“Wie schaffen wir es, möglichst vielen Bürgern Baugrund zu verschaffen?”, gab Bürgermeister Hans-Jörg Birner zunächst die Ausgangsfrage vor. Da es im hochpreisigen München vor allem den Baugenossenschaften gelungen war, Mieten und Bauen bezahlbar zu halten, übergab er das Wort an die Münchener Expertin Natalie Schaller. Sie stellte sich als studierte Architektin vor, die seit 2014 Leiterin der Münchener Mitbauzentrale ist.
Sie erklärte zunächst, dass es in einer Baugenossenschaft um “mehr als Wohnen” geht. Sie kann einen gesellschaftlichen Mehrwert leisten. Da bereits bei der Bauplanung alle zukünftigen Bewohner beteiligt sind, entstehen schon früh im Bauprozess starke soziale Netzwerke.
Rein rechtlich gibt es nicht “die” Baugenossenschaft, sondern mehrere verschiedene Rechtsformen, deren Unterschiede Natalie Schaller anfangs kurz darstellte. Besonders die Form des “Syndikat” sorgte für neugieriges Erstaunen. Dieses entstand in der Hausbesetzerszene und ist ein Zusammenschluss von autonomen Wohnprojekten. Das Syndikat sichert die Unverkäuflichkeit des Gemeineigentums und entzieht die Immobilien dem Kapitalmarkt. Sorgt also für bezahlbare Mieten.
Neben dieser eher großstädtisch relevanten Form, ist die klassische Genossenschaft auch für die ländliche Region inzwischen attraktiv. Deren Grundsätze beinhalten die Selbsthilfe, Selbstverwaltung und Selbstverantwortung. Da alle Mitglieder gleichzeitig Mieter und Vermieter zugleich sind, besteht ein Eigeninteresse, die Mieten moderat zu halten. Ein weiterer Vorteil der Genossenschaft ist, dass der Grund und Boden der Spekulation entzogen wird. Also somit dazu beiträgt, dass die Bodenpreise der gesamten Kommune moderat bleiben.
Da Genossenschaften einen gesellschaftlichen Mehrwert schaffen, bezahlbares Wohnen ermöglichen und einen Beitrag zur Dämpfung der Preisentwicklung leisten, haben Kommunen ein Interesse, Genossenschaften zu fördern. Deshalb bieten viele Gemeinden Zugang zu günstigen Bauflächen und Finanzmitteln. Das Interesse der Kommunen für das Thema konnten einige zugeschaltete Bürgermeister aus dem Landkreis bestätigen. Bürgermeister Bratzdrum aus Tittmoning erkundigte sich, wie lange der Vorlauf der Gründung einer Genossenschaft dauert. Frau Schaller ging davon aus, dass man mindestens ein dreiviertel Jahr Vorlauf einplanen sollte.
Hans-Jörg Birner fügte an, dass bei einer Genossenschaftsgründung mit Sicherheit Know-how von außen notwendig sein würde. Er kündigte an, dass in Kirchanschöring die Gründung einer Genossenschaft unter Beteiligung der Kommune angedacht würde.
Zum Abschluss warf Gemeinderatsmitglied Dr. Stöckl-Bauer die Frage auf, ob die in München gut funktionierenden Genossenschaftsprojekte auch auf dem Land funktionieren. Dazu konnte ein Teilnehmer aus Grassau anmerken, dass Modelle wie diese auch bei uns notwendig werden. Er mahnte, dass die kommunalen Einheimischenmodelle inzwischen an ihre Grenzen stoßen.
Hans-Jörg Birner wies zum Ende der Veranstaltung auf den nächsten Teil der Vortragsreihe hin. Der nächste Abend findet am, Mittwoch, den 9. Februar 2022 wieder online ab 19.30 Uhr bis ca. 21 Uhr statt. Dann wird Alexandra Bauer von der Technischen Universität München über “soziale Begegnungsorte” sprechen, wie sie entstehen, was überhaupt solch offene Orte sind und wie man sie finden kann. Gemeinsam mit den Kirchanschöringerinnen und Kirchanschöringern will sie auf eine Entdeckungsreise gehen und herausfinden, wo es schon solche Plätze in der Gemeinde gibt und ob noch neue Orte entstehen können. Der Link dazu steht auf der Website www.kirchanschoering.de zu Verfügung.
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