Max Aicher, Initiator und Finanzier dieses Unterrichtsprojektes, ließ es sich auch mit 91 Jahren nicht nehmen, die Zeugnisse selbst zu überreichen und die guten Leistungen hervorzuheben. Immer schon war ihm Bildung ein großes Anliegen, Menschen fördern und für neue Perspektiven und Ideen offen sein – wie er auch kürzlich in seiner Rede zur ihm verliehenen Ehrensenatorwürde von der Technischen Hochschule Rosenheim sagte.
Gerhard Weichenhain als Vorstand der Max-Aicher-Förderstiftung lobt das Engagement und den Fleiß der jungen Zugewanderten zwischen 20 und 30 Jahren und freut sich, dass man auch im zehnten Jahr des Bestehens dieses einzigartigen Integrationsprojektes wieder junge Leute aus allen Teilen der Welt mit einem staatlichen Zeugnis in Ausbildung und Arbeit entlassen könne. Freilassings Bürgermeister Markus Hiebl fand lobende Worte für die Absolventen, die gut erkannt haben, einen deutschen Schulabschluss als beste Möglichkeit für den Arbeitsmarkteinstieg anzustreben.
Notendurchschnitt 2,2
Kreisrat Helmut Fürle als Landrat-Stellvertreter zeigte sich beeindruckt von den großartigen Leistungen, die mit Fleiß und Willen erreicht wurden, ein Noten-durchschnitt von 2,2 ist das heurige Ergebnis. Der Landtagsabgeordnete und für Bildung zuständige Dr. Martin Brunnhuber gratulierte den Zugewanderten jungen Erwachsenen, die nun nach zwei Schuljahren einen neuen Lebensabschnitt mit Eigenverantwortung beginnen. Viel sei vor allem im Bildungsbereich in 10 Jahren geschehen. Hunderte neuer Integrationsklassen seien geschaffen worden, in vielen kleinen Schritten gelinge Teilhabe.
Die langjährige Wegbegleiterin des Unterrichtsprojektes, die Integrationslotsin des Landkreises Astrid Kaeswurm hob in ihren Grußworten hervor, dass das Max-Aicher-Unterrichtsprojekt Brücken baue und viele Kulturen verbinde, lernen doch insgesamt Menschen aus über 40 Herkunftsländern und vier Kontinenten friedlich miteinander »und wir alle voneinander«.
Leistungsberichte und Zeugnisse
Zusammen mit Bernhard Riedl, dem seit einem Jahr neuen Direktor der prüfungsabnehmenden Mittelschule Ainring-Mitterfelden, überreichten die Ehrengäste den elf erfolgreichen Abschluss-Schülerinnen und -Schülern ihre staatlichen Abschlusszeugnisse. Weitere 13 Zugewanderte beendeten das 1. Schuljahr und erhielten ihre Leistungsberichte mit sehr guten Bewertungen. Damit werden sie ab September als Prüfungsgruppe bis zu ihren Abschlussprüfungen im Juli 2026 weiter büffeln.
Bernhard Riedl zeigte sich begeistert von den Prüflingen – ihrem Wissen, ihrem Fleiß, ihrem Benehmen und ihrer Pünktlichkeit. Nicht nur für die 1,0 -Schülerin Kübra aus der Türkei, sondern für alle sind die Weichen für die Zukunft mit dem staatlichen Abschluss gestellt.
»Wir haben viel Grund zum Feiern«, freut sich Gabriele Bauer-Stadler, Leiterin des Bildungszentrums. 100 Prozent haben das Schuljahr geschafft, mit einem sehr guten Notendurchschnitt. Wir freuen uns sehr mit Kübra, die in allen Fächern eine glatte 1 erreichte. Im Herbst beginnen fast alle eine Ausbildung, treten eine Arbeit an oder lernen weiter. Es beginnt ein neuer Lebensabschnitt mit einem selbstständig (zumindest teil-) finanzierten Leben.«
Lernen im Grünen Klassenzimmer
Die zwei Schuljahre dauernde Mittelschulzeit ließ den Zugewanderten nicht viel Freiraum: Deutsch, Mathematik, Englisch, Geschichte, Soziales, Politik, Leben in Deutschland, Berufsdeutsch und EDV…. die Lehrerinnen Julia Hänsch, Andrea Bus und Christina Fast drückten ordentlich »aufs Gas«. Denn auch Praxis-Lerntage, berufsunterstützende Maßnahmen durften nicht zu kurz kommen. An insgesamt 18 Tagen in den letzten zwölf Monaten waren die Lernenden unterwegs: ob Berufsinformationsmessen, Betriebsbesuche wie der Kläranlage, dem Badylon und dem Energieverbund der Stadt Freilassing, der Brauerei Wieninger oder dem Bauernhof der Familie Mühlberger in Bruch, Besuche von IHK, HWK oder dem Kreisjugendring BGL – dies alles bereicherte den Schulalltag und das Wissen um Leben in Deutschland.
In kleinen Theater-Sketchen präsentierte die Prüfungsgruppe die Erfahrungen und Herausforderungen mit der deutschen Sprache unter viel Beifall der Anwesenden. Nichts ist unmöglich, es gibt kein können und nicht können, nur ein wollen und nicht wollen. Leben ist lebenslanges Lernen – »wir jetzt angekommen«. Alle Absolventen haben dies verstanden. Sie beginnen im Herbst unter anderem als Erzieherinnen, in der Gesundheitspflege, als Arzthelferin, Elektriker oder Friseur. Die Abschlussgruppe bedankte sich mit Blumen und Fototassen bei Familie Aicher und ihren doch lieb gewonnen Lehrerinnen.
Ein besonderer Gast
Einen ganz besonderen Gast konnten die Anwesenden begrüßen – Ali Al Gafri aus dem Jemen, ein Ex-Schüler, der einen mehr als erfolgreiches Lebenseinstieg geschafft hat: Ankunft 2018 in Bischofswiesen, ABC-Kurs, Mittelschultraining mit Quali-Abschluss in der Corona-Zeit, Ausbildung zum Lagerlogistiker, parallel dazu Master-Studium BWL, Buchübersetzer und seit 2024 mit Frau und drei Kindern eingebürgert in Deutschland. »Max Aicher hat mir dazu verholfen. Ich weiß nicht, wie unser Leben ohne diese Möglichkeit verlaufen wäre. Vielen Dank.«
Eine große Unterstützerin für das Gelingen in diesen Jahren war die frühere Fachdienstleitung der Caritas, Anschi Kögler, die als Gratulantin gekommen war. Auch in den diesjährigen Jahrgängen sind 90 Prozent bereits »untergebracht«: Pinky und Myo aus Myanmar und Shaheer aus Afghanistan gehen in die Pflege-Lehre, Kübra aus der Türkei in eine Arztpraxis, Maksym aus der Ukraine beginnt eine Industrie-Elektriker-Ausbildung – »das war immer mein Traum«. Kyros aus Eritrea erlernt das Friseur-Handwerk, andere gehen in die Kinder-Erziehung oder in den Bereich Gastronomie/Tourismus. Aya und Maya aus Syrien wollen in eine Zahnarztpraxis, andere als Lagerlogistiker arbeiten oder evtl. auch nach weiteren Abschlüssen streben. Die meisten bleiben in der Region.
Fulminant endete dieser Vormittag mit dem Lied von Queens »We are the Champions« gelauncht von der stimmenstarken Faith aus Nigeria. fb