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Mit einer Mischung aus Kabarett und Aufklärung brachten Tom Bauer (rechts) und Lissi Fritzsch von der Kriminalpolizei die Senioren in der Achentalhalle zum Lachen und Nachdenken. Für einen Sketch musste auch Bürgermeister Ludwig Entfellner herhalten. (Foto: Flug)

Ernste Themen und Aufklärung im Kabarett verpackt

Unterwössen – Trickbetrug, Schockanrufe, Internetkriminalität: Was sonst in nüchternen Polizeiberichten steht, war Thema einer unterhaltsamen Nachmittagsveranstaltung in der Achentalhalle. Mit Musik, bayerischem Dialekt und seinem Präventionskabarett »Ned mit mir!« brachte Tom Bauer Themen auf die Bühne, die auf den Nägeln brennen. Rund 150 Senioren kamen zur Veranstaltung. Die Quartiersmanagerinnen Ulrike Speicher (Reit im Winkl) und Brigitte Schmitz (Marquartstein und Unterwössen) hatten eingeladen.


Mit einem Sketch eröffnete Tom Bauer das Präventionskabarett. Ein Telefon klingelte, Bauer hob ab: »Hier ist die Polizeihauptkommissarin Müller von der Kriminalpolizei«, erklang die Stimme der kongenialen Sketch-Partnerin Lissi Fritzsch, einer echten Kriminalhauptmeisterin. Sie ist polizeiliche Fachberaterin bei der Kriminalpolizei Miesbach. Es folgte ein absurdes Gespräch über einen angeblichen Einbruch in der Straße. Einbrecher hätten Bauers Adresse auf einem Zettel gehabt. Ein Kollege komme gleich vorbei, um Bargeld und Schmuck »sicherzustellen«. Bauer spielte den ahnungslosen Rentner mit einer Mischung aus Ironie, Verzweiflung und Bauernschläue. »Ich brauch eine neue Identität! Ich muss weg von Unterwössen!«, rief er und erntete Gelächter – und Nachdenklichkeit.

Die Polizei holt keine Wertsachen ab

Die Kriminalhauptmeisterin Fritzsch warnte im Anschluss an die Szene: »Die Polizei holt keine Wertsachen ab. Nie. Im Zweifel: auflegen und selbst die Polizei wählen.« Sie erklärte, wie professionell Callcenter-Betrüger inzwischen vorgehen – mit täuschend echten Nummernanzeigen und falschen Identitäten.

Bauer sprang von Rolle zu Rolle: Im nächsten Moment war er mit Fritzsch als falscher Lottomitarbeiterin konfrontiert. Sie brachte ihm – Lotto gespielt hat er noch nie – seinen »Gewinn« von 25 000 Euro im geschlossenen Koffer. Erst drückte Bauer 200 Euro an Versicherung ab, dann weitere Beträge für Aufwand, Wegegeld und sogar ein Trinkgeld. Fritzsch war längst weg, als er bemerkte, dass der Koffer leer war. So absurd die Geschichte auf den ersten Blick auch klang, so wurde doch deutlich: So etwas funktioniert. »25 000 Euro in Aussicht, da schaltet sich das Hirn aus«, so die Fachfrau.

In der nächsten Szene gab sich Bauer als Wunderheiler aus. Trotz aller Warnungen von Fritzsch an Bürgermeister Ludwig Entfellner gelangt es ihm mit forscher Rede und kumpelhaftem Verhalten auf die Bühne zum Bürgermeister zu gelangen. Ein Fluch liege über dem Geld im Portemonnaie des Bürgermeisters, und den gelte es – live auf der Bühne – mit Glitzerpulver und Pöschl-Gletscherzauber zu bannen. Das Publikum johlte, als am Ende der Bürgermeister statt seines Geldbeutels eine CD des Kabarettisten in der Hand hielt, die ihm untergeschoben wurde.

Fritzsch zieht Fazit: Fremde Leute haben in unserer Wohnung nichts zu suchen. Allenfalls wenn wir uns zum Beispiel telefonisch rückversichert haben, dass sie der sind, für den sie sich ausgeben. Der ehemalige Polizist Sigi Kolb fand sich auf der Bühne in einer Supermarkt-Szene wieder. Diebe waren unterwegs. Bauer fragte seine Zuschauer: »Würden Sie zehn Hunderter aus der hinteren Hosentasche hervorschauen lassen, wenn Sie in den Supermarkt gehen?« So ähnlich würden sich viele verhalten, wenn sie teure Handys in der Tasche tragen.

Die Zuschauer lernten: Die Täter sind Profis. Sie lenken ihr Opfer ab, während ein anderer sie bestiehlt. Fritzsch ergänzte: »Tragen Sie Ihre Tasche eng am Körper. Nie im Einkaufswagen liegen lassen.«

Dann wurde es still. Ein echter Mitschnitt eines sogenannten Schockanrufs ertönte. »Hallo Mama«, sagte eine junge Stimme. Angeblich war die Tochter in Not. Die Polizei verlangte 75 000 Euro Kaution. Fritzsch und Bauer erklärten, wie die Täter die Informationen für das Gespräch erlangen. Damit würden sie den Angerufenen in eine psychische Ausnahmesituation bringen. Aus Scham, so Bauer und Fritzsch, melden sich Opfer oft nicht bei der Polizei. Der Schaden aus dem »Callcenterbetrug« belief sich 2024 im Bereich des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd auf 2,4 Millionen Euro, bis September diesen Jahres sind es bereits 3,9 Millionen Euro. Die Dunkelziffer ist deutlich höher.

Todesanzeige ohne Name und Anschrift

Nicol Mayer betrat die Bühne und warnt die Zuhörer davor, Namen und Anschriften in Todesanzeigen zu veröffentlichen. Warum? Die kriminalpolizeiliche Fachberaterin aus Traunstein schilderte den Fall einer Witwe in Garmisch, die nach der Beerdigung einen Schockanruf erhielt. Die Anrufer nutzten die Namen der Angehörigen aus der Todesanzeige und brachten die ohnehin bereits mitgenommene Frau im Gespräch in eine Ausnahmesituation. Am Ende übergab sie ihre gesamten Ersparnisse, 75 000 Euro. »Geben Sie als Anschrift in der Todesanzeige das Beerdigungsunternehmen an«, sieht Mayer als mindeste Vorsichtsmaßnahme. Auch riet sie: Ruhe bewahren, auflegen, Rücksprache mit Angehörigen halten.

Die Mischung aus Kabarett und Kriminalprävention zeigte Wirkung. »Mit Musik und Schmäh die Leute zum Nachdenken bringen – das ist meine Aufgabe«, so Bauer. Rund um das Kabarett blieb Zeit, am Infostand der Polizei vorbeizuschauen, wo neben Dienststellenleiter Gerrit Gottwald auch sein Stellvertreter Andreas Appelt von der Polizeiinspektion Traunstein zur Beratung bereitstanden. Ermöglicht haben die Veranstaltung die Volksbank und der VdK-Kreisverbands Traunstein. Vor der Veranstaltung in Unterwössen war das Präventionskabarett auch vor zahlreichen interessierten Senioren in Traunstein aufgeführt worden. lukk