Klausurtagung Kabinett zu Doppelhaushalt 2026/27
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Trotz der schwierigen Finanzlage will die bayerische Staatsregierung bei der Aufstellung des nächsten Haushalts auf neue Kredite zur Gegenfinanzierung verzichten. Foto: Peter Kneffel/DPA

Söder setzt auf »Stoibers Erbe« – Sparen statt Schulden

München (dpa/lby) - CSU und Freie Wähler haben lange mit neuen Krediten geliebäugelt. Am Ende entscheiden sie sich trotz miserabler Wirtschaftslage für einen ausgeglichenen Etatplan. Zum Ärger von Beamten und Eltern.


Es ist ein durchaus bemerkenswertes Zeichen: Trotz der schlechten Finanzlage plant Bayerns Staatsregierung für die Jahre 2026 und 2027 mit einem Haushalt ohne Kredite. »Bayern macht keine Schulden. Der Rest der Welt vielleicht, wir nicht«, sagte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nach der Haushaltsklausur in München. »Stoibers Erbe bleibt damit erhalten.« Wie einst unter dem sparsamen Ex-Regierungschef Edmund Stoiber gilt auch für den nächsten Doppelhaushalt: Ohne Abstriche geht es nicht – das werden nicht nur die Beamten im Freistaat zu spüren bekommen, sondern auch junge Familien. 

Insgesamt wächst der Doppelhaushalt auf rund 168 Milliarden Euro an. Für nächstes Jahr sind 84,6 Milliarden Euro eingeplant, für 2027 83,4 Milliarden.

Wo soll gespart werden?

Der Etatentwurf sieht nicht die eine große Einsparung vor, vielmehr wird an vielen Stellen der Rotstift angesetzt. »Wir sparen am Staat bei uns selber«, fasst Söder es auf Nachfrage zusammen. So soll es keine neuen Stellen für Ministerien oder die Staatskanzlei geben, auch bei den Ausgaben in den Häusern sollen je 5 Prozent gestrichen werden. Das betreffe Ausgaben für Anzeigen, Empfänge, Öffentlichkeitsarbeit und ähnliches. Parallel dazu sollen bis 2028 1.000 Stellen in der Verwaltung sozialverträglich abgebaut werden. 

Darüber hinaus nehmen CSU und Freie Wähler Bayerns Beamte in die Pflicht, einen Anteil zur Sparsamkeit zu leisten: So sollen künftige Tarifsteigerungen im öffentlichen Dienst nicht mehr direkt übernommen werden, sondern erst mit einer Verzögerung von sechs Monaten. Der Vorsitzende des Bayerischen Beamtenbundes, Rainer Nachtigall, reagierte umgehend genervt: »Das jetzt geht auf Kosten des öffentlichen Dienstes.« Die Sparmaßnahmen würden einseitig eine Berufsgruppe treffen.

Was ändert sich für Familien und Kitas?

Das Kabinett hat das ab 2026 geplante Kinderstartgeld gekippt: Eltern kleiner Kinder erhalten damit nicht nur kein Familien- und kein Krippengeld mehr, sondern müssen auch auf eine Einmalzahlung von 3.000 Euro verzichten. Das frei werdende Geld soll stattdessen in die Kitas und in deren Unterhalt fließen. Man wolle so der Gefahr vorbeugen, dass Kitas wegen zu hoher Betriebskosten aufgeben müssten, sagte Söder. Alles Geld solle direkt »ins System« fließen. Die Summe bleibe gleich, es werde nichts gespart. Man habe schweren Herzens entschieden: »Betreuungsplatz vor Direktzahlung«.

Schon Ende 2024 hatte die Staatsregierung entschieden, die direkten Familiengeldzahlungen – die es so nur in Bayern gab – auf die Hälfte zusammenzustreichen, auch das Krippengeld, mit dem Familien bei den Kindergartenbeiträgen entlastet wurden. Bisher erhielten Eltern kleiner Kinder in Summe mindestens 6.000 Euro vom Freistaat. Stattdessen sollte es ab Januar 3.000 Euro Kinderstartgeld geben – nun fällt auch dieses weg. Damit werden noch einmal rund 360 Millionen Euro pro Jahr frei, die in die Kitas fließen sollen.

Wer jetzt schon Familien- oder Krippengeld bezieht, bekommt die Zahlungen auch weiterhin. Dafür muss der Freistaat in den kommenden Jahren immer noch gut 800 Millionen Euro berappen. Unter dem Strich bleiben nach Worten Söders bis 2030 aber rund drei Milliarden Euro, die in die Kitas gesteckt werden sollen.

Die Landesvorsitzende des Sozialverbands VdK, Verena Bentele, kritisiert: »Für Familien gibt es nun einen Kahlschlag in Bayern.« Gerade ärmere Familien würden vor große finanzielle Herausforderungen gestellt. Städtetag und Kita-Träger dagegen begrüßen die Entscheidung – das sei ein wichtiges Signal.

Woher kommt das Geld?

Ohne die mit knapp 6 Milliarden Euro gut gefüllte Rücklage wäre der Haushalt ohne neue Schulden oder mit noch drastischeren Sparmaßnahmen niemals zu stemmen gewesen, das betonte auch Finanzminister Albert Füracker (CSU): »Aus der Rücklage werden 4,9 Milliarden Entnahme eingeplant für einen Doppelhaushalt.« 

Erleichtert wurde die Haushaltsaufstellung auch durch die Steuerschätzung – demnach darf Bayern für die beiden kommenden Jahre mit einem Steuerplus von rund 3,3 Milliarden Euro im Vergleich zur Mai-Schätzung rechnen. 

Darüber hinaus nutzt dem Freistaat das Sondervermögen des Bundes für Investitionen. Von den knapp 7 Milliarden Euro aus der ersten Tranche aus Berlin gehen zwar 5 Milliarden Euro an die Kommunen, die restlichen 2 Milliarden Euro verbleiben aber im Staatshaushalt. Das Geld soll für den Hochschulbau, den Staatsstraßenbau, die IT-Infrastruktur der Steuerverwaltung, für die Polizei und Universitätskliniken, die Förderung des Privatschulbaus sowie Hochwasserschutzmaßnahmen eingesetzt werden.

Ferner setzt der Freistaat auf sinkende Migrationsausgaben – für 2026 ist ein Rückgang von rund 281 Millionen Euro und für 2027 um weitere rund 145 Millionen Euro eingeplant. Die Ausgaben für die Bereiche Asyl und Integration werden statt 6 nun auf rund 5,3 Milliarden Euro für den Doppeletat beziffert.

Was sind die Gründe für einen Haushalt ohne Neuschulden?

In den vergangenen Monaten hatte es immer wieder Gedankenspiele gegeben, ob Bayern von dem seit 2006 geltenden Grundsatz abweicht und neue Schulden macht. Auch Söder hatte dies ausdrücklich nicht ausgeschlossen.

Füracker nannte die Aufnahme von Schulden »Ultima Ratio«, also den letztmöglichen Weg. Denn die damit verbundene Zinslast mache die Aufstellung künftiger Haushalte noch schwieriger, schränke finanzielle Spielräume noch weiter ein. Gleichwohl hätte die gesetzliche Regelung neue Kredite von etwa 2,3 Milliarden Euro gestattet, das sind 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. 

Dass es nun ohne geht, kann man parteitaktisch auch als Zeichen an die Anhänger von CSU und Freien Wählern verstehen. Gerade im bürgerlich-konservativen Milieu werden neue Schulden sehr kritisch beäugt – auch wenn sie für Sozialausgaben entstehen. Die CSU nennt ausgeglichene Haushalte seit Jahrzehnten als einen ihrer Markenkerne. 

Schuldenfrei ist Bayern aber dennoch nicht. Zum Ende des laufenden Jahres belaufen sich die Verbindlichkeiten auf rund 36 Milliarden Euro. Knapp 19,5 Milliarden Euro davon stammen aus Altschulden, 9,8 Milliarden Euro aus dem Sonderfonds für die Bewältigung der Corona-Krise und etwa 7 Milliarden Euro aus der Rettung der Bayerischen Landesbank. Das einstige Ziel, Schuldenfreiheit bis 2030, ist schon lange nicht mehr erreichbar.

Wofür wird das Geld ausgegeben?

Knapp 40 Prozent des Budgets fließen in Personalkosten. Für Bildungs- und Forschungsausgaben sind 59,5 Milliarden Euro vorgesehen, knapp 13 Milliarden Euro fließen in den kommunalen Finanzausgleich. Mit rund 17 Prozent erreicht die Investitionsquote zudem einen neuen Rekord – in Summe sind das rund 28,6 Milliarden Euro. »Am Ende gibt es in diesem Haushalt eine Milliarde mehr für Wissenschaft und allein 600 Millionen mehr für den Ausbau der Hightech-Agenda«, sagte Söder. Dazu zählten auch Anschubfinanzierungen für Projekte wie die Gigafactory und die Kernfusion.

Nachdem für 2026 ein Stellenmoratorium gilt, werden für 2027 wieder 2.700 neue Stellen ausgewiesen – darunter 1.500 für neue Lehrer wegen sehr stark steigender Schülerzahlen und 400 Stellen für multiprofessionelle Teams, also etwa Sozialpädagogen. Die restlichen Stellen gehen an Polizei, Justiz, Cybersicherheit und in das geplante Abwehrzentrum für Drohnen.

Was wurde sonst noch beschlossen?

Bayern schränkt die Teilzeit-Möglichkeiten für Beamte ein. Beispielsweise wird bei familienpolitischer Teilzeit das Kindeshöchstalter auf 14 Jahre abgesenkt und die Mindestquote auf 30 Prozent erhöht. Ansonsten bleiben es 50 Prozent.

Es soll zudem eine Kommission unter Vorsitz von Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) geben, die die staatlichen Verwaltungs- und Behördenstrukturen und die Aufgabenverteilung überprüfen soll. Man wolle Doppel- und Dreifachstrukturen abbauen, sagte Söder. Dabei gebe es keine Denkverbote und keine Tabus.

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