Zweieinhalb Wochen nach der Steuerschätzung für Bayern verhandelt das Kabinett mit den Spitzen der Regierungsfraktionen von CSU und Freien Wählern über eine Zeitenwende in der Haushaltspolitik. Im Fokus der Verhandlungen für den nächsten Doppelhaushalt steht dabei die Frage, ob der Freistaat erstmals seit Jahrzehnten seine Ausgaben teils über neue Schulden gegenfinanzieren will. Qua Gesetz könnte der Freistaat Kredite von etwa 2,3 Milliarden Euro aufnehmen, das sind 0,35 Prozent des Bruttoinlandproduktes.
Die Ausgangslage für die Aufstellung des Doppelhaushaltes 2026/2027 ist überaus schwierig. Infolge der seit Jahren schlechten wirtschaftlichen Lage in Deutschland wie in Bayern sprudeln die Steuern nicht mehr so gut wie in früheren Jahren, hinzu kommen stetig steigende Ausgaben etwa für Personalkosten und ein massiver Finanzierungsbedarf bei den Kommunen. Am Dienstag soll der Etatentwurf der Öffentlichkeit vorgestellt werden.
Söder: Entscheiden nicht nur über Zahlen, sondern über Zukunft
»In den kommenden beiden Tagen entscheiden wir nicht nur über Zahlen und Stellen im nächsten Doppelhaushalt, sondern über die Zukunft unseres Landes«, teilte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) zum Auftakt auf der Plattform X mit. »Unsere Strategie ist klar: Wir investieren, konsolidieren und reformieren.« Bayern sei das finanziell stabilste Land in Deutschland, »mit unserem AAA-Rating sind wir international spitze. Dieser großen Verantwortung sind wir uns bewusst.«
Söder betonte erneut, seine Regierung wolle Technologie und Forschung weiter ausbauen, den Bürokratie-Abbau vorantreiben und habe auch die Generationengerechtigkeit im Blick. »Wir arbeiten für ein Bayern, in dem unsere Bevölkerung auch in Zukunft in Sicherheit, Wohlstand und mit guten Chancen für alle leben kann.« Konkretere Angaben machte er nicht.
Um die Personalkosten zumindest etwas in den Griff zu bekommen, gilt für 2026 in Bayern eine Sonderregelung für staatliche Stellen. Ein beschlossenes Moratorium bedeutet etwa, dass für das Schuljahr 2026/27 keine neuen Lehrerstellen geschaffen werden dürfen. Neueinstellungen sind also nur für frei werdende Posten möglich. Dies hatte bei den Bildungsverbänden bereits für massive Kritik gesorgt.
Steuerschätzung brachte etwas Erleichterung
Für minimale Erleichterung hatte Ende Oktober die Steuerschätzung gesorgt – demnach darf Finanzminister Albert Füracker (CSU) für die beiden kommenden Jahre mit einem Steuerplus von rund 3,3 Milliarden Euro im Vergleich zur Mai-Schätzung rechnen. Er mahnte aber umgehend vor falscher Euphorie. Strikte Ausgabedisziplin und Konsolidierung blieben unverzichtbar.
Söder hatte aber bereits wiederholt erklärt, wo er keinen Rotstift ansetzen will. Für ihn hätten im Etat Forschung und Entwicklung sowie Investitionen in Wohnungsbau, in Kitas, in Krankenhäuser Priorität. »Die Investitionen in Hochschule und Forschung, die wir auch fortsetzen wollen, sind für mich eine klare Vorgabe auch für den bayerischen Haushalt, dass wir nicht sparen an Forschungen, dass wir nicht sparen an Universitäten, dass wir nicht sparen an Investitionen in die Zukunft.«
Kommunaler Finanzausgleich klettert auf neuen Rekord
Die Staatsregierung muss zudem einen erneuten Rekord beim kommunalen Finanzausgleich im Haushalt abbilden: Er klettert im kommenden Jahr auf fast 13 Milliarden Euro. Damit reagierte der Freistaat auf die immer dramatischeren kommunalen Geldsorgen. Gleichzeitig stellt der Freistaat 2026 aus dem Sondervermögen des Bundes für Investitionen 3,9 Milliarden Euro für Bayerns Kommunen bereit. Rund eine Milliarde Euro davon verbleibt im Staatshaushalt.
In Bayern sind ausgeglichene, also nicht über Schulden gegenfinanzierte Haushalte, seit vielen Jahren die Normalität. Abgesehen von Schulden zur Bewältigung der Corona-Krise sowie einst zur Rettung der BayernLB kommt der Freistaat seit inzwischen 20 Jahren ohne Neuverschuldung aus.
2012 hatte Seehofer ein schuldenfreies Bayern bis 2030 versprochen
Zwischenzeitlich hatte die Staatsregierung sogar mit der Rückzahlung von Altschulden begonnen. 2012 hatte der damalige Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer angekündigt, Bayern solle bis 2030 schuldenfrei sein. Der Plan war aber schon vor Jahren – bei noch guter Wirtschaftslage in Bayern – zunehmend in den Hintergrund gerückt.
Zum Ende des laufenden Jahres belaufen sich Bayerns Verbindlichkeiten bei Kreditgebern in Summe auf rund 36 Milliarden Euro. Knapp 19,5 Milliarden Euro davon stammen aus Altschulden aus dem allgemeinen Haushalt, 9,8 Milliarden Euro aus dem Sonderfonds für die Bewältigung der Pandemie und circa 7 Milliarden Euro resultieren noch aus der Rettung der Bayerischen Landesbank.
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