert Müller. »Aufgrund der enormen Höhe von fast 40 Metern bietet die Rieseneiche den im Klimawandel immer stärker werdenden Stürmen eine große Angriffsfläche. Vor einigen Jahren ist zudem ein großer Ast am Kronenansatz abgebrochen, durch den Fäulepilze eindringen und das Holz morsch werden lassen«, befürchtet der Berchtesgadener Forstchef.
Entstanden ist die wertvolle Rieseneiche vor etwa 235 Jahren durch Saat. Auf Weisung des letzten Fürsterzbischofs von Salzburg, Hieronymus von Coloredo, wurden dafür die Eicheln in nahe gelegenen Wäldern gesammelt. Damals gehörte der Rupertiwinkel noch zum Fürsterzbistum Salzburg. Der vorhergehende Wald bestand mehrheitlich aus Fichte und wurde regelmäßig durch Raupenfraß der Kleinen Fichtenblattwespe geschädigt, sodass der Waldumbau auf Eiche bereits damals eine zukunftsweisende Investition war. In dieser Tradition hat auch Förster Thomas Klein im Eichet fünf Hektar Fichtenwald zu einem künftigen Eichenwald umgebaut.
Um das versehentliche Fällen zu vermeiden, werden Biotopbäume und Methusaleme im Zuge der Hiebvorbereitung markiert. Mit dieser Maßnahme wird eine vorbildliche Waldbewirtschaftung auch gegenüber der Öffentlichkeit dokumentiert. Der vom Förster Thomas Klein »Coloredo-Eiche« genannte Methusalem hat nicht nur die für Biotopbäume typische Wellenlinie bekommen, sondern wurde auch noch künstlerisch mit einem Specht Symbol verziert. Mit den Worten »Die gesamten Bayerischen Staatsforsten wünschen der ›Coloredo-Eiche‹ ein möglichst langes Baumleben«, bedankt sich Müller bei dem vorbildlichen Förster Thomas Klein für den gewährten Schutz. fb