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Auf einer Länge von rund 100 Metern wurden Wasser- und Stromleitungen freigelegt. (Fotos: Archiv Hauser)
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Der Schmutzwasserkanal war abgerissen und ein Schacht weggespült.

Evakuierung, vollgelaufene Keller und vernichtete Wege – Der Starkregen vor einem Jahr richtete auch in Reit im Winkl große Schäden an

Reit im Winkl – Wenngleich flächendeckende Zustände wie im Ahrtal oder Berchtesgadener Land im großen Talkessel von Reit im Winkl nicht zu beklagen waren, so kam es vor einem Jahr an der Weißlofer und vor allem auch in Seegatterl an der Schwarzlofer zu teils dramatischen Situationen.


In Seegatterl musste die Pension »Haus am Wildbach« evakuiert werden. Eine Verklausung an der Brücke über die Schwarzlofer, die zu dem Parkplatz am Beginn des Wanderwegs zur Nattersbergalm führt, hatte zu großen Problemen für die Anwohner geführt. Aus dem »Haus am Wildbach« mussten damals »15 Menschen und ein Hund gerettet und in Pensionen im Ort untergebracht werden«, erinnert sich unser Ortsberichterstatter Josef Hauser im Gespräch mit dem Traunsteiner Tagblatt. Dabei ließen sich manche Gäste offenbar von dem Erlebten nicht abschrecken – »die sind gerade jetzt wieder da«, berichtet der Inhaber der Pension »Haus am Wildbach«, Andreas Lux-Wellenhof.

»Die Wassermassen kamen so schnell, so hoch und mit solcher Wucht, dass für die Bewohner keine Chance mehr bestand, das Gebäude selbst zu verlassen«, so Hauser damals. Im weiteren Verlauf rissen die Fluten auf einer Länge von 100 Metern den Radweg mit. Wasser- und Stromleitungen wurden freigelegt, der Schmutzwasserkanal abgerissen und ein Schacht weggespült.

Innerorts mussten wichtige Infrastruktureinrichtungen wie das Gebäude des BRK und die Naturwärme mit Sandsäcken gesichert werden, über die Gräben entlang der Hauptskiabfahrt von Winklmoos nach Seegatterl kamen die Wassermassen ungebremst über die Forststraße, rissen diese an mehreren Stellen vollkommen mit und legten auch hier den Kanal frei. Selbst bei ausgebauten Gewässern kamen die Steinsicherungen in Bewegung. »Dank dem guten Zusammenspiel der Rettungskräfte – Freiwillige Feuerwehr, BRK und DLRG – zusammen mit dem gemeindlichen Bauhof und den örtlichen Unternehmern konnte Schlimmeres verhindern werden«, berichtete das Traunsteiner Tagblatt vor einem Jahr.

Nach Auskunft des Hochwassernachrichtendienstes Bayern wurde beim Pegel Schwarzlofer mit 224 Zentimetern der höchste Pegelstand seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1976 gemessen. Am 2. Juni 2013 waren es 220 Zentimeter.

»Die Aufarbeitung wird einige Zeit in Anspruch nehmen. Mit Sperrungen von Wanderwegen und Brücken wie am Grenzsteg muss deshalb gerechnet werden«, so Bürgermeister Matthias Schlechter damals gegenüber dem Traunsteiner Tagblatt. Und er sollte recht behalten. Zwar waren die Schäden relativ schnell weitgehend behoben, doch sind die Arbeiten zum Teil bis jetzt nicht vollständig abgerechnet. Einer ersten Schätzung nach dürfte der Schaden aber mindestens 160 000 Euro betragen. Dementsprechend können auch manche Fördermittel erst noch beantragt werden.

Im Minutentakt wurde die Feuerwehr Reit im Winkl damals zu Einsätzen alarmiert. Die Schwarzlofer hatte sich aus Seegatterl kommend in kürzester Zeit zum reißenden Sturzbach entwickelt, berichtet Kommandant Günther Braun auf der Internetseite der Feuerwehr.

Mehrere Feuerwehren aus dem Achental und Ruhpolding wurden inklusive gefüllter Sandsäcke nach Reit im Winkl alarmiert, um die die drohende Überschwemmung des Gewerbegebiets Donnersgattern abzuwenden – was auch gelang. Die Bundesstraße wurde vorsichtshalber von Donnersgattern bis Seegatterl gesperrt. »Eingeschlossen in diesen Wassermassen waren unter anderen die Feriengäste des 'Haus am Wildbach'«, berichtet Braun über die dramatische Situation. Die Gäste konnten wegen der Wassermassen rund ums Haus die Unterkunft nicht mehr verlassen. Ein örtlicher Fuhrunternehmer sei beauftragt worden, mit schwerem Gerät wie Lastwagen, Radlader und Bagger bei der Evakuierung zu helfen. Feuerwehr, DLRG und der Unternehmer befreiten sehr schnell und koordiniert die Gäste aus der Gefahr. Im Auftrag des Bürgermeisters kümmerte sich die Tourist-Info noch um ihre Unterbringung in Pensionen und Hotels.

»Das war wirklich großartig organisiert«, zeigt sich Lux-Wellenhof im Gespräch mit dem Traunsteiner Tagblatt dankbar. Er hatte damals wirklich großes Pech. Gerade erst hatte er das Haus gekauft und saniert, im Keller eine Personalwohnung samt neuer Küche eingerichtet und die Böden erneuert, da er selbst in München lebt, dann kam Corona und dann das Hochwasser.

»Im Keller war praktisch alles zerstört, und nach so einem Schaden muss natürlich alles erneuert werden, die Heizung, die Isolierung, die Wände, die Böden«, so Lux-Wellenhof. Aber zum Glück hatte er das Haus versichert, und zum Glück war es vor allem der Keller, in dem der meiste Schaden entstand. Die oberen Stockwerke waren weitgehend unversehrt geblieben, so dass die Ferienwohnungen bereits zwei Wochen später wieder vermietet werden konnten. »Wir haben alle Gäste angeschrieben und angeboten, kostenlos zu stornieren, aber manche kamen trotzdem, zum Teil sogar erst recht, denn nach der Katastrophe im Ahrtal hatten viele die Situation gut auf dem Schirm.« Auch er selbst habe die Berichte aus dem Ahrtal gelesen und fühle sich mit den Menschen dort bis heute »verbunden im Geiste«.

Ausgesprochen dankbar ist Lux-Wellenkamp allen Helfern, die so tatkräftig zugepackt haben, darunter neben Feuerwehr, DLRG, dem Fuhrunternehmer, Bürgermeister und Gemeinde sogar eine Gästefamilie. Auch die Handwerker packten an und gaben ihr Bestes. Noch sei nicht alles im Keller und außen wieder völlig erneuert, aber er sei heilfroh, dass nichts Schlimmeres passiert sei, und er auch wieder vermieten könne.

Neben ihm seien noch zwei Nachbarn von dem Hochwasser betroffen gewesen, die aber zum Glück nur die Außenbereiche wiederherstellen und die Keller trocknen mussten. Dennoch bleibe eine gewisse Unsicherheit, »und natürlich wird man da schon ein bisschen nervös, wenn es stärker regnet.« Insofern würden sich die Beteiligten vor allem eine langfristige Sicherung der Situation an der Schwarzlofer wünschen. Zum Glück gebe es dafür ja inzwischen auch Fördermittel vom Bund.

coho

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