Richtig auf Signale der Kühe reagieren
Zum Auftakt gab Tiermedizinerin Dr. Ulrike Sorge einen Einblick, wie sich durch den passenden Umgang mit Kühen der Stress für Mensch und Tier reduzieren lasse, was sich positiv auf Tiergesundheit sowie Milchleistung und -qualität auswirke. Unter der Überschrift »Kuhverstand ist kein Geheimnis« erläuterte die Fachabteilungsleiterin für Eutergesundheit beim Tiergesundheitsdienst Bayern die wichtigsten Verhaltensprinzipien, denen Kühe im Stall, auf der Weide und in besonderen Situationen folgen. Wichtige Faktoren seien dabei das Stress- und Herdenverhalten, der Geruchssinn, der Wahrnehmungsbereich und das Reagieren auf Druck- und Fluchtzonen.
»Kühe brauchen vor allem Zeit und Raum, um Situationen richtig einschätzen und auf Signale reagieren zu können.« Durch die Kenntnis des Tierverhaltens, der passenden Signalreize und richtigen Position sowie spezielles Training könnten der Landwirt oder landwirtschaftliche Fachkräfte Kühe wesentlich stressfreier lenken und an den Melkstand gewöhnen, führte Dr. Sorge aus. Obendrein diene das sogenannte Stockmanship-Training der Arbeitssicherheit und dem Selbstschutz in großen Ställen, was Sorge anhand von Videos demonstrierte. »Da kann man sogar als alter Hase noch was lernen«, kommentierte Kreisbauernobmann Johann Steiner.
Preiskapriolen durch knappes Angebot
Einblicke in die aktuelle Situation am Milchmarkt gab Sandra Mühlbauer vom Institut für Ernährungswirtschaft und Märkte der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft. Neben dem Verweis auf Änderungen in der Rohmilchgüteverordnung im Sommer 2021 ging sie vor allem auf die besondere Situation beim Milchpreis ein. Dieser habe im vergangenen November mit 62,99 Cent Bio-Milch und 59,52 Cent pro Liter bei konventionell erzeugter Kuhmilch einen historischen Höchststand erreicht. Zum Vergleich: 2016 lag der Literpreis bei konventioneller Milch bei 28,41 Cent. Seitdem seien auch die Preise bei Käse und Butter in die Höhe geschnellt. Als Gründe nannte Mühlbauer vor allem, dass die angelieferte Milchmenge seit 2019 rückläufig sei. Ebenso sei aufgrund von Klimaeinflüssen der Anteil von Fett und Eiweiß als wichtigste Inhaltsstoffe in den Sommermonaten gesunken. Panikkäufe durch den Ukrainekrieg hätten ebenso wie die insgesamt sinkende Zahl an Milchkühen in Deutschland, psychologische Markteffekte und weitere Faktoren bei der »deutlichen Angebotsverknappung« eine Rolle gespielt. Mittel- und langfristig gerate die Milchproduktion in Bayern und Deutschland und damit auch der Milchpreis durch Handels- und Umweltauflagen, steigende Lohn- und Produktionskosten, mangelnde Planungssicherheit, den Klimawandel, die Konkurrenz durch vegane Ersatzprodukte und weltweite Markteffekte immer stärker unter Druck.
Über detaillierte Ergebnisse aus den Untersuchungen der Grundfutterqualität im vergangenen Jahr und deren Einfluss auf die Milchqualität berichtete Josef Schmalzbauer vom AELF Holzkirchen. Als Schlussfolgerung aus den je nach Erntetag und Wettersituation stark schwankenden Messwerten empfahl er eigene Futteruntersuchungen und eine Futterberatung als »gute Investition in die Tiergesundheit«. Eine Checkliste zeigte ergänzend mögliche Schwachpunkte in der Produktionskette bei der Milch auf.
Auf die Auswirkungen der aktuellen Marktkapriolen für die Milcherzeuger der Region ging Ludwig Huber vom AELF Traunstein ein. Kurzfristig habe der steile Anstieg des Milchpreises zwar zu einer günstigen wirtschaftlichen Situation der Milcherzeuger geführt und erstmals einer Entlohnung der Familien-Arbeitskräfte auf Mindestlohn-Niveau. Doch die langfristigen Kostensteigerungen bei Betriebsmitteln, Baumaßnahmen und Technikinvestitionen seien dabei noch nicht berücksichtigt.
Kritische Sicht auf größere Herden
Huber warnte davor, dass die aktuell günstige Situation nicht zu unüberlegten Investitionsentscheidungen führen sollte. Trotz des Kostendrucks hätten es der technische Fortschritt und die Automatisierung bisher Familienbetrieben in der Region ermöglicht, auch kleinere, gewachsene Milchviehherden mit Familienarbeitskräften zu betreuen. Um die »horrenden Preise« für Stallneubauten und Technikinvestitionen ausgleichen zu können, sei auch in der Region der Trend zu größeren Herden festzustellen. Diese seien aber längerfristig ohne knappe und teure Lohnarbeitskräfte nicht mehr zu betreuen. Dies sei bei Investitionsentscheidungen, die die Weichen für die nächste Generation stellen, zu berücksichtigen.
eff